"Im Kopf muss es 'klick' machen" - Interview mit dem "The Biggest Loser"-Kandidaten Stefan Hentschel
Der Kaarst-Büttgener trat als schwerster Abnehmkandidat in der Geschichte der TV-Sendung "The Biggest Loser" an - und schied nach zwei Wochen aus. Im Interview mit dem Online-Magazin paradisi.de erzählt der 1,90 m große und ehemals 244,5 kg schwere Gladbach-Fan, welche Erkenntnisse er aus dieser einmaligen Erfahrung mitgenommen hat.
paradisi.de: Stefan, Sie sind mit einem BMI von 67,7 in die Geschichte der Sendung als Kandidat mit dem höchsten Gewicht eingegangen. Wieso haben Sie sich gerade dazu entschieden, in einer Fernsehsendung die Pfunde purzeln zu lassen?
Stefan Hentschel: Dafür muss ich jetzt ein bisschen ausholen. Ich habe bereits vor zweieinhalb Jahren einen Versuch gestartet, mir Hilfe zu holen. Damals habe ich noch Fußball gespielt, bei einem Gewicht von 192 Kilo. Der Antrag auf eine Magenverkleinerung wurde jedoch von der Krankenkasse abgelehnt, mit der Begründung, ich solle es zunächst einmal mit einer begleitenden Ernährungsberatung versuchen.
Letztes Jahr ging es mir dann sehr schlecht. Ich hatte mir auf der Arbeit den Fuß gebrochen und musste mich sieben Wochen lang krankschreiben lassen. Das führte wiederum zu einer weiteren Gewichtszunahme von über zehn Kilo.
Ich fiel in ein depressives Loch und habe dann erneut Hilfe gesucht und eine Kur beantragt. Diese wurde jedoch, auch nachdem ich in Revision gegangen war, von zweiter Instanz abgelehnt.
Doch ich wollte nicht aufgeben, also habe ich mich bei The Biggest Loser beworben - und es klappte! Meines Erachtens nach bietet The Biggest Loser eine gute Chance, um abzunehmen. Natürlich muss man zunächst einmal selbst erkennen, dass man Hilfe braucht - es muss im Kopf "klick" machen.
Ich denke nicht, dass ich es bei meinem Übergewicht alleine geschafft hätte. Man kennt das ja: Da schafft man es, zehn Kilo abzunehmen, wird auf einen Geburtstag eingeladen und kaum hat man sich versehen, ist schon wieder der Wurm drin.
Bei der Show befasst man sich 24 Stunden am Tag mit dem Abnehmen, man hat keine Ablenkung und befindet sich unter Gleichgesinnten.
paradisi.de: Was verändert sich beruflich und privat im Leben eines stark Übergewichtigen?
Stefan Hentschel: Oh, so einiges! Zur der Zeit, als ich mein Höchstgewicht erreichte, habe ich mich immer mehr zurückgezogen. Natürlich versucht man nach wie vor, in seiner gewohnten Umgebung aktiv zu bleiben, nicht passiv zu werden.
Aber es fängt bereits mit so Kleinigkeiten wie mit der Einladung in eine Lokalität an. Wenn man so schwer und breit ist, dann macht man sich sofort Gedanken: "Soll ich hingehen oder nicht? Wird das überhaupt funktionieren? Werde ich genügend Platz haben und ordentlich sitzen können?".
Es passt ja nicht jeder mit solch einer Statur in jeden Stuhl. Gott sei Dank ist bei mir noch nie etwas zusammengebrochen, aber die Angst und das Risiko bleiben immer bestehen.
Wenn man in der Öffentlichkeit ist, versucht man immer, eine Art Schutzschild aufzubauen, denn ohne geht es eigentlich nicht. Das äußert sich dann darin, dass man sozusagen gute Miene zum bösen Spiel macht und so tut, als wäre man dauernd guter Laune. Man lacht also, steht über den Dingen und amüsiert sich über die Witze, auch wenn man innerlich völlig am Boden ist, oder es einem schlecht geht.
Aber ich habe nur dann mitgelacht, wenn der Witz, der über mich gerissen wurde, auch gut war. Einen armseligen Versuch habe ich dann mit "Ich bin zwar fett, aber dich schaff' ich noch alle mal" quittiert - und dann war's auch gut. Das tue ich heute übrigens immer noch. Aber jetzt, wo ich wieder fitter bin, geht es mir auch wieder wesentlich besser.
"Irgendwann trifft einen halt der Hammer"
paradisi.de: Wir würden gerne auf Ihre weiteren Motivationsgründe zurückkommen. Wann trat bei Ihnen der entscheidende Moment zutage? Haben Sie noch weitere Gründe, welche Sie dazu veranlasst haben, abnehmen zu wollen?
Stefan Hentschel: Eigentlich sind es viele kleine Gründe - oder sagen wir Wünsche, die sich immer mehr angehäuft haben. Ich bin ein großer Fußballfan von Borussia Mönchengladbach. Früher bin ich, so oft es ging, zu den Auswärtsspielen gefahren, das war mit der Zeit jedoch aus Platzproblemen irgendwann nicht mehr möglich.
Ich würde aber auf jeden Fall gerne mal zu einem internationalen Spiel fahren können. Auch musste ich meine Position als Torwart in meinem Heimatverein VfR Büttgen aufgeben - das alles würde ich in Zukunft ändern wollen.
Ab und zu mal ein schöner Urlaub, bei dem ich nicht zwei Sitze im Flugzeug beanspruchen muss, und ein fester Job, bei dem ich nicht bereits nach Auslaufen meines Arbeitsvertrages gezwungen bin, einen neuen zu suchen, sind weitere Wünsche und Gründe, um abzunehmen.
Um auf die Frage zurückzukommen, wann es denn endlich "klick" gemacht hat - es war zum einen an dem Tag, an dem ich die Strecke vom Parkplatz zum Stadion, beziehungsweise zu meinem Block, nicht mehr laufen konnte. Früher hätte ich das locker dreimal hintereinander geschafft! Irgendwann trifft einen halt der Hammer - und ich bin froh, dass es damals nur ein Fußbruch war, und nicht, wie bei anderen, ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt.
paradisi.de: Stellen Sie sich vor, ein Kettenraucher wird aufgrund einer starken Erkrankung der Lunge oder der Atemwege gezwungen, seiner Gesundheit zuliebe von einem Tag auf den anderen radikal mit seiner Gewohnheit zu brechen. Glauben Sie, dass diese Vorgehensweise auch bei einem gestörten Essverhalten die Richtige wäre - oder gar überhaupt realisierbar?
Stefan Hentschel: Auf keinen Fall. Wenn man die beiden Sachlagen vergleicht, dann tritt ein entscheidender Unterschied zutage: Man wird als Nichtraucher geboren. Das Rauchen als schlechte Angewohnheit eignet man sich im Laufe des Lebens an.
Die Nahrungsaufnahme hingegen muss bereits im Mutterleib stattfinden, damit man überleben kann. Menschen wie ich sind nun mal essgestört - einige haben Bulimie, die essen und erbrechen sich hinterher. Ich selbst habe immer so lange gegessen, bis mir schlecht war.
Das hat irgendwann dazu geführt, dass sich mein Gehirn ausgeschaltet hat und ich kein Sättigungsgefühl mehr verspürt habe. Da hilft es nur, schrittweise zum gesunden Maß zurück zu gelangen.
paradisi.de: Wie haben Sie versucht, besagtes Maß zu finden? Haben Sie beispielsweise irgendwann ein Ernährungstagebuch geführt?
Stefan Hentschel: Nein, das habe ich selbst nie getan. Ich musste es dann jedoch für The Biggest Loser machen, und erst da ist mir aufgefallen, wie viel ich eigentlich esse, wie viele Kalorien überall drin sind. Das war mir vorher nie bewusst.
Ich nehme mal ein Beispiel: Ich liebe Mayonnaise und Ketchup. Immer dann, wenn ich ein Gericht mit Mayonnaise gegessen habe, war ich nicht mit einem Klecks zufrieden, sondern habe richtig viel davon genommen.
Außerdem habe ich mir eine App auf mein Smartphone runtergeladen, bei der man die Produkte einscannen kann, und die dann die Kalorienmenge dessen, was man im Begriff ist zu essen, auflistet. Es gibt aber noch andere Funktionen - man kann zum Beispiel Größe, Gewicht, Geschlecht und die abzunehmende Kilozahl angeben, dann rechnet dir die App aus, wie viel du essen kannst, sie stellt Gerichte zusammen und fungiert eigentlich als eine Art Online-Ernährungstagebuch und virtueller Diätcoach.
Momentan nutze ich die App aber nicht mehr - ich habe sie inzwischen verinnerlicht und weiß, was ich so alles am Tag essen kann, um mein Gewicht zu halten oder um abzunehmen.
paradisi.de: Also keine Gänge mehr zu McDonald's?
Stefan Hentschel: Doch, natürlich. Wenn man dort war, muss man halt nur zusehen, dass man am nächsten Tag Sport macht, oder eben weniger isst und an einem anderen Ende Kalorien einspart.
McDonald's ist und bleibt für mich aber ein Genussmittel. Das ist kein Essen mehr, bei dem ich denke, ein vollwertiges Mittag- oder Abendessen zu genießen.
paradisi.de: A propos Genuss - haben sich Ihre Geschmacksknospen beziehungsweise Ihr Geschmacksempfinden für Süßes oder Konservierungsmittel verändert?
Stefan Hentschel: Auf jeden Fall. Meine Leibspeise sind Nudeln mit Bolognese-Sauce. Diese habe ich früher immer mit Fertigmischungen gemacht. Seit The Biggest Loser mache ich aber alles nur noch frisch.
Diese Umstellung ist für mich auch kein Problem, da ich schon immer gerne gekocht habe - nur immer falsch und mit den falschen Methoden. Jetzt weiß ich, dass es auch gesünder, günstiger und schneller gehen kann.
Meine Empfindung für Süßes hat sich auch stark verändert. Früher habe ich neben Wasser immer nur Cola getrunken. Seitdem ich auf Cola light umgestiegen bin, empfinde ich die zuckerhaltige Cola schon als ziemlich unangenehm süß.
"Es wurde schon immer spekuliert, wie schwer ich bin"
paradisi.de: Die Sendung findet in Spanien statt. Die Meisten assoziieren das Land eher mit einem entspannten Strandurlaub. Es muss für die Kandidaten sicherlich sehr schwer sein, da motiviert zu bleiben. Hätten Sie sich lieber einen anderen Austragungsort gewünscht?
Stefan Hentschel: Mir war das egal. Ich habe mir eher gedacht: "Oh cool, Spanien...Mal ein anderes Land!". Ich fand es eigentlich schön, dass die Show dort gedreht wurde. Das gute Wetter hat einen eher bei Laune gehalten, auch wenn Sport bei der Hitze nicht so prickelnd war.
paradisi.de: Viele Menschen mit Übergewicht trauen sich aus Scham meist nicht einmal ins Fitness-Studio und Sie hatten den Mut, nicht nur ihren entblößten Oberkörper der Kamera zu präsentieren, sondern den Zuschauern wöchentlich auch einen Blick auf die Waage zu gewähren. Bekannterweise sollt dies einen Überwachungseffekt garantieren und so zu einer erfogreicheren Gewichtsabnahme verhelfen. Sank die Hemmschwelle, stieg die Motivation?
Stefan Hentschel: Nach dem Fußbruch bin ich mit der ganzen Sache sehr offensiv umgegangen. Ich wollte Hilfe haben, und dafür musste ich nun mal gewisse Dinge in Kauf nehmen. Es wurde schon immer spekuliert, wie schwer ich eigentlich bin.
Ich habe es bislang immer für mich behalten, aber bei The Biggest Loser war es mir egal, ob jemand von meinem Gewicht erfährt oder nicht, da ich dort ja nicht der Einzige mit Übergewicht war, der Hilfe benötigte. Ich möchte kein Mitleid haben, aber ich wollte immer, dass die Menschen, die das sehen, begreifen, was für ein Glück sie mit ihrem Normalgewicht haben. Ich hatte also keine Hemmschwelle oder Scham - das erste Mal auf der Waage hat mir keinerlei Schweißausbrüche oder Angstzustände bereitet.
Die Motivation steigt natürlich enorm, wenn du siehst, wie viel du von Woche zu Woche abnimmst. Allerdings verliert man anfangs viel Wasser, was sich leider nur zu Beginn des Abnehmens auf der Waage manifestiert.
Dann ist man richtig motiviert, isst noch weniger und macht dafür mehr Sport - und am Ende der Woche hat man dann zwar abgenommen, aber viel ist es im Vergleich zum Beginn nicht mehr. Das frustriert schon ein wenig.
Was mich auch überrascht hat, war die Tatsache, dass man essen muss, um abnehmen zu können. Sonst stellt sich der Körper auf eine Hungerperiode ein und hamstert jede Kalorie, die ihm zugeführt wird - er arbeitet also auf Sparflamme, was den Abnehmeffekt hemmt.
Ich gehe nun ins Fitness-Studio und versuche auch sonst, mich so viel wie möglich zu bewegen, Hauptsache, ich halte meinen Stoffwechsel in Gang. Ich denke schon, dass man Hunger aushalten muss, um abnehmen zu können, aber verbieten sollte man sich nichts.
Es kommt auf die Menge an, so läuft man nicht Gefahr, rückfällig zu werden. Und Burger gönne ich mir immer noch - mit dem Unterschied, dass ich sie mir jetzt selbst zubereite. Das schmeckt nicht nur besser, sondern hat auch nur die Hälfte an Kalorien.
"Es ist einem nur vage bewusst, welche Ausmaße man eigentlich besitzt"
paradisi.de: Wie veränderte sich Ihr Körpergefühl und Ihre Selbstwahrnehmung? Haben Sie einen Gegensatz zu früher feststellen können?
Stefan Hentschel: Eigentlich ist einem, bevor es nicht "klick" gemacht hat, nur vage bewusst, welche Ausmaße man eigentlich besitzt. Man merkt es mal mehr, mal weniger - mehr zum Beispiel dann, wenn man feststellt, dass man Woche für Woche weniger Platz im Auto, in der Dusche oder im Türrahmen hat.
Jetzt, da ich abgenommen habe, merke ich den Unterschied enorm. Das eigene Körpergefühl ist wieder da, unfassbar eigentlich. Ich kann mein Gleichgewicht halten, meine Koordination hat sich verbessert. Es ist wieder fast so wie zu den Zeiten, in denen ich noch Fußball gespielt habe.
paradisi.de: Gemeinsamkeiten schweißen zusammen - in der Show kämpft man zu Beginn jeweils in Zweierteams für den wöchentlich höchsten Gewichtsverlust. Fiel es Ihnen dann auch leichter, Ihre Ziele im Team mit Ihrem anderen "Leidensgenossen" zu verfolgen? Konnten sie sich gegenseitig motivieren?
Stefan Hentschel: Ein klarer Fall von Ja. Es ist leichter zu zweit, man kann sich gegenseitig einfach besser pushen. Was der Andere aber nicht kann, ist, dein Abnehmen zu realisieren. Man muss es schon alleine wollen. Es ging mir auch nicht ums Preisgeld oder um den Sieg, sondern darum, eine Abnehmhilfe zu bekommen.
paradisi.de: Wie war die Stimmung im Camp allgemein? Herrschten Rivalitäten unter den Teams?
Stefan Hentschel: Ich denke schon, dass es auch Rivalitäten gibt. Im Großen und Ganzen aber versteht man sich als Gruppe, die ein Ziel hat: Abnehmen. Jeder der abgenommen hat - egal wie viel - hat doch eigentlich gewonnen.
Von der Prämie kann man sich keine Lebensjahre erkaufen. Bereits zehn Kilo weniger an Übergewicht hingegen bedeuten ein gewonnenes Lebensjahr. Ich bin jetzt 30 Jahre alt, mit meinem Höchstgewicht glaube ich nicht, dass ich über die 50 gekommen wäre. Also habe ich vom Abnehmen doch wesentlich mehr, oder nicht?
"Fußball ist und bleibt nun mal meine Leidenschaft"
paradisi.de: Haben Sie - neben ihrer Leidenschaft für Fußball und Borussia Mönchengladbach - eine weitere Sportart neu für sich entdeckt?
Stefan Hentschel: Als Fußballer ist es sehr schwer, etwas anderes zu finden. Das ist und bleibt nun mal meine Leidenschaft. In der Show bin ich sehr viel Fahrrad gefahren und auch ab und zu aufs Laufband gestiegen.
Besonders viel Spaß aber hat mir das Boxen bereitet. Da wurde uns die Technik richtig beigebracht, unsere Coaches sind ja erfahrene Profis, die uns trotz der wahnsinnigen Anstrengung erfolgreich motivieren konnten. Man verbraucht unfassbar viele Kalorien, aber man wächst auch über sich hinaus, weil man am Ende immer mehr schafft, als man sich eigentlich zugetraut hätte.
Einen weiteren Push haben mir zudem noch die andern Kandidaten gegeben, indem sie mir gesagt haben, dass ich für mein Körpergewicht noch super mithalten kann. Ich denke mal, das rührt noch irgendwo vom Fußballspielen her, da ich mich für meine Masse noch relativ gut bewegen kann.
paradisi.de: Wie hat sich Ihr Essverhalten im Gegensatz zu früher verändert? Haben Sie das Gefühl, auf eine gesunde Ernährungs- und Lebensweise hin sensibilisiert worden zu sein?
Stefan Hentschel: Meine Meinung ist: Wenn man so etwas macht, dann auch richtig. Es bringt einfach nichts, von Chips auf Light-Chips umzusteigen. Davon isst man am Ende mehr, weil man glaubt, es habe weniger Kalorien. Und letztendlich nimmt man mehr Kalorien zu sich als man es beim fetten Original getan hätte.
Wenn man abnehmen will, dann sollte man es richtig angehen und sich dementsprechend ernähren. Klar, man kann ruhig mal etwas Ungesundes zu sich nehmen, aber nicht unbedingt jeden Tag.
Ich verzichte auf nichts, nehme aber, wenn möglich, immer die Vollkornvariante. Ansonsten viel Gemüse, Obst und fettarme Produkte. Außer das Steak, das muss einfach sein. Da lasse ich lieber die Beilagen und Saucen weg, als auf Fleisch zu verzichten.
Nur beim Trinken bin ich auf Cola light umgestiegen, und Bier gibt es auch nur noch zu besonderen Anlässen. Ich muss aber ehrlich gestehen, dass ich den Alkoholgenuss auch nicht vermisse.
"Ich gucke immer von Woche zu Woche"
paradisi.de: Im Trailer sagten Sie, dass Sie bereits als Kind der Dickste waren. Auf welche Faktoren, glauben Sie, ist Ihr Zustand zurückzuführen?
Stefan Hentschel: Ich habe mich ja bereits untersuchen lassen, genetisch und organisch betrachtet ist alles in Ordnung. Ich bin auch kein Psychologe, aber ich denke, dass mein Übergewicht durch mein unregelmäßiges, und oft auch ungesundes Essverhalten kam.
Meine Eltern waren selbständig, weswegen ich viel Zeit mit dem Babysitter verbracht habe. Wenn ich quengelig wurde, gab es zur Beruhigung Schokolade, wenn ich Hunger hatte, wurde dieser sofort gestillt.
Man kennt ja diese Sprüche wie "Du musst deinen Teller aufessen, sonst gibt es morgen schlechtes Wetter". Das hat schon früh mein Verhältnis zum Essen geprägt.
Zum Sport bin ich auch nicht durch meine Eltern gekommen, sondern durch den Nachbarsjungen, der mich mal zum Fußball mitgenommen hatte. Aber ich mache ihnen trotzdem keinen Vorwurf, sie haben ihr Bestes gegeben und es mir nie an etwas fehlen lassen.
paradisi.de: Wie sieht Ihr Traumgewicht aus? Was halten Sie realistisch betrachtet für realisierbar?
Stefan Hentschel: Eigentlich hat das mit dem Gewicht nicht viel zu tun, ich würde einfach am liebsten mal so viel wiegen, dass ich Klamotten kaufen kann ohne sagen zu müssen "Mist, das passt nicht".
Mein Traumgewicht? Vielleicht 150 Kilo? Dann hätte ich knapp 95 Kilo abgenommen. Es wäre aber schon vermessen zu sagen, dass ich das in einem bestimmten Zeitraum schaffe. Was das anbelangt, setze ich mir keinen Rahmen, das wäre unnötiger und sinnloser Druck.
Ich vergleiche das gerne mit der Borussia. Vor zwei Jahren sind die beinahe abgestiegen, und dann war die Mannschaft plötzlich oben mit dabei. Die haben immer gesagt "Wir gucken von Spiel zu Spiel". Und ich gucke immer von Woche zu Woche. Wenn ich mal eine Woche nicht abnehme, dann ist das auch nicht schlimm.
Was ich versuche, ist, langsam, aber stetig abzunehmen, und wenn das mal nicht geht, dann zumindest, mein Gewicht zu halten. Das ist mir bislang auch fast immer gelungen.
"Ich würde gerne mal ein Trikot anziehen können"
paradisi.de: Falls Sie gewonnen hätten - was wäre Ihr größter Traum, den Sie sich mit dem Geld erfüllt hätten?
Stefan Hentschel: Ich hätte mir ein schönes Auto gekauft und meine Schulden beglichen.
paradisi.de: Es gab mal einen Mann, der aufgrund seines Wunsches, wieder eine Lederhose tragen zu können, abgenommen hat. Gibt es ein vergleichbares Kleidungsstück - oder ein Outfit - welches Sie nach Erreichen Ihres Wunschgewichtes unbedingt tragen wollen würden?
Stefan Hentschel: Ich würde gerne einmal ein Trikot der Borussia anziehen können. So ein Trikot habe ich noch nie getragen, die waren einfach immer zu klein.
paradisi.de: Sie sind 30 Jahre alt und haben mittlerweile schon vieles erlebt. Wurden Sie als Kind und Jugendlicher oft gehänselt - zum Beispiel beim heimischen Fußballverein, in welchem Sie als Torwart aktiv waren?
Stefan Hentschel: Ich hatte schon immer einen guten Freundeskreis, der mich integriert hatte. Wobei man sich auch immer selbst integrieren muss.
Dass ich der Dicke war, damit habe ich schon immer leben müssen, im Kindergarten und in der Schule war ich halt immer der Größte und Schwerste. Aber ob sich irgendwelche Leute auf der Straße oder im Fernsehen über mich lustig gemacht haben oder machen, das war und ist mir im Endeffekt egal.
Bislang sind mir Lästereien aber zum Glück meist erspart geblieben. Auch zu meiner Zeit als Torwart habe ich keine sonderlich negativen Erfahrungen gemacht.
"Bei so hohem Übergewicht wie meinem schafft man es nicht mehr alleine"
paradisi.de: Glauben Sie, dass es Frauen, die an Übergewicht leiden, schwerer haben als Männer?
Stefan Hentschel: Zum Teil haben es Frauen schon schwerer mit ihrem Übergewicht, vor allem aufgrund des momentan herrschenden Schönheitsideals. Aber der Druck geht da meiner Meinung nach eher vom eigenen Geschlecht aus.
Denn ich glaube nämlich, dass es weitaus mehr Männer gibt, denen korpulente Frauen gefallen als andersrum. Ich selbst stehe auch auf Frauen, die wohlgeformt und keine Klappergestelle sind.
Mir selbst ist es übrigens noch nie passiert, dass bei einem Ausgehabend eine Frau zu mir gesagt hat "Du siehst aber toll aus, du bist genau mein Typ!". Bei schlanken Frauen, die bei solchen Gelegenheiten mit mir ins Gespräch kommen, würde ich nicht einmal auf den Gedanken kommen oder mir die Hoffnung machen, dass daraus mehr entstehen könnte.
paradisi.de: Was würden Sie Menschen mit Übergewicht raten?
Stefan Hentschel: Wenn das Umfeld stimmt, dann kann man sich auch mit Übergewicht wohlfühlen. Wenn dieses nicht zu extrem ist, wie bei mir am Ende. Dann fühlt man sich nicht mehr wohl.
Wenn jemand aber, so wie ich, krasses Übergewicht hat, dann sollte er oder sie zunächst einmal darauf achten, dass es nicht noch mehr wird und sich Hilfe holen. Er sollte zum Hausarzt gehen und versuchen, eine Kur oder eine Magenverkleinerung zu beantragen.
Bei so hohem Übergewicht wie dem Meinen schafft man es nicht mehr alleine. Krankhaftes Essen, Depressionen und Charakterschwäche sind nur einige Hindernisse, die sich dem erfolgreichen Abnehmen aus eigenem Willen in den Weg stellen.
Man muss es sich mal vor Augen führen: Damit ein Übergewichtiger sein Gewicht halten kann, muss er um die 4.000 bis 6.000 Kalorien am Tag zu sich nehmen. Wenn dieser Übergewichtige seine Kalorienzufuhr aber etwas reduziert und sich zudem ein bisschen mehr bewegt, nimmt er ab. Man muss einfach weniger aufnehmen, als man verbraucht, aber gleichzeitig dem Körper immer etwas zum Arbeiten geben, damit dieser nicht anfängt, jede Kalorie zu bunkern.
paradisi.de: Wenn Sie noch die Möglichkeit hätten, sich operativ den Magen verkleinern zu lassen - würden Sie es annehmen oder glauben Sie, Sie können Ihr Traumgewicht mittlerweile mit dem angeeigneten Wissen und der neu erlernten Disziplin aus eigener Kraft erreichen?
Stefan Hentschel: Eine Magenverkleinerung würde ich nicht mehr annehmen. Denn auch wenn es auf natürlichem Wege weitaus länger dauert, ist es doch gesünder und die Lebensqualität bleibt am Ende erhalten. Egal, ob es sich um einen Bypass oder um ein Magenband handelt, nach der Operation kann man nie wieder viel essen, da nur wenig in den neuen Magen hineinpasst, ohne dass einem schlecht wird.
Dennoch bleibt das Hungergefühl bestehen. Zudem kann man auch längere Zeit nach dem Eingriff nur Flüssignahrung und Weiches aufgrund der Verdauung zu sich nehmen. Das würde meine Lebensqualität ungemein einschränken.
paradisi.de: Wir danken Ihnen für dieses interessante und ehrliche Interview und wünschen Ihnen alles Gute und viel Erfolg auf Ihrem weiteren Lebensweg - auf dass Sie nun auch nach der Zeit bei The Biggest Loser Ihre Ziele und Ihr Traumgewicht werden realisieren können.
Das Interview führte Katarina Tominac
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