Chromosomen - Enthalten Gene und bestimmen das Geschlecht

Als Chromosomen bezeichnet man Strukturen, die Gene und Erbinformationen beinhalten. Sie bestehen aus einer Mischung aus DNA und Proteinen.

Von Jens Hirseland

Bestandteile und Anzahl

Der Begriff "Chromosomen" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Farbkörper". Unter Chromosomen versteht man Strukturen, die Gene und Erbinformationen enthalten. Zu ihren Bestandteilen gehört DNA (Desoxyribonukleinsäure), deren Verpackung aus zahlreichen Proteinen besteht.

Chromosomen findet man in Zellen von Lebewesen mit einem Zellkern (Eukaryoten). Dazu gehören neben dem Menschen auch Tiere, Pflanzen und Pilze. Lebewesen ohne Zellkern (Prokaryoten) wie Bakterien und Archaeen besitzen dagegen nur zirkuläre DNA-Moleküle.

Die Zahl der Chromosomen variiert von Spezies zu Spezies. Beim Menschen sind es 23 Chromosomenpaare mit 46 Einzelchromosomen.

Die Anzahl der Chromosomen ist jedoch kein Hinweis auf den Entwicklungsstand einer Spezies. So verfügt beispielsweise eine Amsel über 80 haploide (einzelne) Chromosomen, die Stechmücke dagegen nur über sechs.

Chromosomen in den menschlichen Zellen

Die menschlichen Körperzellen sind mit einem Zellkern ausgestattet. In diesem Zellkern ist die fadenförmige DNA, das Erbgut, enthalten.

Aneinandergelegt erreicht die DNA eine Länge von rund zwei Metern. Sie ist jedoch stark ineinander verwunden und in Spiralform aufgedreht, um in den mikroskopisch kleinen Zellkern zu passen.

Innerhalb des Zellkerns ist die Form des Erbguts verdichtet und überaus kompakt. Darüber hinaus wird die DNA in einzelne Portionen aufgeteilt. Dabei handelt es sich um die Chromosomen.

Funktion

Sowohl beim Menschen als auch bei vielen Tierarten dienen die Chromosomen zur Bestimmung des Geschlechts. Dabei wird zwischen Geschlechtschromosomen (Gonosomen) und Autosomen unterschieden. Die Chromosomenpaare 1 bis 22 sind beim Menschen unabhängig vom Geschlecht, während das 23. Paar die Bestimmung des Geschlechts übernimmt.

So gibt es zwei verschiedene Geschlechtschromosomen. Dies sind das X-Chromosom und das Y-Chromosom. Während Frauen an der 23. Stelle über zwei X-Chromosomen verfügen, haben Männer dagegen ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom.

In den Chromosomen befindet sich das Erbgut, das der Mensch von seinen Eltern vererbt bekommt. Dazu gehören menschliche Eigenschaften wie z.B.:

Verschiedene Arten von Chromosomen

Chromosomen lassen sich in unterschiedliche Arten einteilen. Dazu gehören

  • Riesenchromosomen wie Polytänchromosomen und Lampenbürstenchromosomen
  • Geschlechtschromosomen (Gonosomen) sowie
  • Markerchromosomen.

Im Folgenden gehen wir etwas genauer auf die unterschiedlichen Chromosomenarten ein.

Riesenchromosomen: Polytänchromosomen

Unter einem Riesenchromosom versteht man ein Chromosom, das über zahlreiche Einzelstränge verfügt, die parallel zueinander verlaufen und die gleichen Gensequenzen enthalten. Man bezeichnet es auch als Polytänchromosom.

Merkmale von Riesenchromosomen

Typisch für Riesenchromosomen ist, dass sie erheblich größer als die gewöhnlichen Chromosomen sind. So lassen sie sich bereits bei einer geringen Vergrößerung unter einem Lichtmikroskop erkennen.

Eine wichtige Grundlage für die Entstehung von Riesenchromosomen ist die Endoreplikation, die auch als Polytänisierung bezeichnet wird. Da sich dabei die chromosomale DNA in mehreren Runden im Zellkern multipliziert, bleibt deshalb die Zellteilung aus.

Die Chromatiden von Polytänchromosomen sowie die entsprechenden DNA-Sequenzen liegen dicht und präzise ausgerichtet aneinander. Bereiche des Euchromatins, die dichter gepackt sind, kommen als so genannte Banden vor, die von Interbanden getrennt werden.

Eine Polytänisierung kann mindestens zehn Replikationsrunden bzw. Endozyklen in Anspruch nehmen. Dadurch kommt es zur Bildung von so genannten Kabeln mit mindestens 2048 Chromatiden.

Nach zehn abgeschlossenen Endozyklen liegt der DNA-Gehalt eines Satzes Riesenchromosomen bei 2048 C. C dient als Wert für die artspezifische Genomgröße.

Vorkommen von Polytänchromosomen

Zu finden sind übergroße Riesenchromosomen vor allem in den Speicheldrüsen von bestimmten Insektenarten bzw. deren Larven. Dazu gehört zum Beispiel die Zuckmücke.

Aber auch in

  • Wimpertierchen
  • Springschwänzen und
  • diversen Pflanzen

sind sie enthalten. Beim Menschen wird am Beginn einer Schwangerschaft die Implantation in die Gebärmutter durch Trophoblasten-Kerne, die Polytänchromosomen enthalten, ermöglicht.

Riesenchromosomen: Lampenbürstenchromosomen

Mit Lampenbürstenchromosomen sind vorübergehende Funktions- und Gestaltformen von Chromosomen gemeint. Ihren Namen erhielten sie, weil sie unter dem Mikroskop Ähnlichkeit mit einer Lampenbürste haben.

Vorkommen von Lampenbürstenchromosomen

Lampenbürstenchromosomen kommen vor allem in den Zellkernen von Amphibien wie Salamandern und Molchen vor. Diese verfügen über sehr große Genome.

Typisch für die Riesenchromosomen ist, dass sie zahlreiche Schlaufen bilden, die unter einem Lichtmikroskop wie runde Bürsten aussehen. Diese Schlaufen werden in den Eierstöcken der Amphibien während der Oogenese (Eientstehung) gebildet.

Neben den Oozyten von Amphibien weisen auch die Oozyten von

  • Reptilien
  • Vögeln
  • Knochenfischen
  • Haien sowie
  • bestimmten Insektenarten und
  • Mollusken

Lampenbürstenchromosome auf.

Funktion

Die Lampenbürstenchromosomen kommen aus proteinbesetzten DNA-Achsen der Chromatiden von Bivalenten (Chromosomenstruktur) zur Entfaltung. Die DNA der Schlaufen transkribiert größere DNA-Mengen.

Dazu wird eine Schlaufe von RNA-Polymerase-Molekülen gelesen. Die RNA-Moleküle, die im Wachstum begriffen sind, erhalten Proteine. Mit der RNA-Polymerase und der Schlaufe besteht auch weiterhin eine Verbindung.

Unter einem Elektronenmikroskop ist zu erkennen, dass sich die Schlaufen aus mehreren Transkriptionseinheiten zusammensetzen, wobei die transkribierende Schlaufen-DNA an der Gesamt-DNA des Zellkerns lediglich einen Anteil von zwei Prozent hat. Durch die erhebliche RNA-Synthese wird Material geliefert, das nach der Befruchtung für ein rasches Wachstum des Embryos sorgt.

Geschlechtschromosom (Gonosom)

Bei Gonosomen handelt es sich um die Geschlechtschromosomen des Menschen. Durch sie wird das Geschlecht eines Menschen festgelegt. Chromosomen kommen jedoch nicht nur im menschlichen Körper vor, sondern auch bei den meisten Tieren und Pflanzen. Chromosomen, die nicht an der Geschlechtsbestimmung beteiligt sind, bezeichnet man als Autosomen.

X- und Y-Chromosomen

Im menschlichen Organismus kommen zwei Arten von Gonosomen vor. Dies sind das X-Chromosom und das Y-Chromosom.

Sämtliche weiblichen Körperzellen enthalten neben den 44 Autosomen auch zwei X-Chromosome. Die männlichen Körperzellen sind dagegen mit je einem X-Chromosom und einem Y-Chromosom ausgestattet.

Sowohl Männer als auch Frauen verfügen über spezielle Zellen für die Fortpflanzung. Dabei handelt es sich um die männlichen Spermien und die weiblichen Eizellen.

In den Spermien und Eizellen sind nur halb so viele Chromosomen enthalten wie in den anderen Zellen. Außerdem sind sie mit nur einem Gonosom ausgestattet.

So verfügen die weiblichen Eizellen lediglich über ein X-Chromosom. Vom Mann werden dagegen zwei Spermienarten produziert.

Während die eine Hälfte ein X-Cromosom enthält, ist die andere Hälfte mit einem Y-Chromosom ausgestattet. Dies hat zur Folge, dass das Geschlecht eines Menschen beim Befruchtungsvorgang festgelegt wird.

Kommt es zum Eindringen eines X-Chromosoms in die weibliche Eizelle, verfügt der Embryo nun über zwei X-Chromosomen, was zur Entwicklung des weiblichen Geschlechts führt. Wird die Eizelle vom Spermium jedoch mit einem Y-Chromosom befruchtet, führt dies dazu, dass sich ein männlicher Organismus entwickelt. Die Chancen, ob es zu einem männlichen oder weiblichen Geschlecht kommt, liegen bei 50:50.

Die X oder Y-Chromosomen in den Spermien bestimmen das Geschlecht des Kindes
Die X oder Y-Chromosomen in den Spermien bestimmen das Geschlecht des Kindes

Markerchromosomen

Markerchromosomen sind kleine Chromosomen, die mitunter neben den normalen Chromosomen vorkommen. Sie ähneln den B-Chromosomen, die ebenso neben dem herkömmlichen Chromosomensatz existieren.

Den Begriff "Markerchromosom" gibt es erst seit 1995. Aufgestellt wurde er vom International System for Human Cytogenetics.

Seinerzeit definierte man Markerchromosomen als abnormale Chromosomen, in denen sich kein Teil identifizieren lässt. So sind die ungewöhnlichen Chromosomen zu klein für die Technik der G-Bänderung. Mittlerweile lassen sie sich jedoch durch eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung charakterisieren.

Aufbau und Merkmale von Markerchromosomen

In Markerchromosomen ist ebenso wie in den normalen Chromosomen ein Centromer enthalten. Dabei handelt es sich um die Proteinstruktur der Chromosom-Chromatiden.

So sind sie in der Lage, sich zu reduplizieren und an Tochterzellen weiterzugeben. Gelegentlich liegt ein Markerchromosom auch als Ringchromosom vor.

Die Weitergabe von Markerchromosomen an die nächste Generation von Zellen erfolgt durch das Zufallsprinzip. Im Unterschied zu B-Chromosomen ließen sich Markerchromosomen bereits häufiger im menschlichen Karyotyp nachweisen. Auch in Tumorzellen sind Markerchromosomen mitunter zu finden.

Weltweit tragen schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen Markerchromosomen in sich. Hierzulande sind es rund 35.000 Menschen.

Während die abnormalen Chromosomen in 60 Prozent aller Fälle familiär gehäuft vorkommen, treten sie bei 40 Prozent spontan auf. Auf welche Weise sie entstehen, konnte bislang noch nicht genau geklärt werden. Klar ist, dass sie sich aus sämtlichen 46 Chromosomen entwickeln können.

Medizinische Auffälligkeiten

Zu medizinischen Auffälligkeiten kommt es bei etwa 30 Prozent aller Menschen, die Markerchromosomen in sich tragen. Dazu gehören zum Beispiel leichte physische oder psychische Auffälligkeiten, aber auch schwerwiegende Behinderungen. Ob sich die Markerchromosomen negativ auf den Phänotyp auswirken, ist davon abhängig, ob sie chromosomale Gene enthalten, welcher Art diese sind, und ob es durch die ungewöhnlichen Chromosome zu einem Ungleichgewicht kommt.

Defekte der Chromosomen

Liegt bei dem einzigen X-Chromosom des Mannes ein Gendefekt vor, kann das andere Chromosom diesen nicht kompensieren. Da Frauen hingegen über zwei X-Chromosomen verfügen, kann das 23. Chromosom, wenn es gesund ist, einen Chromosomendefekt ausgleichen.

Die menschlichen Zellen teilen sich bei jedem Entwicklungsvorgang, wobei es auch zu Fehlern kommen kann. Treten diese Fehler während der Fortpflanzung auf, besteht die Gefahr von Krankheiten und Missbildungen an den Föten.

Im Normalfall verschmilzt die weibliche Eizelle, die immer den Chromosomensatz 23X trägt, bei einer Befruchtung mit der männlichen Samenzelle, die entweder den Chromosomensatz 23X oder 23Y trägt. Nach der Vereinigung der beiden Chromosomensätze entsteht entweder ein Mädchen (46 XX) oder ein Junge (46 XY).

Gibt es keine Abweichungen in den Chromosomen der Eltern, kann sich ein gesundes Kind entwickeln. Es gibt aber auch zahlreiche Möglichkeiten, dass es zu einer Abweichung kommt.

Beispielswiese können bestimmte Abschnitte eines Chromosoms vertauscht werden oder sogar ganz fehlen. Dadurch tritt jedoch eine Verminderung oder Vermehrung der Chromosomenanzahl beim Kind ein, was unterschiedliche gesundheitliche Schäden zur Folge haben kann. Manchmal führen auch äußere Einflüsse wie z.B. Chemikalien oder Strahlung zu Anomalien des Erbguts.

Erbkrankheiten durch Geschlechtschromosome

Während das X-Chromosom über mehr als tausend Gene verfügt, ist das Y-Chromosom kleiner und enthält auch weniger Gene und Erbinformationen. Einige Gene auf dem X-Chromosom und dem Y-Chromosom sind identisch, was man als homolog bezeichnet.

In den Geschlechtschromosomen befinden sich aber auch Erbinformationen, die für die Entwicklung des Geschlechts nicht von Bedeutung sind. So enthält das X-Chromosom manchmal auch Gene für Erbkrankheiten wie zum Beispiel Hämophilie (Bluterkrankheit).

Das X-Chromosom verfügt über ein Gen, das wichtig für die Bildung des Blutgerinnungsfaktors ist. Für den Fall, dass dieses Gen jedoch defekt ist, kommt es zu einer Störung der Blutgerinnung, wodurch wiederum die Bluterkrankheit ausgelöst wird.

Da Frauen über zwei X-Chromosomen verfügen, lässt sich bei einem Defekt des Blutgerinnungs-Gens auf einem X-Chromosom, dennoch auf dem anderen Chromosom das wichtige Gen bilden, sodass die Krankheit nicht ausbricht. Anders sieht es jedoch beim Mann aus. Ist bei diesem das Gen auf dem X-Chromosom defekt, kommt es zum Ausbruch der Krankheit, da die Schädigung nicht durch ein zweites X-Chromosom ausgeglichen werden kann.

Weitere Erbkrankheiten durch Geschlechtschromosomen sind

Autosomale Trisomien

Down-Syndrom

Zu den bekanntesten Chromosomenabweichungen gehört das Down-Syndrom (Trisomie 21). Das Syndrom wird als Trisomie 21 bezeichnet, weil das Chromosom 21 dreimal und nicht zweimal vorhanden ist.

Bei Kindern, die vom Down-Syndrom betroffen werden, kommt es zur Hemmung der Entwicklung und auch häufig zu Fehlbildungen, wie z.B. Herzfehlern. Bei anderen Trisomien sind die Kinder gar nicht lebensfähig oder leiden unter starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Weitere Formen

Beim Edwards-Syndrom (Trisomie 18) liegt das Erbmaterial des Chromosoms 18 in allen oder einigen Körperzellen dreifach vor. Es kommt zu vielfältigen Organfehlbildungen sowie Intelligenzdefekten.

Beim Pätau-Syndrom (Trisomie 13) liegt das Erbmaterial des Chromosoms 13 in allen oder einigen Körperzellen dreifach vor. Häufige Defekte sind Vielfingerigkeit, Herzfehler sowie die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte.

Bei der Trisomie 8 liegt das Erbmaterial des Chromosoms 8 in einigen Körperzellen dreifach vor. Häufige Symptome: Neuralrohrfehlbildungen, Großwuchs, Wirbelmissbildungen.

Fehlverteilung von Geschlechtschromosomen

Die Geschlechtschromosomen können mitunter auch falsch verteilt werden, was bei etwa 0,3 Prozent aller Neugeborenen vorkommt. In solchen Fällen weicht das Muster der Gonosomen von dem normalen XY oder XX-Schema ab, was dann zu angeborenen Störungen führt.

Um eine Erbkrankheit handelt es sich dabei jedoch nicht. Stattdessen liegt ein Fehler beim Verteilen der Chromosomen auf die Geschlechtszellen vor.

Die Geschlechtschromosomen X und Y können auch falsch verteilt sein
Die Geschlechtschromosomen X und Y können auch falsch verteilt sein

Turner-Syndrom

Ein weiterer Chromosomendefekt ist das so genannte Turner-Syndrom, auch X0-Monosomie genannt. Dabei handelt es sich um Mädchen, die die Erbanlage 45X0 haben, was bedeutet, dass ein Geschlechtschromosom zu wenig vorhanden ist.

Dabei erscheinen die Betroffenen zwar weiblich, können jedoch keine sekundären Geschlechtsmerkmale oder funktionsfähigen Eierstöcke bilden. Es kommt es zu Kleinwüchsigkeit und Unfruchtbarkeit der betroffenen Frauen. Darüber hinaus besteht die Gefahr von Missbildungen der Organe und der Knochen

Klinefelter-Syndrom

Als Klinefelter-Syndrom bezeichnet man das Vorhandensein von zwei X-Chromosomen sowie einem Y-Chromosom (XXY-Zustand). Dies hat zur Folge, dass sich die Betroffenen zwar zu Männern entwickeln, aber keine Spermien herstellen können.

Zu den weiteren Formen zählen das Triplo-X-Syndrom, das XYY-Syndrom sowie höhergradige Y-Polysomien.