Tarifverhandlungen - Ablauf und mögliche Themen

Bereits der Volksmund weiß: Arbeit ist das halbe Leben. Doch wo die Menschen tätig sind, da wollen sie auch fair entlohnt werden. Ist das nicht möglich, setzen die Tarifverhandlungen ein, denen nicht selten ein Streik folgt. Mit ihm sollen die Arbeitsbedingungen der Angestellten verbessert werden; dazu zählen Gehalt, Arbeitszeiten und Urlaubstage. Lesen Sie, wodurch sich eine Tarifverhandlung auszeichnet und welche primäre und sekundäre Ziele sie verfolgt.

Von Kai Zielke

Tarifverhandlung: eine Definition

Bei einer Tarifverhandlung handelt es sich um eine Verhandlung, die zwischen der Vertretung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer - in der Regel zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft - durchgeführt wird. Das Ziel liegt in einheitlichen Arbeitsbedingungen.

Die Tarifverhandlung können erst nach Ablauf oder nach fristgerechter Kündigung des alten Tarifvertrags beginnen. Zunächst stellen Arbeitgeber und Gewerkschaften in einer ersten Runde die jeweiligen Forderungen auf; anschließend kommt es zu Verhandlungen, die lange andauern können. Schließlich zielt man auf einen Verhandlungskompromiss ab, auf den sich beide Seiten einigen.

Kommt es hingegen zu keiner Einigung, folgen Warnstreiks. Als nächstes ist eine Urabstimmung möglich; kann man sich dann immer noch nicht einigen, wird ein Schlichtungsverfahren durchgeführt, dem beide Seiten zustimmen müssen. Erst wenn auch dieser Versuch scheitert, kommt es zum Streik. Informationen über dessen Ablauf finden Sie hier.

Die Tarifverhandlungen und der Streik

Im Zuge der allgemeinen Veränderungen der Lebensbedingungen, der stetig ansteigenden Teuerungsrate und dem damit verbundenen faktischen Werteverfall des Geldes oder durch die Einführung neuer Technologien der Berufszweige kann es nötig werden, nicht dauerhaft auf den einmal geschlossenen Vertrag zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu pochen. Eine Abänderung wird nötig.

Meist betrifft diese den Umstand, dass die Angestellten auf ein höheres Gehalt angewiesen sind oder dieses doch zumindest einen Ausgleich zur Inflationsrate bietet. Insofern kommt es zwischen beiden Seiten zu Verhandlungen.

Organisiert sind die Arbeiter dabei im Regelfall in einer Gewerkschaft. Diese ist in besonderem Maße in der Lage, die Interessen der Gemeinschaft durchzusetzen.

Selbst nach zähen Gesprächen kann eine einvernehmliche Lösung jedoch in keinem Falle garantiert werden. Oftmals herrscht einfach eine zu große Kluft zwischen den Forderungen der Gewerkschaft und dem Angebot der Branche. In solchen Situationen kommt es nicht selten zum berüchtigten Streik, bei dem die Angestellten ihre Arbeit für befristete Zeit niederlegen.

Besonders ärgerlich ist dieser Umstand natürlich für jene, die dadurch direkt betroffen sind. Etwa dann, wenn

  • die Züge nicht fahren
  • die Ärzte nur noch in Notfällen tätig werden oder
  • die Schüler keinen Lehrer vorfinden.

Die öffentliche Außenwirkung eines Streiks kann mithin erheblich sein.

Streiks um den Arbeitgeber zum Einlenken zu zwingen
Streiks um den Arbeitgeber zum Einlenken zu zwingen

Primäre Ziele der Verhandlungen

Grundsätzlich haben sich im Zuge der Diskussionen zwischen den Verhandlungspartnern drei hauptsächliche Themenschwerpunkte gebildet:

  • Das Gehalt
  • die Arbeitszeiten und
  • die Urlaubstage

werden damit umfasst. Oder anders formuliert: Die Frage zwischen Leistung und Lohn steht im Vordergrund. Natürlich kommt es dabei zwischen beiden Parteien zu unterschiedlichen Ansichten.

Bringen die Gespräche keine einvernehmliche Lösung und ist auch ein über mehrere Wochen hinweg durchgeführter Streik nicht erfolgreich, wird meist durch eine Vertrauensperson von hohem Rang und Namen vermittelt. Im Regelfall wird darin der letzte Ratsschluss gesehen, um wieder zu einem geregelten Arbeitsalltag überzugehen.

Inwieweit das Gehalt bei solchen Verhandlungen anzupassen ist, kann frei diskutiert werden. Die Tarifautonomie besteht für jede Branche - keine von ihnen ist an die Ergebnisse eines anderen Berufszweiges gebunden.

Einen allgemeinen Maßstab bietet insofern meist bereits die Inflationsrate, die sich jährlich bemisst und an die eine Gehaltserhöhung zuzüglich geringer Aufschläge anzugleichen ist. Bei der Frage der Arbeitszeiten und Urlaubstage wird im Gegensatz dazu auf die sonst üblichen Vorgehensweisen des Arbeitsumfeldes eingegangen.

Nur selten einmal kommt es dabei innerhalb einer Berufsgruppe zu gravierenden Abweichungen. Einige zusätzliche Urlaubstage sind aber bei den Verhandlungen auch dann gerne einmal ein Thema, wenn sich beide Parteien hinsichtlich des Lohns nicht einigen können.

Verhandlungen um bessere Arbeitsbedingungen
Verhandlungen um bessere Arbeitsbedingungen

Sekundäre Ziele der Verhandlungen

Neben den Fragen nach Leistung und Lohn können weitere Themen besprochen werden, die das Arbeitsumfeld direkt oder indirekt betreffen. Meist wird dabei über die Zulassungsvoraussetzungen für künftige Arbeitnehmer und Auszubildende ebenso diskutiert wie über den Wegfall der Beschäftigungsplätze und deren Ersatz durch hochwertige Maschinen.

Gerade in den technisch dominierten Branchen kam es in den letzten Jahren im Zuge der Einsparungen häufiger dazu, dass Arbeitsstellen gestrichen und an ihrer statt die Fließbandtätigkeit ohne menschliche Hilfskräfte gesetzt wurde. Entsprechend heiß wurde diese Materie auch an vielen Verhandlungstischen der letzten Jahre debattiert.

Im Übrigen ist der Tarifvertrag auch selbst ein beliebtes Thema für derlei Streitgespräche. Dieser ist im Regelfall zeitlich befristet. Das bedeutet, dass nach Ablauf einer zuvor festgelegten Dauer neue Verhandlungen geführt werden müssten - und die alten Absprachen keinerlei Rechtswirksamkeit mehr erlangen.

  • Vielfach hat es sich zuletzt aber durchgesetzt, den Vertrag so zu gestalten, dass er zumindest für den Fall ergebnisloser Tarifgespräche eine Notverordnung vorsieht, nach der sich die Löhne und Arbeitszeiten der Angestellten bemessen.
  • Ebenso kann der Vertrag gleich so ausformuliert werden, dass er nach Ablauf der Frist automatisch in einen neuen Kontrakt umgewandelt wird, der sich sodann den neuen Bedingungen anpasst.

Rechtliche Auswirkungen der Verhandlungen

Wie bereits angesprochen, so ist ein Tarifvertrag nur für die Branche bindend, mit der er verhandelt wurde. Allerdings kann es im Zuge der Gewerkschaften zu Problemen kommen.

Nicht immer ergibt sich der Fall, dass eine Gewerkschaft alleine über einen Berufszweig entscheidet. Liegen mehrere Dachverbände vor, kann jeder für seine Mitglieder alleine in die Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite treten.

Insofern sind auch unterschiedliche Ausformungen der Verträge innerhalb eines Arbeitsumfeldes möglich. Kollegen, die derselben Firma angehören und die gleichen Tätigkeiten verrichten, können auf diese Weise abweichende Kontrakte besitzen. Allerdings ist dieses Szenario in der Realität eher ein Ausnahmefall, da sich alle Gewerkschaften auch an den bislang erzielten Ergebnissen orientieren und es damit häufig zu ähnlichen Abschlüssen kommt.

Doch was ist eigentlich mit jenen Angestellten, die nicht in einem Dachverband organisiert sind und die folglich nicht das Ergebnis solcher Verhandlungen akzeptieren müssen? Sie können für sich genommen das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen und ihrerseits über den Vertrag diskutieren.

Deutlich praktischer hat es sich aber erwiesen, den Tarifabschluss der Gewerkschaft auch für jene Personen analog zu übernehmen, die in keiner Gewerkschaft formiert sind, die hinsichtlich des Gehalts und der Arbeitszeiten aber nicht schlechter als die Kollegen gestellt werden sollen.

Friedenspflicht

Solange die Tarifverhandlungen andauern, besteht Friedenspflicht zwischen den Parteien. Es darf also nicht zu einem Arbeitskampf kommen.

Man unterscheidet zwischen der relativen und absoluten Friedenspflicht. Laut relativer Friedenspflicht sollen Arbeitskämpfe mit Tarifvertragsänderungen als Ziel ausgeschlossen werden; sie ergibt sich schon aus dem Sinn der Tarifeinigung. Es ist nicht möglich, diese Pflicht auszuschließen.

Bei der absoluten Friedenspflicht ist das Ziel, sämtliche Kampfmaßnahmen während der Laufzeit des Tarifsvertrags auszuschließen. Hierbei gibt es Grenzen, da eine Arbeitskampffreiheit grundsätzlich gewährleistet wird. Bei Verletzung der Friedenspflicht entstehen Ansprüche auf Schadensersatz.