Wirkungsweise und Ursachen für die Vergabe von Gerinnungshemmern (Antikoagulation)
Als Gerinnungshemmer bzw. Antikoagulantien werden Arzneimittel bezeichnet, die die Blutgerinnung hemmen. Sie dienen der Thromboseprophylaxe und sorgen dafür, dass das Blut weniger schnell gerinnt. Auf diese Weise kann Blutgerinnseln entgegengewirkt werden. Man unterscheidet mehrere Wirkstoffklassen; dabei sind auch diverse Nebenwirkungen möglich. Informeiren Sie sich über die Wirkungsweise sowie die Ursachen für die Vergabe von Gerinnungshemmern.
Gerinnungshemmer sind auch unter der Bezeichnung Antikoagulantien bekannt. Durch die Gabe dieser Präparate kann das Blut weniger schnell gerinnen, womit sich wiederum der Bildung von gefährlichen Blutgerinnseln entgegenwirken lässt.
Ursachen und Folgen von Blutgerinnseln
Blutgerinnsel (Thrombosen) treten häufig durch Erkrankungen auf. Mitunter ist die Neigung zu Blutgerinnseln aber auch bereits angeboren.
Zur Bildung von Thrombosen kommt es vor allem in Blutgefäßen, in denen einen langsamer Blutfluss herrscht. Aus diesem Grund entstehen Blutgerinnsel häufiger in Venen als in Arterien. Aber auch durch Schäden an den Gefäßwänden besteht die Gefahr einer Thrombosebildung.
Das Gefährliche an Blutgerinnseln ist, dass sie sich von der Gefäßwand ablösen und in den Blutstrom gelangen können. Bleiben sie dann in einem engeren Gefäßabschnitt stecken, droht die Unterbrechung der Blutversorgung. Je nachdem, in welchem Körperbereich sich das Gerinnsel bildet, besteht die Gefahr
- eines Herzinfarkts
- eines Schlaganfalls
- eines Hörsturzes oder
- einer Lungenembolie.
Um diesen Risiken vorzubeugen, werden Antikoagulantien verabreicht.
Antikoagulantien: Wirkungsweise
Antikoagulantien wirken sich störend auf die Zusammenarbeit der Blutgerinnungsfaktoren aus. Bei den Gerinnungsfaktoren handelt es sich um Eiweißkörper innerhalb des Blutes, die bestimmte Reaktionen schneller ablaufen lassen.
Von den Antikoagulantien wird die Blutgerinnungsfähigkeit jedoch gestört. Dazu beeinflussen sie verschiedene Stufen der Gerinnungskaskade.
Unterschiedliche Wirkungsklassen
Gerinnungshemmer werden in mehrere Wirkstoffklassen unterteilt, die unterschiedliche Effekte hervorrufen. Dazu gehören vor allem
- Heparine
- Heparinoide
- Vitamin-K-Antagonisten bzw. Cumarine
- Hirudine
- Thrombinhemmer
- GPIIb/IIIa-Hemmer sowie
- Faktor-Xa-Hemmer.
Vitamin-K-Antagonisten (Cumarine)
In Deutschland werden häufig Vitamin-K-Antagonisten eingesetzt, die man auch als Cumarine bezeichnet. Bei ihrer Einnahme braucht das Blut wesentlich länger, bis es gerinnt.
Die Herstellung von Vitamin-K-Antagonisten erfolgt synthetisch, ihre Inhaltstoffe werden allerdings von der Waldmeisterpflanze abgeleitet. Zu den gängigsten Präparaten zählen Warfarin und Phenprocoumon, die man in Form von Tabletten einnimmt.
Heparine
Ebenfalls zu den gebräuchlichen Gerinnungshemmern gehören die Heparine. Sie verfügen über die Eigenschaft, die Wirkung von einzelnen Blutgerinnungsfaktoren unmittelbar zu blockieren. Die Wirkung setzt daher umgehend ein. Aus diesem Grund kommen Heparine bei Akutbehandlungen zur Anwendung.
Auch zur Vorbeugung von Blutgerinnseln nach operativen Eingriffen werden sie verabreicht. Im Gegensatz zu den Vitamin-K-Antagonisten lassen sie sich jedoch nicht in Tablettenform einnehmen.
Stattdessen werden sie unter die Haut oder in eine Vene injiziert. Deshalb kommen Heparine in der Regel nur kurzzeitig zur Anwendung.
Heparinoide
Als Heparinoide bezeichnet man Gerinnungshemmer, deren Wirkungsweise ähnlich wie bei den Heparinen ist. Auch sie müssen in der Regel gespritzt werden.
Hirudine
Hirudine gewann man in früheren Jahren aus dem Drüsensekret von Blutegeln. Heutzutage erzeugt man sie jedoch gentechnisch durch Bakterien. Zu den Hirudinen zählen
- Bivalirudin
- Desirudin und
- Lepirudin.
Verabreicht werden Hirudine entweder per Spritze oder als Infusion.
Plasminogen-Aktivatoren
Plasminogen-Aktivatoren haben die Eigenschaft, sich gegen das Eiweiß Fibrin zu richten. Fibrin bildet sozusagen die Grundlage für Blutgerinnsel. Das Verabreichen von Plasminogen-Aktivatoren wie
- Urokinase
- Alteplase und
- Streptokinase
erfolgt ausschließlich durch Injektionen.
Thrombozytenaggregationshemmer
Thrombozytenaggregationshemmer stellen einen Sonderfall unter den Blutgerinnungshemmern dar. So verhindern sie, dass sich die Blutplättchen (Thrombozyten) zusammenballen und damit zu einem Blutgerinnsel führen können. Zu den bekanntesten Blutplättchenhemmern zählt Acetylsalicylsäure (ASS).
Sonstige Gerinnungshemmer
Weitere Antikoagulantien sind
- Calcium-Komplexbildner wie EDTA oder Citrat
- Apixaban
- Dabigatran
- Fondaparinux und
- Rivaroxaban.
Diese Stoffe werden jedoch eher selten eingesetzt oder sind neuartig. Welches Präparat der Patient letztlich erhält, ist von der jeweiligen Erkrankung abhängig.
Ebenfalls von Bedeutung sind das Alter des Patienten, mögliche Begleiterkrankungen und eventuelle Risikofaktoren. So können bestimmte Gerinnungshemmer zu Unverträglichkeiten führen oder Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln hervorrufen.
Anwendungsgebiete
Zur Anwendung kommen blutgerinnungshemmende Medikamente bei
- arteriellen Durchblutungsstörungen
- Angina pectoris
- Patienten, die rauchen oder unter Fettstoffwechselstörungen leiden, sowie
- Menschen, bei denen eine angeborene erhöhte Blutgerinnselneigung besteht.
Darüber hinaus werden sie auch ergänzend bei
- einer akuten Emboliebehandlung
- einem Herzinfarkt oder
- einem Schlaganfall
eingesetzt. Des Weiteren benötigt man Antikoagulantien zur Herstellung von Blutkonserven, damit die Fließfähigkeit des Blutes bestehen bleibt.
Mögliche Risiken
Bei der Einnahme von Gerinnungshemmern besteht das Risiko einer Blutung, besonders einer Hirnblutung. Um dieses abzuschätzen, gibt es verschiedene Scoring-Systeme, wie zum Beispiel der HAS-BLED Score.
Hierbei werden verschiedene Kriterien mit Punkten bewertet - ab einem Score = 3 besteht eine ernsthafte Blutungsgefahr, die eine sehr vorsichtige Medikamentengabe erforderlich macht. Die folgende Tabelle informiert über die Bedeutung.
Ziffer | Bedeutung | Klinik | Score |
---|---|---|---|
H | Hypertension | Bluthochdruck | 1 |
A | Abnormal renal and liver function | Schwere Nieren- oder Leberfunktionsstörung | 1-2 |
S | Stroke | Schlaganfall in Vorgeschichte | 1 |
B | Bleeding | Blutungsneigung oder frühere Blutung | 1 |
L | Labile INRs | Labile Einstellung der INR-Werte | 1 |
E | Elderly | Älter als 65 | 1 |
D | Drugs or alcohol | Medikamente oder Drogen | 1-2 |
Nebenwirkungen
Wie bei den meisten Medikamenten, können auch bei der Einnahme von Blutgerinnungshemmern unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Dazu gehören
Auch
- Hautausschläge
- Haarausfall und sogar
- Hirnblutungen
sind bei manchen Präparaten im Bereich des Möglichen. Kommt es zu größeren Blutungen, muss umgehend ein Arzt alarmiert werden.
Wechselwirkungen
Einige Gerinnungshemmer sind bekannt für Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten - selbst mit pflanzlichen Präparaten. Dies gilt vor allem für Cumarine. Hier bestehen beispielsweise Wechselwirkungen mit
- Psychopharmaka (z.B. Sertralin und Citalopram)
- Antibiotika (z.B. Ciprofloxacin und Amoxicillin)
- Medikamenten gegen Magengeschwüre (z.B. Omeprazol und Cimetidin)
- Phytopharmaka (z.B. mit Ginseng, Johanniskraut oder Ginkgo)
- Schmerzmitteln (z.B. Paracetamol und ASS)
Medikamentenpass
Patienten, die Antikoagulantien einnehmen, erhalten vom Arzt einen Medikamentenpass. Darin steht zum Beispiel, gegen welche Erkrankung und in welcher Dosis der Gerinnungshemmer eingenommen wird. Der Patient sollte den Medikamentenpass stets bei sich tragen, damit im Notfall Komplikationen verhindert werden können.
- Der sichere Umgang mit Blutverdünnern: Leben mit Gerinnungshemmern, Avoxa - Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH, 2017, ISBN 3774113394
- Gerinnungshemmer: Anleitung zur Selbstkontrolle des INR-Wertes, W. Kohlhammer GmbH, 2006, ISBN 3170191721
- Gerinnungs-Selbstbestimmung leicht gemacht: - Praktische Tipps für die Selbstbestimmung der Blutgerinnung - alles Wissenswerte zum Umgang mit Gerinnungshemmern, TRIAS, 2006, ISBN 3830433476
- Gut leben mit Gerinnungshemmern: Die optimale Behandlung bei Blutgerinnseln, Thrombosen und Embolien. Wie die neuen Medikamente Sie noch besser ... zur Bekämpfung von Gefäßerkrankungen e.V., MVS Medizinverlage Stuttgart, 2005, ISBN 3830432178
- Gerinnungspatienten in der Apotheke: Basiswissen und Beratung (Govi), Avoxa - Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH, 2016, ISBN 3774113343
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