Die motorische Entwicklung von Kindern (Feinmotorik und Grobmotorik)

Was so einfach aussieht, muss erst gelernt werden: das Greifen, das Drehen, das Laufen. Während die Feinmotorik wichtig für die kleinen Bewegungen ist, braucht man die Grobmotorik für große oder schnelle Bewegungen. Oftmals gibt es Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen.

Von Claudia Haut

Jedes Kind ist anders

Sowohl, was die zeitliche Spannbreite angeht, als auch wenn es um die Art und Weise geht, gibt es bei der motorischen Entwicklung von Kindern sehr große Unterschiede. Im Laufe der Zeit wird der Nachwuchs geschickter und sicherer; dabei schöpft er aus Erfahrungen, die er Tag für Tag macht.

Zu den besonderen Entwicklungsschritten eines Kindes gehören natürlich die ersten selbstständigen Schritte. Um dorthin zu gelangen, nehmen die meisten Kinder die Hürden

  • des Robbens
  • des Krabbelns
  • des Kriechens und
  • der Fortbewegung auf allen Vieren.

Doch auch wenn dies der Regel entspricht, gibt es ebenso viele Babys, die andere Fortbewegungsarten - etwa das Rollen, Rutschen oder Schlängeln - bevorzugen, bevor sie sich im freien Gehen üben. Andere wiederum lassen einige der erwähnten Methoden gänzlich aus. Ebenso verhält es sich mit dem freien Sitzen.

Während die einen sich Schritt für Schritt zur nächsten Etappe probieren, beweisen sich andere Kinder darin, mehrere Schritte gleichzeitig zu erlernen. Jedes Kind ist anders und dies zeigt sich schon beim aller ersten Entwicklungsschritt.

Je mobiler ein Kind wird, desto sicherer muss seine Umgebung gestaltet werden. Eltern sollten Kindersicherungen, Treppengitter und Co. stets an die Fähigkeiten ihres Nachwuchses anpassen.

Babys bewegen sich ganz individuell fort
Babys bewegen sich ganz individuell fort

Bestandteile der Fein- und Grobmotorik

Unter Feinmotorik versteht man kleine Bewegungen wie zum Beispiel den Pinzettengriff, mit dem man kleine Dinge aufhebt. Nur mit Daumen und Zeigefinger führt man diese feinmotorische Bewegung aus.

Babys müssen diesen Griff erst lernen. Zuerst greifen sie mit der ganzen Hand. Erst später lernen sie, dass man gerade kleine Dinge besser mit nur zwei Fingern greift.

Zur Feinmotorik gehört es aber auch, die Lippen zu bewegen oder die Zehen bewusst kreisen zu lassen. Selbst die bewussten Bewegungen der Zunge müssen erst gelernt werden.

Zur Grobmotorik zählt man alle großen Bewegungen wie zum Beispiel das bewusste Bewegen von Armen und Beinen, die dann zum Laufen, Hüpfen oder Klettern führen. Lernt ein Baby also das Drehen vom Rücken auf den Bauch oder später das Krabbeln, so sind dies grobmotorische Fähigkeiten, die es sich angeeignet hat.

Kontrolle und Beherrschung

Ein Baby lernt erst mit der Zeit, seinen Körper zu kontrollieren. Direkt nach der Geburt ist das Gehirn bezüglich der Motorik erst so weit ausgebildet, dass das Baby gerade einmal

Jedes Kind ist anders! Bleiben Sie geduldig und geben Sie Ihrem Kind die nötige Zeit, sich auf seine Art und in seiner Geschwindigkeit zu entwickeln.

kontrolliert bewegt. Nach und nach lernt es weitere bewusste Bewegungen. So können die Babys zuerst ihre Hand und dann erst die Finger bewegen.

Denn es ist grundsätzlich so, dass sich bei jedem Körperteil zuerst die Grobmotorik und dann erst die Feinmotorik entwickelt. Selbst wenn der Säugling sowohl die Grob- als auch die Feinmotorik an den Händen beherrscht, so muss das Gehirn erst einmal lernen, beides zusammen einzusetzen, beispielsweise um ein Spielzeug aufzuheben.

Weitere Entwicklung

Im Kleinkindalter sind Grob- und Feinmotorik dann schon so weit ausgereift, dass ein Kind sicher auf dem Boden sitzen kann, wofür die Grobmotorik zuständig ist, und gleichzeitig ein Puzzle legen kann, was nur mit der Feinmotorik möglich ist.

Unterschiede in der motorischen Entwicklung zwischen Jungen und Mädchen

Oftmals fallen typische Vorlieben von Mädchen und Jungen auf, die scheinbar auf Unterschiede in der motorischen Entwicklung zurückfallen - doch ist da was Wahres dran?

Unterschiede im Bewegungsdrang und der Sprachentwicklung

Viele Jungen wollen sich lieber den ganzen Tag bewegen, während Mädchen mit Vorliebe auf der Couch sitzen und Bücher ansehen.

  • Für kleine Jungen ist es wichtig, dass sie rennen, springen und klettern dürfen. Sie wollen sich verausgaben und ihre körperlichen Grenzen austesten. Dafür legen sie nicht so viel Wert auf Feinmotorik und das Sprechen.

  • Ganz im Gegensatz zu den Mädchen. Die meisten Mädchen fangen früher als Jungen an zu sprechen, sind aber dafür körperlich noch nicht so weit wie die Jungen. Während zweijährige Mädchen sich oft schon gut ausdrücken können, sprechen viele gleichaltrige Jungen gerade einmal ein paar Worte.

Im Baby- und Kleinkindalter Unterschiede schwer erkennbar

Im Baby- und Kleinkindalter kann man jedoch nicht pauschal sagen: Jungen krabbeln und laufen früher als Mädchen. Hier ist es bunt gemischt. Es gibt Mädchen, die schon mit 9 Monaten laufen und genauso gibt es auch kleine Jungen, die schon mit einem knappen halben Jahr krabbeln.

Diese motorische Entwicklung hat jedoch keinen Einfluss darauf, wie sich das Kind weiter entwickelt. Ein Mädchen, das schon mit 9 Monaten läuft, kann trotzdem von Anfang an auf Nummer sicher gehen wollen und nicht nur Laufen, sondern auch Sprechen lernen wollen.

  • Untersuchungen zufolge können Mädchen im Vorschulalter besonders gut das Gleichgewicht halten,
  • Jungen hingegen haben deutlich mehr Kraft und können schneller laufen.
  • Dafür sind Mädchen besonders in der Feinmotorik geschickter als gleichaltrige Jungen.

Frage der Erziehung oder der Gene?

Die Forscher sind sich immer noch nicht ganz im Klaren darüber, ob das "Wildsein" bei den Jungen und die gute Feinmotorik bei den Mädchen nur anerzogen ist oder ob diese Eigenschaften in den Genen stecken.

Grundsätzlich sollte man sein Kind so annehmen, wie es ist. Ist es denn schlimm, wenn ein Mädchen gerne auf Bäume klettert oder ein Junge stundenlang akkurat ein Bild ausmalen möchte?

Die motorische Entwicklung im Detail

Die motorische Entwicklung eines Kindes läuft in unterschiedlichen Phasen ab.

Sitzen aus eigener Kraft

Etwa im Alter zwischen sieben und acht Monaten probieren Säuglinge, von selbst in eine Sitzposition zu kommen. Aller Anfang ist schwer und oft können die Kleinen nur für einige Sekunden das Gleichgewicht halten, doch schon innerhalb kurzer Zeit sitzen Babys recht sicher und staunen über die Dinge in ihrer Welt.

Babys sollten aus eigener Kraft sitzen können. Wenig sinnvoll ist es, wenn Eltern ihren Nachwuchs immer wieder in eine Sitzposition drängen. Dann verlieren die Kleinen die Lust, sich selbst aus der Bauchlage hochzustemmen und ins Sitzen zu bringen.

Stützen wie Kissen oder Decken, damit Säuglinge länger in einer Sitzposition verbleiben, sind ungeeignet. Da die Muskulatur von Babys sich erst ausbilden muss, sollten Eltern auf Sitzübungen verzichten. Die Sitzentwicklung kommt von ganz allein in Gang.

Babys sollten erst sitzen wenn sie sich aus eigener Kraft in Sitzposition bringen können
Babys sollten erst sitzen wenn sie sich aus eigener Kraft in Sitzposition bringen können

Fortbewegung durch Robben und Krabbeln

Eltern und Großeltern warten gespannt auf die ersten Krabbelaktionen. Doch zunächst bewegen sich viele Babys mittels Robben fort.

Die Kleinen stützen sich in Bauchlage auf den Ärmchen ab und versuchen sich nach vorne zu ziehen. Doch nicht alle Babys robben gleich drauf los; einige vergnügen sich lieber weiter im Sitzen, andere krabbeln schon nach kurzer Zeit und richten sich an Gegenständen auf.

Manche Kinder lieben das fröhliche Herumrollen oder überspringen die Krabbelphase ganz. In der Regel beginnen die Kleinen jedoch im Alter von etwa zehn Monaten mit dem Krabbelspaß. Viele Eltern sind unsicher, wenn Babys wenig oder gar nicht krabbeln, obwohl sie im Krabbelalter sind.

Es besteht kein Grund zur Sorge, denn jedes Kind entwickelt individuelle Bewegungsmethoden; rund ein Fünftel der Kinder lässt verschiedene Bewegungsstadien ganz aus. Auf das spätere Stehen und Laufen hat eine Krabbelverweigerung keinen negativen Effekt.

Körperliche Voraussetzungen für das Krabbeln

Ein Baby muss aber grundsätzlich körperlich bereit zum Krabbeln sein. Solange es das nicht ist, kann man sich als Mama oder Papa noch so sehr anstrengen; es wird nichts bringen.

Wichtige Grundlage für das Krabbeln ist der Vierfüßlerstand, bei dem das Baby sich auf die Handflächen und die Unterschenkel aufstützt. Doch im vorherigen Entwicklungsschritt strecken die meisten Babys erst einmal ihren Popo in die Höhe und wippen hin und her, um das Gleichgewicht zu halten.

Laufen lernen: Stück für Stück einen Schritt weiter

Besonderen Spaß macht es den Kleinen, wenn sie unter den Achseln hochgehoben werden und schwungvoll in den Knien federn können. Durch das fröhliche Rauf und Runter geraten Babys in Verzücken. Diese Bewegungen kräftigen zudem die Beinmuskulatur und bereiten optimal auf das Laufen vor.

Wann Babys laufen lernen, kann ganz unterschiedlich sein. Einige Kinder sind schon früh auf den eigenen Beinen unterwegs, andere lassen es etwas gemächlicher angehen. Jedes Kind folgt seinem eignen Entwicklungsrhythmus, Eltern müssen sich nicht sorgen, wenn es mal etwas länger dauert.

Im Durchschnitt starten Kinder mit den ersten Laufversuchen im Alter von zwölf bis vierzehn Monaten - zuerst noch an Mamas oder Papas Hand, danach selbständig. Sind Kleinkinder besonders kräftig, laufen sie häufig erst im Alter von sechzehn oder gar achtzehn Monaten.

Ohne Hilfe gehen und laufen die meisten Kids mit etwa fünfzehn Monaten. Dann können die kleinen Eroberer auch Spielzeug hinter sich herziehen oder mit dem Blick nach hinten vorwärts laufen. Wenn die Kids durch die Wohnung stürmen, sollten gefährliche Gegenstände gesichert werden.

Draußen toben

Mit jedem Schritt wird das Laufen sicherer. Nun dauert es nicht mehr lange, bis der oder die Kleine auch mal nach draußen möchten, um zu entdecken, was sie dort erwartet. Dieser Drang gehört zur natürlichen Entwicklung dazu und ihm sollte unbedingt nachgegangen werden. Auf dem Spielplatz oder bei Spaziergängen

kann der Nachwuchs stetig an seiner Geschicklichkeit arbeiten. Hierzu werden neue Bewegungsmuster gelernt, wie etwa,

  • sich im Kreis zu drehen
  • vorwärts und rückwärts zu laufen
  • zu hüpfen und zu klettern
  • Treppen zu steigen
  • über Pfützen zu springen
  • zu balancieren oder
  • mit dem Dreirad, Roller oder Laufrad zu fahren.
Kleinkinder sollten viel herumtoben können für ihre motorische Entwicklung
Kleinkinder sollten viel herumtoben können für ihre motorische Entwicklung

Förderungsmöglichkeiten

Damit sich die Motorik gut entwickeln kann, muss sich ein Baby viel bewegen können. Babys, die die meiste Zeit des Tages in einer Babyschale liegen, können weder ihre grobmotorischen noch ihre feinmotorischen Fähigkeiten trainieren.

Man sollte den Kindern Anreize schaffen, indem man

  • Spielsachen etwas weiter weg legt
  • den Kindern Erbsen zum Greifen anbietet oder
  • sie im Kleinkindalter viel laufen und klettern lässt.

Nur wenn ein Kind seinen Körper im Griff hat (Grobmotorik), wird es auch das Malen, Schreiben, Schneiden oder auch seine Gestik (Feinmotorik) perfekt beherrschen.

Die meisten Eltern warten schon sehnsüchtige auf die ersten Krabbelversuche ihres Babys. Durch einige Tricks kann man Babys zum Krabbeln animieren; es ist jedoch wichtig, der Entwicklung der Bewegung ihren natürlichen Lauf zu lassen.

Baby zum Krabbeln animieren

Wenn der Vierfüßlerstand geschafft ist, kann man sein Baby zum Krabbeln animieren. Dazu begibt man sich selbst in Krabbelposition und krabbelt neben dem Baby her, vielleicht zu einem interessanten Spielzeug. Das Baby wird Mama oder Papa nachahmen wollen, und möglicherweise klappt es dann schon mit den ersten Krabbelversuchen.

Babys, die sich partout nicht bewegen wollen, kann man immer mit einem Spielzeug locken. Auch Küchenutensilien wie zum Beispiel ein großer Kochlöffel können für Babys reizvoll sein.

Mit interessantem Spielzeug Anreize zur Fortbewegung schaffen
Mit interessantem Spielzeug Anreize zur Fortbewegung schaffen

Man muss Babys neugierig machen, um sie zum Krabbeln zu animieren. So kann man im Wohnzimmer verschiedene interessante Dinge verteilen, die zwar in Sichtweite, aber nicht in Greifweite des Babys sind.

Schaffen Sie Anreize! Alles, was Ihr Kind zum Fortbewegung und zum Greifen bringt, fördert dessen Entwicklung!

Selbstverständlich kann ein Baby nur das Krabbeln lernen, wenn es auch genügend Platz hat. Befindet es sich den Großteil des Tages in einer Babywippe oder auch in einem Laufgitter, so hat es zu wenig Platz, sich zu bewegen. Außerdem sollte man Babys ab dem Krabbelalter immer auf den Bauch legen; so animiert man sie zusätzlich, sich fortzubewegen.

Rückwärts krabbeln

Grundsätzlich braucht man den Babys das Krabbeln aber nicht zu lernen. Es gehört zu ihrer normalen Entwicklung dazu, sich fortbewegen zu wollen. Viele Babys krabbeln auch anfangs rückwärts, was für die Babys zwar sehr frustrierend ist (das Spielzeug kommt niemals näher!), in der Entwicklung zu Beginn aber normal ist.

Lauflernhilfen sind nicht sinnvoll

Eltern sollten keine Lauflernhilfen verwenden, denn sie können die motorische Entwicklung einschränken und sogar der Gesundheit schaden. Gestelle mit Rollen bergen eine hohe Verletzungsgefahr, denn wenn die Kleinen mit Tempo durch die Gegend fahren, kommt es nicht selten zu Stürzen an

  • Treppen
  • Teppichkanten oder
  • Bodenleisten.
Lauflernhilfen bergen eine hohe Verletzungsgefahr
Lauflernhilfen bergen eine hohe Verletzungsgefahr

Werden Babys zu früh in die rollenden Gefährte gesetzt, drohen Gesundheitsschäden an der Wirbelsäule oder es kommt zu Fehlstellungen von Beinen und Füßen. Kinder lernen ganz automatisch laufen, je nachdem, wie schnell ihre Entwicklung voranschreitet; Eltern sollten nicht versuchen, diesen Prozess zu beschleunigen.

Babyschwimmen oder Babyturnen unter fachkundiger Anleitung unterstützen die Kleinen optimal in ihrer Bewegungsentwicklung. Heutzutage müssen zudem alle Vorsorgeuntersuchungen eingehalten werden.

Der Kinderarzt sieht sofort, wenn sich ein Baby nicht altersgemäß entwickelt und wird entsprechende Maßnahmen veranlassen, um Entwicklungsstörungen zu vermeiden.

Nicht mit anderen Kindern vergleichen

Außerdem sollte man auch nicht den Fehler machen, das eigene Kind mit anderen gleichaltrigen Kindern zu vergleichen. Es sagt nichts über die Intelligenz eines Babys aus, ob es schon mit einem halben Jahr krabbelt oder erst zwei Monate später. Dafür lernt dieses Kind vielleicht früher das Sprechen als das Kind, das körperlich sehr fit ist.