Leben mit Beinprothese - Bauformen, Mobilitätsgrade und Nutzen
Die Beinprothese stellt ein medizinisches Ersatzstück für das Bein dar. Je nachdem, an welcher Stelle die Amputation erfolgt ist - sofern es sich nicht um eine angeborene Fehlbildung handelt - kommen unterschiedliche Bauformen, darunter Oberschenkel-, Unterschenkel- sowie Ganzbeinprothese, zum Einsatz. Für die richtige Wahl spielt die Mobilitätsklasse eine Rolle. Lesen Sie alles Wissenswerte über die Beinprothese.
Beinprothese - Merkmale und Funktion
Bei einer Beinprothese handelt es sich um einen medizinischen Ersatz des Beines. Sie werden beispielsweise nach einer Beinamputation eingesetzt, oder auch, wenn einem Menschen das Bein von Geburt an fehlt.
Mithilfe der Beinprothese soll die Gehfähigkeit wiedererlangt werden. Auch die Bewältigung alltäglicher Situationen wird dadurch wieder möglich, sodass die Beinprothese Betroffenen ein großes Stück Lebensqualität wiedergeben kann. Auch der ästhetische Faktor spielt hierbei eine Rolle.
Die Wahl der richtigen Beinprothese in Abhängigkeit des Mobilitätsgrads
Jede Beinprothese muss den individuellen Bedürfnissen des zukünftigen Trägers angepasst werden. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine Zuordnung des Patienten in eine Mobilitätsklasse. Diese ist abhängig von
- Alter
- körperlicher Konstitution
- Freizeitverhalten
- Körpergewicht
- Lebensumfeld und
- Amputationshöhe
des Patienten. Es gibt vier Mobilitätsgrade:
- Mobilitätsgrad 1: Innenbereichsgeher - Betroffene können ebene Strecken mit deutlich eingeschränkter Gehdauer bewältigen
- Mobilitätsgrad 2: Eingeschränkter Außenbereichsgeher - Betroffene können begrenzte Gehstrecken in geringer Geschwindigkeit gehen und niedrige Hindernisse wie Stufen, Bordsteine etc. überwinden
- Mobilitätsgrad 3: Uneingeschränkter Außenbereichsgeher - Betroffene können isch auf freiem Geländer bei mittlerer bis hoher Geschwindigkeit frei bewegen und die meisten Hindernisse überwinden
- Mobilitätsgrad 4: Außenbereichsgeher mit besonders hohen Anforderungen - Betroffene können sich auch im sportlichen Bereich uneingeschränkt bewegen
Kosten der Beinprothesen und Übernahme durch die Krankenkassen
Legt der Patient eine entsprechende Verordnung mit sämtlichen Kosten vor, werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen. Diese Verordnung wird vom Arzt erstellt.
Für die praktische Versorgung ist der Orthopädietechniker zuständig. Anhand der Verordnung kann er einen Kostenvoranschlag erstellen, der dann durch die Krankenkasse genehmigt werden muss. Sofern der Patient Bauteile aus einer höheren Mobilitätsklasse haben möchte, so muss er für deren Kosten selbst aufkommen.
Leben mit Beinprothese: Unterschiedliche Bauformen und deren Nutzung
Es gibt diverse Bauformen im Bereich der Beinprothesen. Zu diesen zählen
- Alltagsprothese: wird am Arbeitsplatz, in der Freizeit und im häuslichen Umfeld getragen
- Ersatzprothese: ersetzt die Alltagsprothese (Kosten werden nicht übernommen)
- Badeprothese:
- Sportprothese:
In Sachen Passgenauigkeit ist die optimale Zusammenstellung von richtigem Gelenk sowie der Kombination aus dem Fuß und den weiteren Bauteilen zu schaffen. Grundsätzlich unterscheidet man:
- mechanische Gelenke (Knie und Fuß)
- bionische Gelenke (Knie und Fuß mit künstlicher Intelligenz)
- Sportversorgungen
Beinprothesen im Alltag: Vom Anziehen über Sport bis hin zum Autofahren
Musste eine Amputation des Beines vorgenommen werden, wird der betroffene Patient bereits vor dem Eingriff detailliert informiert und aufgeklärt. Nach der Operation erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten und Fachkräften, mit denen der richtige Umgang mit der Prothese und entsprechend Punkte wie Anziehen, Pflege und Co. trainiert werden.
Ob und in welchem Ausmaß eine sportliche Betätigung möglich ist, hängt stark von der individuellen Situation ab. Gleiches gilt für das Autofahren. Generell ist jedoch zu sagen, dass die heutigen Modelle der Beinprothesen so fortschrittlich konzipiert sind, dass Betroffene ihren Alltag nahezu uneingeschränkt bewältigen können.
Im Folgenden gehen wir auf die unterschiedlichen Prothesen in Abhängigkeit von der Amputationshöhe ein...
Unterschenkelprothese
Bei den Olympischen Spielen 2012 machte der Sprinter Oscar Pistorius auf sich aufmerksam: Trotz körperlicher Behinderung erwirkte er einen Start bei den eigentlichen Spielen und somit nicht bei den Paralympics. Ermöglicht wurde ihm dieser Schritt durch seine aufwendigen Prothesen für die Unterschenkel - sie scheinen auch einem gesunden Bein nicht mehr nachzustehen.
Den Oberschenkel nutzen
Bei allen Prothesen ist es wichtig, die vorhandenen Gliedmaßen einzubeziehen. Wird jedoch ein künstlicher Unterschenkel eingesetzt, so kommt ihnen eine besondere Bewandtnis zu: Die Prothese wird an den Oberschenkel angeschlossen. Steht der Mensch in aufrechter Position, lastet also ein erheblicher Teil seines Körpergewichtes auf dem Modell. Entscheidend ist daher der Einsatz hochwertiger Materialien, darf es doch nicht zu einem Defekt kommen.
Gleichzeitig muss die Stütze aber ein möglichst leichtes Gewicht erreichen, denn die Muskeln des Oberschenkels sind bei einer beeinträchtigten Person meist nicht sehr stark ausgebildet. Die Kombination aus beiden Erfordernissen - ein leichtes Gewicht bei gleichzeitig hoher Stabilität - ist daher die Herausforderung der Technik.
Zwei Varianten möglich
Eine hohe Errungenschaft dieser Technik lag in den letzten Jahren darin, ein solches künstliches Modell zu entwickeln, bei dem der Unterschenkel separat vom Oberschenkel bedient werden kann. Das gelingt auf zwei Wegen:
Einerseits kann das Kniegelenk, das die Verbindungen beider Teile darstellt und aus Titan gefertigt wird, die Bewegungen des Unterschenkels koordinieren. Das erfordert bei dem Betroffenen stets aber auch einen langen Lernprozess, der nicht selten ein Vierteljahr erfordert, um auf herkömmliche Weise laufen zu können.
Demgegenüber ist es aber auch möglich, die gesamte Unterschenkelprothese mit einem kleinen Motor auszustatten. Geht der Patient einige Schritte, so führt der Motor die eigentliche Bewegung aus. Auch hierbei dauert es viele Wochen, bis ein sicherer Gang vollführt werden kann.
Eine komplexe Technik
Ein solcher künstlicher Unterschenkel stellt zumeist ein sehr aufwendig produziertes Gebilde dar. Dieses besteht aus drei Teilen:
- der Oberschenkelverlängerung
- dem eigentlichen Unterschenkel sowie
- der Fußprothese.
Alle drei Partien müssen hohe Standards erreichen, damit dem Betroffenen ein sicherer und möglichst nicht beeinträchtigter Gang ermöglicht wird. Kleine Defekte und Mängel könnten zu einem unrunden Gang führen oder sogar Stürze hervorrufen.
Das Zusammenspiel der drei Komponenten ist daher ein Merkmal der Qualität - die aber leider noch immer sehr teuer erkauft werden muss: Beinprothesen zählen gegenwärtig zu den hochpreisigen Modellen auf dem Markt. Dennoch können sie das Wohlbefinden deutlich steigern und nach außen nicht erkennbar werden lassen, dass ein Mensch einen künstlichen Unterschenkel besitzt.
Das Zusammenspiel mit dem Fuß
Eine weitere Herausforderung der Technik liegt nicht alleine darin, die Bewegungen des Unterschenkels zu simulieren. Die Impulse müssen vielmehr an den Fuß weitergeleitet und dort genutzt werden, denn nicht immer steht eine Person auf ebenem Untergrund. Sie kann
- Treppen hochlaufen
- sich auf eisglatten Wegen befinden
- Neigungen aufsteigen oder
- sich im unwegsamen Gelände fortbewegen.
Wichtig ist es dabei, dass der Fuß diesen Anforderungen gerecht wird und es somit zu einer Interaktion zwischen ihm und dem Unterschenkel kommt. Gelingt das, stellt ein sicherer Stand auch dort kein Problem mehr dar, wo eine nicht allzu ausgereifte Prothese scheitern würde. Der Sprinter Oscar Pistorius kann dabei vielleicht als das beste Beispiel gelten.
Oberschenkelprothese
Der Oberschenkel stellt einen der größten Muskelbereiche dar, über die der Mensch verfügt. Hier ballt sich die Kraft, um
- Schritte auszuführen
- Lasten anzuheben oder
- über viele Stunden stehen zu können.
Der Verlust dieses Körperteiles ist daher besonders tragisch und erfordert eine Prothese, die den amputierten Gliedmaßen im Idealfalle ebenbürtig ist.
Schwerwiegende Konsequenzen
Muss der Oberschenkel entfernt werden, wird er bei einem Unfall eingebüßt oder ist er von Geburt aus verkümmert, so sind die Folgen weitreichend. Denn nicht alleine dieses Körperteil wird damit unbrauchbar. Selbst
- der Unterschenkel und
- der Fuß
- das geniale System des Kniegelenks und des Knöchels sowie
- die feingliedrigen Zehen
können nun nicht mehr eingesetzt werden. Es wird also zumeist eine Prothese für das gesamte Bein benötigt. Insbesondere dem Schaft, der auf dem Stumpf der Gliedmaßen aufgesetzt wird, kommt in einem solchen Falle eine hohe Bedeutung zu. Dabei ist der Einsatz spezieller Materialen deutlich wichtiger als bei anderen Formen künstlicher Modelle.
Stabilität ohne Knochen
Wie bei der Amputation eines Unterschenkels verliert der Körper beim Verlust des Oberschenkels eine große Stütze, die dem Menschen Halt beim Stehen gibt, ihm Entlastung verschafft und ein sehr funktionales Gebilde darstellt. Kommt es zu einer Entfernung des Oberschenkels, so wird im Idealfalle der Knochen entnommen, die vorhandenen Muskeln aber weitgehend belassen.
Der Sinn liegt darin, dass auf dem nun vorhandenen Stumpf die Prothese aufgesetzt werden kann. Sie bildet das Zentrum der Stabilität und übernimmt damit die Aufgaben des Knochens. Da die Muskeln aber bestehen bleiben und sich bei jeder Bewegung ausdehnen oder zusammenziehen, muss das Material der künstlichen Gliedmaßen so gewählt sein, dass sämtliche Veränderungen während des Laufens, Stehens oder Bewegens nicht zu einem Verlust an Komfort und Zweck führen.
Mechanisch oder manuell
Die für jeden Schritt notwendige Bewegung des Kniegelenks kann bei der Oberschenkelprothese wie bereits bei der Unterschenkelprothese auf zwei Arten erfolgen, bei denen
- entweder das Knie manuell koordiniert oder
- andererseits mit einem integrierten Motor in Gang gesetzt wird.
Beide Möglichkeiten erlauben einen problemlosen Gang, der dem Betroffenen ein großes Stück Freiheit und Unabhängigkeit zurückgibt. Umso besser gelingt das, wenn die Prothese auch zum Sport eingesetzt oder über die Maßen strapaziert werden kann.
- Solche Modelle sind aber zumeist individuell gefertigt, mit hohen Qualitäten bestückt und entsprechend kostbar. Dennoch zeigen sie, dass der Verlust des Oberschenkels nicht das Ende des aufrechten Ganges oder sportlicher Betätigungen bedeuten muss.
Neue Wege der Prothese
Eine gänzlich revolutionäre Entwicklung basiert hingegen darauf, dass der Knochen des Oberschenkels nicht nur erhalten bleibt, womit der Patient zunächst eine schwierige Operation vermeiden kann. Hierbei kommt dem Knochen aber darüber hinaus die Aufgabe zu, einen Metallstift implantiert zu bekommen. Er bildet die Verbindung zwischen dem Knochen und der Prothese.
Die Kraft des Schenkels, die ansonsten über die Muskeln sowie die Haut übertragen wurde, lässt sich unter Verwendung des Knochens deutlich besser einsetzen.
- In der Folge ließe sich damit der Gang runder bewältigen,
- das Bein muss weniger nachgezogen werden und
- das körperliche wie seelische Wohlbefinden steigt.
Jedoch sollte sich diese neue Technologie zunächst einmal in der Praxis beweisen.
Ganzbeinprothese (Orthese)
Nicht immer führen Unfälle oder Krankheiten dazu, dass ein Bein oder andere Gliedmaßen amputiert werden müssen. Mitunter können sie erhalten bleiben, sind dann aber nur noch eingeschränkt funktionsfähig.
In solchen Fällen kommen künstliche Körperteile zum Einsatz, die eher einen stützenden Charakter besitzen. Fachlich korrekt handelt es sich dabei aber nicht um Prothesen, sondern um Orthesen.
Was sind Orthesen?
Hierbei handelt es sich um Modelle, die dem Körper oder einem der Gliedmaßen lediglich etwas Halt geben und ihn für anstehende Aufgaben somit fixieren. Gerade im Bereich der Beine kann das etwa bei Fehlstellungen nötig werden. Auch chronische Leiden wie der Muskelschwund oder poröse Knochen könnten dazu führen, dass dem Betroffenen ein aufrechter Gang nicht mehr möglich ist.
Dieser wird zuweilen mittels einer solchen Orthese aber dennoch gewährleistet. Das künstliche Exemplar übernimmt somit keine ästhetischen oder funktionellen Eigenschaften. Es soll nicht unsichtbar sein oder die Bewegung des Laufens simulieren. Stattdessen wirkt das Modell unterstützend, indem es dem Patienten beim Laufen, Stehen oder anderen Tätigkeiten hilft.
Prothese für das gesamte Bein
Orthesen lassen sich für alle Körperteile und in unterschiedlichen Größen herstellen. Für das Bein hat es sich dagegen durchgesetzt, vom Zeh bis zum Oberschenkel die gesamten Gliedmaßen zu rekonstruieren. Der Sinn dahinter ist, dass das Bein - wie der Arm - in seiner Vollkommenheit eine funktionale Einheit bildet, die auch mit einer solchen künstlichen Unterstützung nicht getrennt werden soll.
So werden alle relevanten Partien -
- die Ober- und Unterschenkel
- das Knie
- das Gelenk und
- der Fuß
- auf die erforderliche Weise umhüllt und erfahren damit den nötigen Halt. Würde lediglich einer der genannten Bereiche die Orthese erhalten, so könnten die anderen in ihren Leistungen schwanken oder sogar stark beeinträchtigt sein.
Maßgenaue Anfertigung
Entscheidend bei der Herstellung der Orthese ist es, diese mithilfe des vorhandenen Beines zu gestalten. Gipsabdrücke und exakte Vermessungen helfen dabei, die Stellung jedes einzelnen Knochens zu erkennen und zu nutzen. Werden Fehlstellungen erkannt, können sie über Korrekturen an dem Modell anschließend beseitigt werden.
Je genauer hierbei gearbeitet wird, desto eher stellt sich mit der Orthese eine Besserung oder sogar Heilung der Leiden ein. Zumal dann, wenn diese derart optimal gefertigt wurde, dass sie dem Betroffenen nicht weiter zur Last fällt und dieser sie idealerweise nicht einmal an seinem Bein bemerkt. Ein runder Gang kann das Ergebnis dieser Maßnahme sein, auch wenn dafür einiges an Übung nötig werden dürfte.
Problemlos in den Alltag integriert
Auch bei der Entwicklung der Orthesen setzt sich der Fortschritt durch. Hierbei sind es insbesondere die immer leichteren Fasern, die zu einem Modell verarbeitet werden können.
Kohlefasern und moderne Kunststoffe führen dazu, dass das Exemplar nicht nur sehr leicht im Gewicht ist und somit am Bein selbst kaum zu merken sein wird. Vielmehr werden die Materialien immer dünnen, dabei aber stabiler und somit leistungsfähiger.
Es stellt gegenwärtig keine hohe Hürde mehr dar, eine solche Orthese bequem unter der Hose zu verstecken und sie somit für Außenstehende unsichtbar werden zu lassen. Ein nahezu reibungsloser Ablauf des Alltages ist für die Träger damit keine Seltenheit mehr.