Immunsuppression: Einsatz und Wirkung verschiedener Immunsuppressiva
Die Immunsuppression mit Immunsuppressiva beschreibt die Unterdrückung des körpereigene Immunsystems. Die Medikamente kommen vor allem nach Organtransplantationen sowie bei Autoimmunerkrankungen zur Anwendung. Man unterscheidet mehrere Formen, die bei diversen Krankheitsbildern eingesetzt werden können. Sie kommen jedoch in der Regel nicht ohne Nebenwirkungen aus. Informieren Sie sich über die Immunsuppression sowie den Einsatz und die Wirkung unterschiedlicher Immunsuppressiva.
Immunsuppression: eine Definition
Bei einer Unterdrückung des Immunsystems - ob beabsichtigt oder ungewollt - spricht man von einer Immunsuppression. Dabei wird das körpereigene Immunsystem unterdrückt, sprich, es wird in seiner Arbeitsweise gestört, wenn nicht sogar gänzlich gehemmt.
Die Aufgabe des Immunsystems liegt unter anderem in der Bekämpfung von Krankheitserregern. Wenn einer dieser Erreger einmal unschädlich gemacht wurde, kommt es zur Bildung von Antikörpern, um beim nächsten Angriff schneller reagieren zu können, da der Erreger wiedererkannt wird.
Werden Antikörper jedoch falsch gebildet, kann es zum Angriff körpereigener Strukturen kommen, was zu einer Autoimmunerkrankung führt. Um eine solche Erkrankung zu behandeln, wird die so genannte Immunsuppression angewandt, also die beabsichtigte Einschränkung des Immunsystems zur Einschränkung des schädlichen Verhaltens der Abwehrkräfte. Zu diesem Zweck setzt man Immunsuppressiva ein.
Die Immunsuppression kann auch unerwünscht auftreten, so etwa als Nebenwirkung im Rahmen einer Chemotherapie. Ebenfalls denkbar ist sie als Symptom bestimmter Erkrankungen - so etwa bei AIDS oder Blutkrebs.
HI-Viren zerstören dabei bestimmte Leukozyten, während bei Blutkrebs vom Körper selbst fehlerhafte weiße Blutkörperchen gebildet werden. Ein angeschlagenes Immunsystem kann auch bei schweren körperlichen oder psychischen Belastungen auftreten.
Medikamente zur Immunsuppression: Wirkung und Anwendungsgebiete der Immunsuppressiva
Immunsuppressiva bei nach Organtransplantationen
Immunsuppressiva werden nach Organtransplantationen eingesetzt, um die Abstoßung des verpflanzten Organs zu verhindern. Diesen Vorgang bezeichnen Mediziner als Immunsuppression; sie muss in diesem Fall ein Leben lang durchgeführt werden, um lebensgefährliche Folgen zu verhindern.
Immunsuppressiva bei Autoimmunerkrankungen
Abgesehen von Organtransplantationen setzt man sie auch bei Autoimmunerkrankungen oder Fehlfunktionen des Immunsystems ein. Zu den möglichen Krankheiten zählen
- die rheumatoide Arthritis
- chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie z.B. Morbus Crohn
- bestimmte Formen der Leberentzündung
- Multiple Sklerose
- Gefäßentzündungen
- Bindegewebserkrankungen
- eine Entzündung der Nierenkörperchen oder
- die Lungenfibrose
Es gibt mehrere Arten von Immunsuppressiva, die auf verschiedene Weise wirken.
Formen und Ablauf der immunsuppressiven Therapie
In der Medizin wird die immunsuppressive Therapie in drei Formen unterteilt. Dies sind
- die initiale Induktionstherapie
- die Erhaltungstherapie und
- die Abstoßungstherapie.
Generell wird zu Anfang der Therapie im Rahmen der Induktion zunächst eine hohe Dosis Medikamente verabreicht, damit möglichst schnell eine hohe Konzentration erreicht werden kann - oftmals kombiniert man drei oder vier Medikamente, was als Triple- bzw. Quadrupeltherapie bezeichnet wird.
Nach einer bestimmten Zeit lässt sich diese Dosis reduzieren. Die Behandlung wird dann als Erhaltungstherapie fortgeführt.
Meist kommt es bei Autoimmunerkrankungen zu einem Verlauf in Schüben. Bei Entzündungsschüben bedarf es stärkerer Medikamente, während man während der Remissionsphase zu leichteren Wirkstoffen greifen kann.
Initiale Induktionstherapie
Im Rahmen der initialen Induktionstherapie werden starke Immunsuppressiva in Form von speziellen Antikörpern verabreicht. Sie verhindern nach einer Organtransplantation das frühzeitige Abstoßen des verpflanzten Organs und kommen nur für kurze Zeit zur Anwendung.
Erhaltungstherapie
Bei der Erhaltungstherapie handelt es sich um eine Langzeittherapie. Dabei werden für den Rest des Lebens Medikamente eingenommen, die die Zerstörung des Transplantats durch das Immunsystem verhindern. Ihre Wirkung beruht auf einer Blockierung des Immunsystems an bestimmten Stellen.
Abstoßungstherapie
Von einer Abstoßungstherapie spricht man, wenn eine akute Abstoßungsreaktion eintritt. Diese wird mit hohen Kortisondosen sowie speziellen Antikörpern behandelt. Die Antikörper vernichten die Zellen, die das eingesetzte Organ angreifen.
Gruppen und Arten von Immunsuppressiva
Es gibt verschiedene Gruppen von Immunsuppressiva, deren Wirkung darin besteht, das Immunsystem an unterschiedlichen Stellen zu beeinflussen. Nicht selten werden Medikamente dieser Gruppen miteinander kombiniert, was vor allem in der Anfangsphase der Immunsuppression geschieht. Da die Dosierung der einzelnen Substanzen dabei nicht sehr hoch ausfällt, sind auch die Nebenwirkungen weniger stark.
Calcineurinhemmer (wie Tacrolimus und Ciclosporin)
Zu den wichtigsten Immunsuppressiva gehören die Wirkstoffe Tacrolimus und Ciclosporin aus der Gruppe der Calcineurinhemmer. Sie haben die Eigenschaft, das Enzym Calcineurin zu bremsen, das unter anderem in den Zellen des Immunsystems vorkommt.
Calcineurin spielt eine bedeutende Rolle bei der Signalweiterleitung spezieller Zellen des Immunsystems wie T-Lymphozyten. Durch die Calcineurinhemmer kann die Signalweiterleitung verhindert werden, wodurch die Aktivierung des Immunsystems unterbleibt. Von den ruhenden T-Zellen wird das transplantierte Organ nicht attackiert.
Welche Menge an Calcineurinhemmern zur Immunsuppression eingenommen werden muss, hängt vom individuellen Fall ab. Wichtig ist die regelmäßige Einnahme der Medikamente, die alle 12 Stunden erfolgen muss, damit es im Blut zu einem konstanten Medikamentenspiegel kommt.
Von der exakten Einnahme der Calcineurinhemmer hängt das Fortbestehen des neu eingesetzten Organs ab. Zu bedenken ist auch, dass die Wirksamkeit der Calcineurinhemmer durch bestimmte andere Substanzen negativ beeinträchtigt werden kann.
Zellteilungshemmer (wie Azathioprin und Mycophenolatmofetil)
Zellteilungshemmer, auch Zellproliferationshemmer genannt, sorgen dafür, dass sich die Immunzellen des Abwehrsystems nicht vermehren können. Diese werden vom Immunsystem gebildet, wenn fremde Zellen oder Keime in den Organismus eindringen.
Zu den Zellteilungshemmern zählen
- Azathioprin, das die Entwicklung verschiedener Immunzellen hemmt,
- Mycophenolatmofetil und Mycophenolsäure, die speziell aktivierte B-Lymphozyten und T-Lymphozyten hemmen, sowie
- Sirolimus und Everolimus, die die Botenstoffe, von denen die B- und T-Lymphozyten aktiviert werden, in Schach halten.
Nebenwirkungen von Zellteilungshemmern
In der Regel erfolgt die Gabe von Zellteilungshemmern zusammen mit Calcineurinhemmern. Auch bei ihrer Einnahme gilt es, feste Zeiten zu beachten. Nicht selten kommt es durch Zellteilungshemmer zu Nebenwirkungen wie
Kortison sowie kortisonähnliche Mittel (Steroide)
Kortison hat eine unspezifische Wirkung auf das komplette Immunsystem. Es stoppt sowohl die aktivierten Abwehrzellen als auch die so genannten Fresszellen.
Unmittelbar nach einer Organtransplantation verabreicht man Kortison in hoher Dosierung zusammen mit Zellteilungshemmern und Calcineurinhemmern. Im Laufe der Behandlung erfolgt dann eine schrittweise Reduzierung der Dosis. Auch bei einer akuten Abstoßungsreaktion wird Kortison gegeben.
Mittlerweile kam es zur Entwicklung von vielen Medikamenten, bei denen eine Ableitung von Kortison vorliegt. Diese werden als Steroide zusammengefasst und zusätzlich zu den Zellteilungshemmern und Calcineurinhemmern verabreicht.
Monoklonale Antikörper (Biologicals)
Ebenfalls zu den Immunsuppressiva gehören künstlich hergestellte Antikörper, auch Biologicals genannt, wie Muromonab. Muromonab hat die Eigenschaft, sich an das CD3-Antigen des T-Zellrezeptors zu binden und ihn zu deaktivieren. Weitere Antikörper zur Immunsuppression sind
- Rituximab
- Infliximab
- Basiliximab
- Daclizumab
- Ustekinomab sowie
- Anti-T-Lymphozytenglobulin.
Einsatz und Kontraindikationen von Biologicals
Die besagten Antikörper werden bei Tumoren oder Autoimmunerkrankungen eingesetzt, nicht jedoch nach einer Organtransplantation. Das Immunsystem wird durch diese sehr stark gehemmt, was auch zu einigen Kontraindikationen führt, darunter
- Herzschwäche
- eine akute oder chronische Infektion sowie
- eine Schwangerschaft.
In der folgenden Tabelle erhalten Sie eine Übersicht über die unterschiedlichen Immunsuppressiva und mögliche Anwendungsgebiete.
Art des Immunsuppressivums | Anwendungsgebiete |
---|---|
Azathioprin | Autoimmunkrankheiten & entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn), nach einer Transplantation |
Ciclosporin | Autoimmunkrankheiten & entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, Schuppenflechte), nach einer Transplantation |
Cyclophosphamid | Autoimmunkrankheiten & entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes), nach einer Transplantation |
Kortison | Autoimmunkrankheiten& entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn), allergische Reaktionen, nach einer Transplantation |
Methotrexat | Autoimmunkrankheiten & entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, Schuppenflechte, multiple Sklerose) |
Risiken einer Immunsuppression: Nebenwirkungen von Immunsuppressiva
Die Risiken der Immunsuppression sind vor allem in den breit gefächerten Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente begründet. Unterschiede gibt es in diesem Zusammenhang abhängig von vorliegender Erkrankung und Menge der Mittel.
Hohe Infektanfälligkeit durch Immunsuppressiva
Die Mittel haben den Nachteil, dass sie die Abwehrmechanismen des Körpers stark einschränken. Dadurch besteht ein erhöhtes Risiko von Infektionen. So kann eine eigentlich harmlose Erkältung lebensgefährlich werden.
Impfung mit Totimpfstoffen bei Immunsuppression
Um sich bestmöglich vor Infekten zu schützen, kann es auch sinnvoll sein, sich impfen zu lassen. Die Angst, dass Impfungen bei Organtransplantierten möglicherweise zu Abstoßungsreaktionen führen könnten, ist in den meisten Fällen unbegründet. Wichtig ist, auf Totimpfstoffe zu setzen.
Krebsrisiko durch Immunsuppressiva
Außerdem erleichtern die Mittel malignen Zellen, sich im Organismus zu verbreiten, wodurch bei lang andauernder Immunsuppression auch die Krebsgefahr steigt. Betroffene sollten daher regelmäßig ein Tumorscreening durchführen lassen.
Schäden des Knochenmarks durch Immunsuppressiva
Des Weiteren kann das Knochenmark durch die Immunsuppressiva geschädigt werden. Es kommt zur gestörten Bildung von Blutzellen, was die Anfälligkeit für Infekte weiter erhöhen kann; auch eine erhöhte Blutungsneigung sowie eine Anämie sind möglich.
Erhöhte Zucker- und Fettwerte im Blut durch Immunsuppressiva
Es ist möglich, dass die Blutzuckerwerte ansteigen. Selbst die Entstehung von Diabetes liegt im Bereich des Möglichen.
Nahezu alle Immunsuppressiva erhöhen die Blutfette. Als Gegenmaßnahme kommen nicht selten entsprechende Medikamente zur Senkung, so genannte Statine zur Anwendung.
Magen-Darm-Probleme durch Immunsuppressiva
Typisch für manche Immunsuppressiva ist deren schlechte Verträglichkeit. So können typische Magen-Darm-Probleme wie
auftreten.
Bluthochdruck durch Immunsuppressiva
Viele Immunsuppressiva erhöhen den Blutdruck. Diesen Bluthochdruck gilt es, mit entsprechenden Medikamenten zu behandeln.
Osteoporose durch Immunsuppressiva
Auch können die Mittel - vor allem Steroide bei langjähriger Behandlung - zu Osteoporose führen. Häufigere Knochenbrüche sind eine mögliche Folge.
Toxizität der Immunsuppressiva
Schließlich sollte auch noch die Toxizität der Mittel, also die teils giftige Wirkung der Medikamente auf Nervengewebe und Nieren genannt werden. Letztendlich kann es zu neurologischen Symptomen sowie auch zu Störungen der Nierenfunktion kommen.
Vorsichtsmaßnahmen durch den Patienten bei einer Immunsuppression
Nicht selten stellt die Immunsuppression die einzige Behandlungsoption dar. Betroffene sollten sich bestmöglich vor Keimen schützen, was je nach Situation auch durch Isolation oder das Tragen eines Mundschutzes erzielt werden kann.
Besonders in den ersten Wochen nach einer Organtransplantation sollten besondere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden. Sollten kurz nach der Behandlung die folgenden Warnsignale auftreten, gilt es, sich sofort in die Hände eines Arztes zu begeben:
- Durchfall
- blutiger Stuhlgang
- Gewichtszunahme
- eine verminderte oder verstärkte Urinausscheidung
- Schmerzen im Bereich des transplantierten Organs
- Anzeichen eines Infekts wie Fieber, Abgeschlagenheit, Husten etc.
- Gesundheits- und Krankheitslehre: Lehrbuch für die Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege, Springer Medizin Verlag, 2013, ISBN 9783642369834
- Medizinwissen von A-Z: Das Lexikon der 1000 wichtigsten Krankheiten und Untersuchungen, MVS Medizinverlage Stuttgart, 2008, ISBN 3830434545
- Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen, Thieme, 2008, ISBN 9783131429629
- Netter's Innere Medizin, Thieme Verlagsgruppe, 2000, ISBN 3131239611
- Innere Medizin 2019, Herold, 2018, ISBN 398146608X
- Innere Medizin 2020, Herold, 2020, ISBN 3981466098
- Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165
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