Prothesen - Arten, Funktion und Anwendungsgebiete

Der Körper stellt das vielleicht funktionalste Werkzeug dar, das der Menschen jemals besitzt. Er ist jedoch auch anfällig: Krankheiten, Unfälle, genetische Fehler oder altersbedingte Ausfälle können die Leistung beeinträchtigen. Tritt das Unvermeidbare ein und können bestimmte Gliedmaßen tatsächlich nicht mehr verwendet werden, so lassen sie sich dank moderner Technik ersetzen. Hierbei kommen Prothesen zum Einsatz. Informieren Sie sich über Arten, Funktion und Anwendungsgebiete von Prothesen.

Maria Perez
Von Maria Perez

Prothesen - Merkmale und Funktion

Bereits die griechische Bedeutung des Namens deutet an, dass hier etwas ersetzt wird. Ganz konkret also

  • das nicht mehr funktionale Bein
  • der Arm
  • vielleicht aber auch nur ein Zahn.

Das abgestorbene oder nicht mehr reparable Gewebe, der Knochen oder die Muskelstränge werden entfernt und an ihrer statt übernimmt künftig ein Imitat die ihm übertragenen Aufgaben.

Ganz simple Formen solcher Prothesen wären etwa der Holzstumpf, der gerne einmal in den Piratenfilmen das Bein ersetzt. Tatsächlich ist die Forschung mittlerweile aber so weit gereift, dass auf natürliche Rohstoffe fast überhaupt nicht mehr zurückgegriffen wird: Auch hier setzen sich intelligente Fasern immer häufiger durch.

Verwendete Materialien von Prothesen

Im Mittelalter verwendete man dann Materialien wie Eisen oder Holz. Besondere Bekanntheit erlangten das klassische Holzbein sowie die eiserne Handprothese von Götz von Berlichingen.

Die ersten modernen Prothesen, die auch Bewegungen ermöglichten, entstanden ab dem 20. Jahrhundert. Das Problem der frühen Prothesen war, dass sie kaum Funktionen oder Bewegungen des zu ersetzenden Körperteils ermöglichten.

Heute jedoch sind komplexe Bewegungen und sogar sportliche Aktivitäten dank mikroprozessorgesteuerter Arm- und Beinprothesen ohne Weiteres möglich. Bei Armprothesen wird zwischen passiven Schmuckprothesen, die lediglich einen kosmetischen Effekt haben und Prothesen mit Greiffunktionen unterschieden.

Prothesen aus PVC

Als Material für die Außenhaut solcher beweglichen Prothesen verwendet vor allem PVC (Polyvinylchlorid). Dieser Kunststoff ist robuster und ähnelt der menschlichen Haut weitaus mehr als andere Materialien wie z.B. Leder, Stahl oder Holz.

Allerdings hat die PVC-Außenhaut den Nachteil, dass sie leicht verschmutzt. Da sich der Kunststoff relativ schnell verfärbt, muss die Prothese bereits nach drei bis vier Monaten Gebrauch ausgewechselt werden.

Prothesen aus Silikon

Als Alternative kommen Silikon-Kosmetikhandschuhe in Frage, die sich nicht verfärben und zudem schmutzabweisend sind. Allerdings reißen sie leicht ein. Damit die Handschuhe aus Silikon länger halten, durchzieht man sie mit verstärkendem Gewebe aus Nylon, wodurch sie etwa sechs Monate halten. Silikon ist jedoch deutlich teurer als PVC.

Bei einer Beinprothese verwendet man oftmals eine Kosmetik aus Schaumstoff, die in der Form des Körperteils geschliffen und mit einem Kosmetikstrumpf überzogen wird.

Wie hoch ist der Nutzen der Prothesen?

Gegenwärtig gibt es unterschiedliche Modelle, die sich hinsichtlich ihrer Funktionalität unterscheiden. Beginnend bei solchen, die die betroffenen Gliedmaßen lediglich optisch imitieren, bis hin zu jenen, die etwa eine gänzlich einsatzfähige Hand mit komplizierter Sensorik darstellen.

Gerade die Verwendung moderner Materialien und Techniken hat dazu geführt, dass das Imitat durchaus einen Zweck erfüllen kann, der dem einer Hand oder eines Fußes nahekommt.

  • Das Bewegen einzelner Finger
  • das Greifen und Festhalten von Gegenständen oder
  • das Umblättern einer Buchseite

- das alles sind Fortschritte, die hochwertige Prothesen immer besser zu leisten imstande sind, die aber vor zwei oder drei Dekaden noch als völlig utopisch angesehen wurden.

Prothesen beim Sport

Galten Prothesen im Sport lange Zeit als Behinderung, sieht man mittlerweile zahlreiche Sportler, die auch mit Prothesen große Erfolge feiern. Dabei kam auch immer wieder die Frage auf, ob sie möglicherweise nicht als vorteilhaft angesehen werden könnten, etwa, weil es je nach Bauteil und Material nicht zu Ermüdungserscheinungen kommt.

Wie Untersuchungen zeigen, wird die Kraftentwicklung auch sehr hochwertiger Prothesen erschwert. Bei der Sauerstoffaufnahme des Körpers gibt es ebenso keinerlei Unterschiede.

Anwendungsgebiete - Wann kommt eine Prothese zum Einsatz?

In der Chirurgie wird vor allem dann auf die künstlichen Gliedmaßen gesetzt,

  • wenn die eigentlich vorhandenen am Körper ihren Dienst nicht mehr ausüben können und es in der Folge zu Amputationen kommt.

Ebenso kann es aber auch sein, dass

Auch hier wäre der Einsatz der Prothesen somit denkbar. Doch hier stellt sich bereits die Frage des Nutzens: ein fehlender Finger wird im Regelfall deutlich wichtiger sein als ein nicht vorhandener Zeh. In dem einen Fall muss, in dem anderen kann, ein solch künstliches Körperteil angepasst werden.

Geschichte und Entwicklung der Prothesen

Der Versuch, durch Verletzungen oder Amputationen verloren gegangene Körperteile mithilfe von künstlichen Gliedmaßen zu ersetzen, wurde schon vor langer Zeit unternommen. So verwendeten bereits die alten Ägypter um 2000 v. Chr. einfache Prothesen zu diesem Zweck.

Berühmte Beispiele anfänglicher Prothesen

  • Der berühmte Götz von Berlichingen (1480-1562) verlor während eines Krieges eine Hand und ließ sich 1504 eine spezielle Prothese anfertigen, mit der er ein Schwert fassen und sogar damit kämpfen konnte, was für die damalige Zeit sensationell war.

  • Auch der berüchtigte Pirat Barbarossa Horuk ließ sich seine verloren gegangene Hand durch eine eiserne Hakenprothese ersetzen.

Beweglichkeit der Prothesen

Die starren Prothesen ließen sich bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch nur mit einer gesunden Hand bewegen. Danach entwickelte Peter Baliff eine Methode, mit der die noch vorhandene Muskelkraft eines amputierten Arms genutzt werden konnte.

Dazu wurden Seilzüge um Ellenbogen und Schultern gewickelt, wodurch die Finger der Prothese bewegt werden konnten. Allerdings mussten sich die Prothesenträger dabei sehr verrenken.

Entwicklungen der Prothesen im 20. Jahrhundert

Durch die beiden verheerenden Weltkriege des 20. Jahrhunderts kam es zu einer Vielzahl von verstümmelten Opfern, wodurch die Entwicklung der Prothesen vorangetrieben wurde. Dabei entwickelte der berühmte deutsche Chirurg Ferdinand Sauerbruch (1875-1951) den so genannten Sauerbruch-Arm. Diese Prothese machte sich die Kraft der Bizepsmuskulatur zunutze. Dazu legte man durch den Oberarmmuskel des Patienten einen Hauttunnel an.

Durch diesen Tunnel schob man dann einen Elfenbeinstift, der als Bewegungsüberträger des Oberarmmuskels fungierte, in die Prothese ein. Durch das Anspannen des Muskels wurde der Stift angehoben und die Hand konnte zu einem Griff geschlossen werden.

In den 80er Jahren entwickelte man erstmalig Fremdkraftprothesen mit Elektromotoren, mit denen einfache Bewegungen und Griffe durchgeführt werden konnten. In der heutigen Zeit lassen sich mithilfe von mikroprozessorgesteuerten Arm- und Beinprothesen auch komplexere Bewegungen und sogar sportliche Aktivitäten ausüben.

Welche Wandlungen haben die Prothesen zuletzt erlebt?

Die Forschung und die Wissenschaft sind stets bestrebt, den Einsatz der künstlichen Gliedmaßen so angenehm und so sinnvoll wie möglich zu gestalten. Dazu gehört es, das Gewicht dank moderner Fasern deutlich zu reduzieren und den Tragekomfort zu erhöhen.

Ebenso verbessert sich die Haltbarkeit der Prothesen. War es zuvor noch nötig, sie im Abstand weniger Jahre auszutauschen, so kann ein Unterschenkel aus Kohlefaser heute mehrere Jahre überstehen, ohne Beschädigungen unterworfen zu sein.

Für den Patienten erweist sich der Vorteil dadurch, dass er weniger Zeit im Krankenhaus verbringt und sich zudem besser mit dem nachgebildeten Körperteil identifizieren kann. Auch die Kosten solcher Imitate sind zuletzt spürbar gesunken und mit früheren Preisen nicht mehr vergleichbar.

Arten von Prothesen

Im Folgenden stellen wir Ihnen Einsatzgebiete, Formen und Handhabung unterschiedlicher Prothesen im Detail vor. Bei Prothesen wird grundsätzlich zwischen zwei Arten unterschieden: Exoprothesen und Endoprothesen.

Exoprothesen

Als Exoprothesen bezeichnet man Prothesen, die sich außerhalb des Körpers befinden. Dazu zählen z.B. Armprothesen, Handprothesen oder Beinprothesen.

Fußprothese

Fußprothesen und Zehenprothesen werden häufig aus Silikon gefertigt, da dieses Material einige Vorzüge mit sich bringt. So ist es beispielsweise wasserbeständig und ermöglicht eine passgenaue Formung der Prothese.

Die Gründe für die Amputation eines Fußes sind unterschiedlich; auch kann eine angeborene Fehlbildung vorliegen. Alles Wissenswerte über die Anwendung von Fußprothesen erhalten Sie hier.

Beinprothese

Bei der Beinprothese unterscheidet man je nach Anbringungshöhe die Unterschenkel-, die Oberschenkel- sowie die Ganzbeinprothese (Orthese). Die Wahl des passenden Modells erfolgt in Abhängigkeit des Mobilitätsgrads.

Typische Prothesen im Bereich des Beins wären Alltagsprothese, Badeprothese und Sportprothese. Hier informieren wir detaillierter über die Beinprothese.

Armprothese

Auch die Armprothese gibt es in unterschiedlichen Längen, abhängig davon, ob man sie am Oberarm oder Unterarm anbringen muss. Es werden unterschiedliche Techniken und Materialien angewandt.

Armprothesen lassen sich in kosmetische Armprothese, Silikonprothese, mechanische Armprothese und myo-Elektrische Armprothese unterteilen. Lesen Sie unseren separaten Artikel zum Thema, um sich genauer zu informieren.

Handprothese

Bei der Handprothese kommt es vor allen Dingen darauf an, eine möglichst natürliche Bewegungsfolge zu ermöglichen. Die Bionik spielt in diesem Bereich eine zunehmend wichtigere Rolle.

Zum Schutz sowie zur besseren Ästhetik gibt es auch passende Prothesenhandschuhe. Hier gehen wir näher auf die Handprothese ein.

Fingerprothese

Zum Verlust eines Fingers kommt es schneller, als man meinen würde, so etwa nach einem Arbeitsunfall. Doch auch angeborene Fehlbildungen können vorliegen.

Mithilfe der Fingerprothese ist es in vielen Fällen wieder möglich, seine Hand nahezu vollständig zu nutzen und zahlreiche Bewegungen wieder auszuführen. Lesen Sie hier, worauf es bei der Anfertigung der Fingerprothese ankommt.

Augenprothese (Glasauge)

Hat jemand ein Auge verloren, kann der Einsatz einer Augenprothese - auch Glasauge genannt - ein großes Stück an Lebensqualität zurückbringen. Zwar handelt es sich lediglich um einen kosmetischen Effekt; doch nicht selten ist kein Unterschied zum vorhandenen Auge erkennbar.

Die Anbringung der Augenprothese erfolgt in Handarbeit. Informieren Sie sich hier über den Vorgang sowie über die Nutzung einer Augenprothese.

Epithesen

Bei der Epithese handelt es sich um eine Prothese, die dem kosmetischen Ausgleich von körperlichen Defekten dient. Im Gegensatz zu einer Prothese hat sie somit keinen funktionellen Nutzen.

Hauptsächlich wird sie im Bereich des Gesichts eingesetzt, doch auch an der Brust oder etwa an den Fingerkuppen kann sie zur Anwendung kommen. Näheres zu diesem Thema können Sie hier nachlesen.

Neuroprothesen

Neuroprothesen stehen in direkter Verbindung zu den Nerven. Die entsprechenden Impulse werden vom Hirn ausgesandt und durch die Prothesen, die in Form eines Gerätes fungieren, erkannt und analysiert.

Das Chochlea-Implantat zählt zu den gängigen Neuroprothesen. Lesen Sie hier über weitere Modelle und Anwendungsgebiete der Neuroprothesen.

Endoprothesen, z.B. am Zahn

Endoprothesen, die auch Implantate genannt werden, kommen hingegen im Körperinneren zum Einsatz und werden dort vom Gewebe vollständig umschlossen.

Zu den Endoprothesen gehört beispielsweise das Hüftgelenk. Hier gehen wir auf diese Art der Prothese ein.

Eine Mischform sind Prothesen, die sich einerseits im Körpergewebe befinden, andererseits aber aus dem Gewebe herausragen, wie z.B. Zahnimplantate. Lesen Sie hier, welche Art von Zahnprothesen es gibt.