Schlafentzugstherapie (Wachtherapie) - Funktion, Anwendung und Ablauf
Als Schlafentzugstherapie oder Wachtherapie bezeichnet man in der Medizin eine Methode zur Behandlung von Depressionen. Dabei verzichtet der Patient zum Teil oder sogar völlig auf seinen Schlaf. Der Schlafentzug kann dabei entweder partiell oder total erfolgen. Informieren Sie sich über Funktion, Anwendung und Ablauf der Schlafentzugstherapie.
Ziel und Zweck der Schlafentzugstherapie
Von einer Schlafentzugstherapie oder Wachtherapie ist die Rede, wenn der Nachtschlaf unter kontrollierten Bedingungen während eines Aufenthaltes im Krankenhaus entzogen wird. Ziel und Zweck einer Schlafentzugstherapie ist die Behandlung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen.
Dabei unterscheidet man zwischen:
- einer teilweisen Schlafentzugstherapie, bei der der Patient zum Teil auf seinen Schlaf verzichtet
- einer völligen Schlafentzugstherapie, bei der sogar eine ganze Nacht lang auf Schlaf verzichtet wird
Die Methode hat sich bei bestimmten psychischen Erkrankungen, wie Depressionen, bewährt und führt bei den Patienten zu Aufhellungen der Stimmung. Zum ersten Mal angewandt wurde die Wachtherapie in den 70er Jahren und wird seitdem immer häufiger als Ergänzung zu Psychotherapien oder Medikamenten eingesetzt.
Der partielle Schlafentzug richtet sich auf den Schlaf in der zweiten Nachhälfte. Oftmals ist schon sehr früh zu erkennen, dass sich die Stimmung des Patienten am folgenden Tag deutlich bessert.
Zu den Vorteilen der Wachtherapie gehört, dass sie
- kaum schädliche Nebenwirkungen aufweist
- schnell wirkt und
- sich simpel durchführen lässt.
Funktionsprinzip der Schlafentzugstherapie
Durch das Wachbleiben des Patienten kommt es zu einer Konzentration von bestimmten Botenstoffen (Neurotransmitter) in seinem Gehirn, was eine günstige Beeinflussung seiner Stimmung zur Folge hat. Allerdings ist dies bislang nur eine Vermutung der Forscher.
Wissenschaftlich belegt ist diese Theorie noch nicht, wohl aber die Wirksamkeit der Schlafentzugstherapie.
Wirkung des Schlafentzugs
Der genaue Wirkungsablauf des Schlafentzugs ließ sich bisher noch nicht vollständig klären. Es wird vermutet, dass es durch den gezielten Schlafentzug zu einer Neuausrichtung der gestörten Kreisläufe und Rhythmen von Botenstoffen und Hormonen kommt.
Liegt eine Depression vor, besteht dabei in den meisten Fällen eine Störung der Schlafarchitektur. Das bedeutet, dass es dabei zumeist zu einer Vorverlagerung und Verlängerung der REM-Phasen kommt.
Mithilfe einer Schlafentzugstherapie ist es möglich, die ursprüngliche Schlafarchitektur zu resynchronisieren und wiederherzustellen. Bei zwischen 50 und 60 Prozent aller Patienten tritt bereits am ersten Tag der Schlafentzugstherapie eine verbesserte Stimmung auf.
Allerdings hält dieser positive Effekt zumeist nur einen Tag an. Aus diesem Grund muss meist gleichzeitig eine medikamentöse Therapie erfolgen.
Der Schlafentzug kann entweder partiell sein, sodass der Patient zur normalen Zeit ins Bett geht und um gegen 1:30 Uhr wieder geweckt wird, oder total. Das heißt, dass der Patient eine ganze Nacht lang wachbleiben muss und erst wieder am nächsten Abend schläft.
Depression: Anwendungsgebiete der Schlafentzugstherapie
In der Psychiatrie kommt der Schlafentzug bei der Behandlung von Depressionen zum Einsatz.
Allerdings handelt es sich bei der Schlafentzugstherapie nicht um eine selbstständige Behandlungsform. Das heißt,dass sie stets zusammen mit einer Psychotherapie sowie der Gabe von Psychopharmaka erfolgen sollte.
Die Depression ist eine noch unterschätzte, aber sehr weit verbreitete Krankheit, die insbesondere in den westlichen Industrienationen ihre Verbreitung hat und die am weitesten verbreitete psychische Krankheit unserer Zeit darstellt.
Genaue Ursachen lassen sich für sie nur schwer feststellen, denn meist liegen diese in einer Vermischung aus biologischen Faktoren und der Wirkung konkreter Ereignisse auf die Psyche.
Symptome der Depression
Die Symptome der Depression sind oft auch so unterschiedlich wie ihre Ursachen. Vor allem zeigen sich aber Symptome wie zum Beispiel eine starke Antriebshemmung, die aufgrund des psychischen Charakters der Krankheit auch eine starke Denkhemmung mit sich bringen kann. Oft ist der Schlafrhythmus gestört, und diese Störung steht in direktem Zusammenhang mit dem Gefühl starker innerer Unruhe.
Die psychotischen Symptome unterscheiden sich dabei stark in ihrer Ausprägung, und können von einfachen Schuldgefühlen über Suizidgedanken bis hin zu Wahnvorstellungen reichen.
Zu den weiteren Indikationen für eine Schlafentzugstherapie zählen
- eine zusätzliche Behandlung bei therapieresistenten Depressionsformen
- Verfahren zur Differentialdiagnose zwischen Demenzerkrankungen und depressiver Pseudodemenz
- die Verkürzung der Wirklatenz von antidepressiven Mitteln
Vor- und Nachteile der Schlafentzugstherapie sowie Anwendungsformen
Vorteil der Wachtherapie ist ihre einfache Durchführung und ihre gute Verträglichkeit. Nachteil der Behandlungsmethode ist jedoch, dass rund 80 Prozent der Patienten erneut über Stimmungsverschlechterungen klagen, wenn sie am nächsten Abend wieder normal schlafen. Daher kann eine Schlafentzugstherapie auch in so genannten Serien, also über mehrere Tage erfolgen.
Bei der Durchführung einer Schlafentzugstherapie verzichtet der Patient partiell oder völlig auf seinen Schlaf. Auch die Kombination von partiellem und totalem Schlafentzug ist möglich.
Während der Patient bei einer totalen Schlafentzugstherapie die ganze Nacht nicht schläft, kann er bei einer partiellen Schlafentzugstherapie bis 1.00 Uhr oder 1.30 Uhr schlafen und steht dann auf. Bei beiden Varianten darf erst wieder am nächsten Abend geschlafen werden.
Partieller Schlafentzug
Beim partiellen Schlafentzug geht der Betroffene zur gewohnten Zeit ins Bett. um 01:30 Uhr wird er geweckt, um die zweite Hälfte der Nacht über wach zu bleiben. Dabei wird diese Variante bis zu zweit mal wöchentlich durchgeführt.
Totaler Schlafentzug
Beim totalen Schlafentzug wird der Patient am ersten Tag morgens um 07:00 Uhr geweckt. Die erste und zweite Nachthälfte über sollte er wach bleiben und erst am zweiten Tag um 19 Uhr schlafen gehen, sodass ein Schlafentzug von 36 Stunden erzielt wurde.
Am dritten Tag wird er wieder um 07:00 Uhr geweckt. Alle fünf bis sieben Tage kann der Vorgang wiederholt werden.
Durchführung der Schlafentzugstherapie
Die partielle Schlafentzugstherapie hat den Vorteil, dass sie genauso wirksam ist wie die totale Wachtherapie, aber weniger Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Sekundenschlaf zur Folge hat.
Damit die Therapie auch wirksam ist, müssen die Patienten bis zum nächsten Abend völlig auf Schlaf verzichten und dürfen nicht einmal für wenige Minuten einnicken.
Bereits während der Nacht oder am Morgen kann es zu einer Stimmungsaufhellung des Patienten kommen. Da es den meisten Patienten nach einer normal verlaufenen Nacht wieder schlechter geht, werden auch Teilschlafentzugstherapien vorgenommen, bei denen der Patient in der zweiten Nachthälfte nicht mehr schlafen darf. Dadurch hält die gute Stimmung länger an und der Rückfall kann sich verzögern oder sogar ganz ausbleiben.
Zu Beginn sollte eine Schlafentzugstherapie stets unter ärztlicher Kontrolle in einem psychiatrischen Krankenhaus durchgeführt werden. Später kann die Behandlung auch zu Hause erfolgen. Die Therapie kann beliebig oft wiederholt werden und ist für alle depressiven Patienten geeignet.
Nebenwirkungen: Komplikationen der Schlafentzugstherapie und Risikopatienten
Komplikationen oder Nebenwirkungen der Schlafentzugstherapie sind nicht bekannt. Allerdings kann es durch die Belastung zu
- Hunger-
- Wärme- oder
- Kältegefühlen
kommen.
Zudem muss erwähnt werden, dass diese Form der Therapie als Ergänzung bei medikamentösen und psychotherapeutischen Maßnahmen angewandt wird. Da dauerhafter Schlafmangel aber zu körperlichen Beschwerden führt, wird die Therapie den Schlaf des Patienten lediglich neu rhythmisieren.
Hierzu gehört bei längerer Anwendung eine Vorverlagerung der Schlafphasen, da die Depression meist am Morgen nach dem Aufwachen ihre Hauptsymptome zeigt. Durch diese Vorverlagerung des Schlafs werden die Krankheitssymptome reduziert und nach und nach abgebaut.
Patienten, die an manisch-depressiven Erkrankungen, Schizophrenie oder Epilepsie leiden, sollten sich vor der Durchführung einer Wachtherapie mit einem Neurologen beraten.