Radiojodtherapie (RJT) - Anwendung, Wirkung und Ablauf

Die Radiojodtherapie ist ein nuklearmedizinisches Verfahren zur Therapie sowohl gutartiger als auch bösartiger Erkrankungen der Schilddrüse. Hierzu wird radioaktives Jod (Jod-131) aufgenommen und über Darm und Blutkreislauf bis in die Schilddrüsen geführt, wo es veränderte Schilddrüsenzellen zerstört. Aufgrund des Strahlenschutzes wird die Radiojodtherapie in Deutschland nur stationär durchgeführt. Alles Wissenswerte zur Radiojodtherapie lesen Sie in diesem Artikel.

Von Jens Hirseland

Im Rahmen der Radiojodtherapie (RJT) werden verschiedene Schilddrüsenerkrankungen behandelt. Zum Einsatz gelangt dabei das radioaktive Jod-Isotop Jod-131. Im menschlichen Organismus wird es ausschließlich in den Schilddrüsenzellen gespeichert.

Die Radiojodtherapie ist Bestandteil der Nuklearmedizin. Sie kommt seit den 40er Jahren zur Anwendung. In Deutschland lässt sich die Radiojodtherapie nur stationär durchführen. Pro Jahr finden in der Bundesrepublik durchschnittlich 50.000 Radiojodbehandlungen statt.

Zur Behandlung nimmt der Patient radioaktives Jod bzw. Natriumiodid als Kapsel oder wässrige Lösung ein. Via Blutkreislauf gelangt das Jod bis zur Schilddrüse, wo es schon nach kurzer Zeit aufgenommen und abgespeichert wird. Durch die Radioaktivität des Jods ist es möglich, pathologisch veränderte Schilddrüsenzellen zu bekämpfen und zu vernichten.

Weil die Zellen der Schilddrüse das Jod für die Synthese der Schilddrüsenhormone brauchen, nehmen sie es bevorzugt auf. Zwischen konventionellen und radioaktiven Jod machen sie keinen Unterschied. Nach der Erkrankung des Patienten richtet sich die Dosierung.

Anwendungsgebiete der Radiojodtherapie

Die Radiojodtherapie eignet sich sowohl für gutartige als auch für bösartige Erkrankungen der Schilddrüse. Bei einigen Krankheiten werden die Hormone der Schilddrüse unabhängig vom Bedarf des Körpers und von der Steuerungskontrolle der Hypophyse hergestellt. Das bedeutet, dass die Schilddrüse mehr Hormone produziert, als der Körper eigentlich benötigt. Außerdem droht unkontrolliertes Wachstum.

Häufige Indikationen für die Radiojodtherapie sind:

  • Gutartige Schilddrüsenknoten (Schilddrüsenadenome)
  • Die Bildung eines Kropfes (Struma), der Schluckbeschwerden zur Folge haben kann
  • Entzündliche Immunerkrankungen wie Morbus Basedow
  • Die Anschlusstherapie bei Schilddrüsenkrebs und Tochtergeschwülsten (Metastasen)

Der Vorteil der Radiojodtherapie besteht darin, das pathologische Schilddrüsengewebe zuverlässig und ohne Risiken zu entfernen. Abgesehen vom Schilddrüsenkrebs ist kein operativer Eingriff erforderlich.

Normale und vergrößerte Schilddrüse im Vergleich
Die Radiojodtherapie kann zum Beispiel bei einer Schilddrüsenvergrößerung (Struma) zur Anwendung kommen

Wirkung der Radiojodtherapie

Durch die Radiojodtherapie lässt sich überaktives Gewebe der Schilddrüse wie bei Morbus Basedow oder autonomen Adenomen gezielt ausschalten. Das Vernichten der Schilddrüsenzellen geht mit einer Verkleinerung der Schilddrüse einher. Dieser Effekt gilt vor allem bei einer vergrößerten Schilddrüse (Struma) als sinnvoll.

Allerdings bestehen auch Beschränkungen, weil die Verkleinerung ausschließlich bei aktiven Schilddrüsenzellen möglich ist. Dagegen können Vernarbungen, Zysten, Verkalkungen oder kalte Knoten nicht durch die RJT zurückgebildet werden.

Hilfreich ist die Radiojodtherapie unter bestimmten Umständen auch bei der Krebsbehandlung. Die Krebszellen müssen jedoch Anteil am Jodstoffwechsel haben, was aber in der Regel nur bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen der Fall ist.

Abgesehen von sehr kleinen Tumoren ist eine Radiojodtherapie nach dem operativen Entfernen bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen eine feste Behandlungsmaßnahme.

Was muss vor der Radiojodtherapie beachtet werden?

Je nachdem, welche Schilddrüsenerkrankung behandelt werden soll, sind verschiedene Vorkehrungen vor Beginn der Therapie zu treffen. Als besonders wichtig gilt das Thyroidea stimulierende Hormon (TSH), das der Hirnanhangsdrüse entstammt. Durch das TSH kann die Schilddrüse Jod aufnehmen, woraus wiederum Schilddrüsenhormone entstehen. Ebenso wird das radioaktive Jod durch die Einwirkung des TSH aufgenommen.

Wurde die Schilddrüse operativ entfernt, mangelt es dem Organismus an Schilddrüsenhormonen. Infolgedessen schüttet er vermehrt TSH aus. Die Mediziner stehen diesem Effekt positiv gegenüber, da die restlichen Krebszellen dazu gebracht werden, Jod aufzunehmen, was ihre Zerstörung zur Folge hat. Falls erforderlich, lässt sich der TSH-Spiegel auch durch die Gabe von Injektionen steigern.

Im Falle einer gutartigen Erkrankung der Schilddrüse achten die Mediziner vor der Therapie auf einen geringen TSH-Spiegel. Von den gesunden Zellen wird nur wenig radioaktives Jod aufgenommen, während bei den überaktiven Zellen eher das Gegenteil der Fall ist.

Voruntersuchungen

Bevor die Radiojodtherapie stattfindet, werden diverse Voruntersuchungen durchgeführt. Dabei kann es sich um Ultraschalluntersuchungen, Blutproben oder Szintigrafien handeln. Wichtig ist außerdem eine Dosimetrie, mit der der Arzt die Dosis, die für die Behandlung nötig ist, ermittelt.

Mitunter ist es erforderlich, den Patienten auf spezielle Arzneimittel einzustellen. Zu bedenken sind außerdem die Strahlenschutzvorschriften. Zum Beispiel dürfen sich Frauen während der Schwangerschaft und Stillzeit keiner Radiojodtherapie unterziehen.

Ablauf der Radiojodtherapie

Eine Radiojodtherapie wird in speziellen Behandlungseinrichtungen durchgeführt. Während der Therapie sollten die Patienten ihre Station nicht verlassen und keinen Besuch empfangen. Zwar umfasst die Reichweite der Jodstrahlung nur wenige Millimeter, doch könnten in der Theorie durchaus andere Menschen dadurch geschädigt werden. So wird auch ein gewisser Anteil an Gammastrahlung freigesetzt, deren Reichweite größer ausfällt. Selbst das Abwasser aus Toilette, Dusche oder Wasserhahn wird bis zum Abklingen der Strahlung gesammelt.

Wie die Behandlung genau abläuft, richtet sich nach der zu behandelnden Erkrankung. In der Regel erfolgt zu Beginn des Aufenthaltes im Krankenhaus ein aufklärendes Gespräch mit dem Arzt. Der Patient muss laut gesetzlicher Bestimmung wenigstens 48 Stunden in der Klinik bleiben. In der Regel dauert der Klinikaufenthalt daher zwei bis sechs Tage. Die Strahlendosis wird wegen der kurzen Halbwertszeit des radioaktiven Jods und des raschen Ausscheidens aus dem Körper schon nach wenigen Tagen abgebaut. Kommt es zum Unterschreiten eines vorgeschriebenen Grenzwertes, darf der Patient das Krankenhaus wieder verlassen.

Zu Beginn der Behandlung wird mit einer Testkapsel ein Radiojodtest vorgenommen. Dieser dient zum Bestimmen der tatsächlichen Aktivität der Schilddrüse. Danach erhält der Patient die Behandlungskapsel oder die Flüssigkeit, die aus Jod besteht.

Nach der Entlassung aus der Klinik kann der Patient wieder seinen alltäglichen Aktivitäten nachgehen.

Nachbehandlung

Bei sämtlichen Patienten müssen nach der Radiojodtherapie für den Rest des Lebens Nachsorgeuntersuchungen stattfinden. Dadurch kann der Behandlungserfolg nachhaltig sichergestellt werden.

Nach etwa drei bis sechs Monaten wird kontrolliert, ob die RJT einen positiven Verlauf nimmt. Bei manchen Patienten kann eine erneute Behandlung notwendig sein. Im Falle einer Unterfunktion der Schilddrüse erhält der Patient Tabletten mit Schilddrüsenhormonen.

Bis die Wirkung der Radiojodtherapie einsetzt, dauert es rund drei Monate. Dabei zeigen sich die positiven Effekte erst nach und nach.

Auswirkungen der Radiojodtherapie

Von der Menge der Schilddrüsenzellen, die nach der RJT fehlen, hängt es ab, ob eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) eintritt. Vor allem nach der Behandlung von Krebserkrankungen ist oft eine Unterfunktion der Schilddrüse der Fall, was aber durchaus im Interesse der Mediziner liegt. Liegt Morbus Basedow vor, kommt es bei 90 bis 100 Prozent aller Patienten nach der Radiojodtherapie zu einer Hypothyreose. Durch das lebenslange Einnehmen von Schilddrüsenhormonen ist jedoch ein Ausgleich der Schilddrüsenunterfunktion möglich.

Kann die Radioaktivität Schäden anrichten?

Bestehen gutartige Erkrankungen der Schilddrüse, reichen verhältnismäßig geringe Strahlendosen für die Radiojodtherapie aus. Nebenwirkungen wie eine Strahlenthyreoiditis (Schilddrüsenentzündung aufgrund der Strahlenbehandlung) zeigen sich dann nur selten.

Als höher gelten die Auswirkungen allerdings im Rahmen einer Krebsbehandlung. So leiden ca. 10 bis 30 Prozent aller Erkrankten am Vorderhals unter Schwellungen. Mitunter treten eine Speicheldrüsenentzündung oder eine Entzündung der Magenschleimhaut auf. Gelegentlich kann außerdem das Knochenmark in Mitleidenschaft gezogen werden.

Im Normalfall zeigen sich die Strahlenbeeinträchtigungen aber nur einige Tage lang und gehen dann wieder zurück, sodass sich die Organe regenerieren können.

Die Erfolgsquote der Radiojodtherapie

Die Radiojodtherapie gehört zu den erfolgreichen medizinischen Verfahren. Bei fokalen Autonomien und Morbus Basedow liegt die Erfolgsrate bei etwa 90 Prozent. Bei Krebserkrankungen, die sich im Frühstadium befinden, ist durch eine Kombination von Operation und RJT eine Heilungschance von 90 Prozent gegeben. Schlechter fällt die Erfolgsquote bei Fernmetastasen aus, wobei sich auch in diesem Fall noch Heilungen erzielen lassen.