Hippotherapie - Wie läuft sie ab und bei welchen Krankheiten kann sie helfen?
Als Hippotherapie bezeichnet man in der Medizin eine Form des therapeutischen Reitens. Die Behandlung ist eine Ergänzung zur Physiotherapie. Sie muss ärztlich verordnet und von speziell ausgebildeten Therapeuten durchgeführt werden. Die Therapeuten entscheiden, welche Maßnahmen sich für einen Patienten am besten eignen. Lesen Sie über die Wirkung der Hippotherapie und informieren Sie sich über Ablauf und Anwendungsgebiete.
Was ist Hippotherapie? - Merkmale und Wirkung
Ziel und Zweck der Hippotherapie ist eine ergänzende Behandlung von bestimmten Krankheiten und körperlichen Störungen wie:
- Multiple Sklerose
- Spastik
- Halbseitenlähmung
- Gleichgewichtsstörungen
- Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems
Die Therapie erfolgt im Rahmen einer krankengymnastischen Behandlung und zählt zum therapeutischen Reiten. Für die Anwendung wird ein speziell ausgebildetes Pferd eingesetzt. Außerdem wird die Therapie von extra ausgebildeten Physiotherapeuten und Krankengymnasten begleitet.
Funktionsweise der Hippotherapie
Die Hippotherapie funktioniert auf neurophysiologischer Basis. Dabei dient das Pferd als Medium zur Übertragung von Bewegungsimpulsen auf das Becken des Patienten, während dieser auf dem Pferd sitzt.
Durch das neue Einpendeln des Körpers auf die Impulse, die das Pferd verursacht, wenn es sich bewegt, kann ein heilender Effekt entstehen. Dabei nutzen die Therapeuten sämtliche Torsionsbewegungen und Bewegungsachsen für die Behandlung.
Ziele der Hippotherapie
Zu den Zielen der Hippotherapie gehören:
- die Normalisierung des Tonus in den unteren Gliedmaßen und im Rumpf
- die Förderung von selektiven Bewegungen des Hüftgelenks und der Lendenwirbelsäule
- Lockern von überlasteter Muskulatur in diesen Bereichen
- eine Verbesserung von Gleichgewichts- und Haltungsreaktionen im Sitzen
- eine Verbesserung der Durchblutung
Anwendungsgebiete: Wann hilft die Hippotherapie?
Als besonders geeignet gilt eine Hippotherapie bei:
- zentralen Bewegungsstörungen wie spastischen Paresen
- Koordinations- und Wahrnehmungsstörungen
- Rumpf- und Extremitätenataxien
- Multipler Sklerose
- einem Querschnittssyndrom
- Hemiplegie
- einem Schädel-Hirn-Trauma
- infantiler Cerebralparese (ICP)
Ablauf der Hippotherapie
Für die Anwendung der Therapie werden extra ausgebildete Kleinpferde verwendet, die der Schrittfrequenz eines Menschen sehr nahe kommen. Außerdem wird eine Helferin zur Führung des Tieres eingesetzt, die dem Pferd vertraut ist, wodurch sich der Therapeut vollständig auf den Patienten konzentrieren kann.
Als Aufstiegshilfe steht eine Rampe zur Verfügung. Außerdem werden Hilfsmittel wie Therapiegurte und spezielle Sättel eingesetzt.
Die Therapie, bei der sich der Patient auf das Pferd setzt, findet in der Regel im Freien, auf speziellen Strecken, statt. Bei schlechtem Wetter sollte man in eine Halle ausweichen können. Auch das Auf- und Absteigen ist ein Bestandteil der Hippotherapie.
Während der Behandlung sitzt der Patient locker auf dem Pferd, ohne eine Einwirkung auszuüben. Die Dauer einer Behandlungseinheit liegt bei etwa 25 Minuten, was auch von der Belastungsfähigkeit des jeweiligen Patienten abhängt. Eine Hippotherapie sollte mindestens einmal in der Woche stattfinden.
Wissenswertes zum Hippotherapiesitz
Der Hippotherapiesitz unterscheidet sich vom normalen Sitz beim klassischen Reiten. Der Patient spreizt die Beine mehr, was Spastik verhindert. Das Becken befindet sich in einer geraden Position, die Längsachse der Oberschenkel beträgt 45 Grad.
Entweder hängen die Füße locker oder sie werden in die Steigbügel gesetzt. Je nach Krankheitsbild können unterschiedliche Sättel zur Anwendung kommen, die die Aufnahme der Pferdebewegungen verbessern.
Voraussetzungen: Anforderungen an Pferd, Therapeut und Anlage
Die Hippotherapie dürfen nur Therapeuten durchführen, die im Besitz des Nachweises zum staatlich geprüften Physiotherapeut und/oder zum vollapprobierten Arzt sind. Zudem muss die Zusatzausbildung zum Hippotherapeuten erfolgreich abgeschlossen worden sein.
Des Weiteren kommt ein Pferdeführer bzw. Assistent zum Einsatz. Dieser muss an den Umgang mit einem Pferd gewöhnt sein; außerdem ist eine ausreichende Einweisung durch den Hippotherapeuten sehr wichtig.
Unter Umständen können zusätzliche Helfer erforderlich sein, beispielsweise, wenn die Patienten unter starken beweglichen Einschränkungen leiden. In diesem Fall sollten diese natürlich ebenfalls entsprechend geschult und eingewiesen worden sein.
Bei der Anlage kommt es darauf an, dass die Therapie in einer Halle durchgeführt wird. Diese sollte eine Mindestgröße von 15 mal 30 Metern aufweisen. Während der Therapie sollten keinerlei andere Aktivitäten in der Halle stattfinden.
Die Halle sollte nicht von der Öffentlichkeit einsehbar sein. Wichtig sind zudem ein geeigneter Boden, Aufstiegshilfen sowie eine Erste-Hilfe-Ausrüstung.
Ein geeignetes Therapiepferd
Das Pferd muss gesund sein und einen muskulösen Rücken aufweisen; ein Reiten ohne Sattel muss möglich sein. Wichtig sind geschmeidige und taktreine Bewegungen.
Das Tier muss zuverlässig und umgänglich sein und einen ausgeglichenen Charakter haben. Nervosität und Schreckhaftigkeit sollten nicht gegeben sein. Wichtig sind des Weiteren Lernbereitschaft und Aufmerksamkeit.
Hinzu kommt eine eine spezielle Ausbildung im Bereich der Hippotherapie. Grundsätzlich ist es von Nöten, dass das Pferd ohne Probleme am Langzügel, and er Longe sowie an der Hand läuft.
Ausbildung im Bereich der Hippotherapie
Die Ausbildung zum Hippotherapeuten läuft als berufsbegleitende, einjährige Weiterbildung. Es müssen bestimmte Module absolviert werden; hinzu kommen ein Praktikum sowie eien Abschlussarbeit und Prüfung.
Eine solche Weiterbildung richtet sich an bestimmte Berufsgruppen:
- Sportwissenschaftler mit Arbeitsschwerpunkt in der Arbeit mit körperlich beeinträchtigten Menschen oder in der neurologischen Rehabilitation
- Ergotherapeuten mit Arbeitsschwerpunkt in der Arbeit mit körperlich beeinträchtigten Menschen oder in der neurologischen Rehabilitation
- Physiotherapeuten
Notwendig sind zudem sicheres Reiten sowie langjährige Kenntnisse in Pferdepflege und -haltung. Hinzu kommen bestimmte Zertifizierungen: das Longierabzeichen V oder ein zweitätiger Longierlehrgang sowie der Nachweis über einen Kurs zur Ersten Hilfe.
Kosten der Hippotherapie und Übernahme durch die Krankenkasse
Die Kosten für eine Hippotherapie werden jedoch nicht von allen Krankenkassen übernommen. Der Satz für eine Behandlungseinheit liegt zwischen ca. 20-30 Euro.
Risikopatienten: Für wen ist die Hippotherapie nicht geeignet?
Nicht geeignet ist eine Hippotherapie:
- wenn der Patient unter einer Pferdehaar-Allergie leidet
- bei Entzündungen der Wirbelsäule
- bei Embolien
- bei Thrombosen
- bei Hämophilie (Bluterkrankheit)
Zu guter Letzt gehen wir noch auf die generellen gesundheitlichen Vorzüge des Reitens ein...
Fitnesstrainer Pferd - die gesundheitlichen Vorzüge des Reitens
Pferde ziehen Menschen seit jeher magisch an und sind Ausdruck für Sanftmut, Schönheit und Kraft. Kein Wunder, dass Reiten zu den gefragtesten Freizeitaktivitäten gehört. Doch so ein Ritt ist auch der Gesundheit förderlich - ob als Vorbeugung gegen Rückenschmerzen oder als Stresskiller.
Fury und Mr. Ed haben Generationen von Pferdeliebhabern beglückt. Damals wie heute üben die imposanten Tiere eine enorme Anziehungskraft aus, begeistern mit ihrer Stärke und Anmut.
Positive Effekte des Reitens für die gesamte Muskulatur
Reiten eignet sich für Menschen jeder Altersstufe - ob für
- Kinder
- Jugendliche
- Reitprofis
- Wiedereinsteiger oder
- Senioren.
Ein Ritt auf einem Pferd hat positive Effekte auf die gesamte Körpermuskulatur. Beim Reiten passt sich der Körper automatisch an die Bewegungsabläufe des Pferdes an. Und es werden Muskelgruppen beansprucht, die viele Menschen nicht mal kennen.
Je nach Gangart ist die Beanspruchung diverser Muskelbereiche mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt. Ein flotter Galopp stärkt die Bauch-, Rücken- und Beinmuskulatur natürlich nachhaltiger als ein Ritt im Trab oder Schritt.
Durch die Stärkung der Muskelgruppen wird auch der Halteapparat unterstützt. Dadurch kommt es zur Entlastung der Wirbelsäule, was wiederum Rückenschmerzen entgegenwirkt.
Steigerung von Koordination und Gleichgewichtssinn durch das Reiten
Besonders vorteilhaft beim Reiten ist das permanente An- und Entspannen der Körpermuskulatur. Auf diese Weise lösen sich Blockaden und Verspannungen im Nacken- und Rückenbereich. Vor allem die gleichmäßigen Auf- und Abbewegungen im Sattel beim leichten Trab wirken schmerzhaften Verkrampfungen entgegen.
Durch das Halten der Zügel und die Fußstellung im Steigbügel müssen Reiter ständig ihre Balance anpassen, was Koordination und Gleichgewichtssinn schult.
Reiten verbessert nicht nur die Körperhaltung, trainiert die Muskulatur und steigert die Koordinationsfähigkeit, sondern fördert auch das Wahrnehmungsvermögen und führt zu Entspannung. Stress verfliegt im Nu, wenn Reiter über die Wiesen preschen oder gemütlich des Weges traben.
Reiten als effektiver Gesundheitssport
Als effektiver Gesundheitssport dient Reiten der Steigerung der Leistungsfähigkeit und kann auch bei Bestehen verschiedener Beeinträchtigungen ausgeübt werden. Heute wird der Reitsport immer häufiger als Gesundheitsmaßnahme empfohlen, um die Beweglichkeit zu optimieren oder Rückenbeschwerden zu lindern.
Die Vorteile für die Gesundheit im Überblick:
- Kräftigung der Wirbelsäule und des Halteapparates
- Verbesserung der Atmung
- Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems
- Entspannung und Stressreduktion
- Linderung von Rückenbeschwerden
- Lösen von Verspannungen
- Bewegung in der Natur an viel frischer Luft
- Stärkung der allgemeinen Fitness
- Verbesserung von Koordination und Gleichgewichtssinn
Durch den Umgang mit Pferden werden auch Sportmuffel angespornt dranzubleiben und durchzuhalten. Ein Pferd reagiert immer unmittelbar auf den Reiter und ist der Spiegel dessen Verhaltens.
Pferdefreunde, die ihre Muskulatur trainieren und ihre Körperhaltung schulen wollen, sind im Reitsport bestens aufgehoben. Reiten als präventive Maßnahme erfüllt höchste Ansprüche an den Gesundheitssport. Die Begegnung mit einem Pferd ist nicht an verbale Kommunikation gekoppelt, sondern eröffnet neue Wege für die Interaktion mit einem Lebewesen.
Reitkurse mit therapeutischer Begleitung für Kinder und Erwachsene, Anfänger und Fortgeschrittene werden in ganz Deutschland angeboten. Die Kursinhalte variieren je nach Altersklasse oder Beschwerdebild. Teilnehmer brauchen keine Vorkenntnisse, die Reitkurse sind auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten.
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- Hippotherapie: Grundlagen und Praxis, Ernst Reinhardt Verlag, 2015, ISBN 3497025534
- Hippotherapie: Befunderhebung, Bewegungsanalyse, Therapie, Springer, 2019, ISBN 3662592339
- Hippotherapie auf den Grundlagen der Funktionellen Bewegungslehre, Springer, 2000, ISBN 3540652205
- Therapieren mit Pferden: Heilpädagogisches Reiten - Hippotherapie - Psychiatrie, Verlag Eugen Ulmer, 2009, ISBN 3800146460
- Pferdegestützte Traumatherapie, Ernst Reinhardt Verlag, 2017, ISBN 3497027243
- Hippotherapie: Physiotherapie mit und auf dem Pferd, Thieme, 2007, ISBN 313144004X
- Pferdegestützte Therapie bei psychischen Erkrankungen, Schattauer, 2010, ISBN 3794527550
- Hippotherapie. Neurophysiologische Behandlung mit und auf dem Pferd, Hippokrates-Verlag, 2000, ISBN 3777313688
- Tiergestützte Kinderpsychotherapie: Theorie und Praxis der tiergestützten Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen, Peter Lang GmbH, Internationaler Verlag der Wissenschaften, 2014, ISBN 3631659040
- Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren, Ernst Reinhardt Verlag, 2015, ISBN 3497025526
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