Typische Probleme in einer Patchworkfamilie und wie man damit umgeht

Untersuchungen zufolge kann es bis zu fünf Jahre dauern, bis eine Patchworkfamilie zu einer funktionierenden Gemeinschaft geworden ist. Bis es soweit ist, können die unterschiedlichsten Probleme unter den Patchworkfamilienmitgliedern auftreten. Für die Lösung dieser Probleme gibt es zwar kein Patentrezept, allerdings können Erwachsene einen aktiven Beitrag zu einer funktionierenden Gemeinschaft leisten. Lesen Sie, wie Sie typische Probleme in einer Patchworkfamilie lösen können.

Britta Josten
Von Britta Josten

Scheitern und Neubeginn

Inzwischen wird etwa jede dritte Ehe geschieden. Und auch Partnerschaften ohne Trauschein sind oft nicht für die Ewigkeit. Besonders schlimm sind Trennungen aber immer dann, wenn aus der Beziehung Kinder hervorgegangen sind. Für sie bedeutet die Trennung ihrer Eltern meist den Verlust eines Elternteils. Und dieser Verlust muss zunächst einmal betrauert und verarbeitet werden.

Die Verarbeitung passiert sehr individuell und ist auch vom Alter eines Kindes abhängig. Für viele Kinder kommt dann noch erschwerend hinzu, dass der Vater oder die Mutter oft schon kurz nach der Trennung einen neuen Partner kennenlernen. Hat dieser neue Partner ebenfalls Kinder, dann ist das der Beginn der Entstehung einer Patchworkfamilie.

Für die glücklich neu verliebten Erwachsenen hängt der Himmel nun voller Geigen und viele geben sich in dieser Phase der Illusion hin, dass ihre neue Familie sofort reibungslos funktioniert.

Häufige Probleme, die auftreten können

Doch das ist nur sehr selten der Fall. Denn in der Regel stellen sich erst einmal Probleme ein.

Trennungsschmerz der Kinder

Fakt ist, dass Kinder immer unter der Trennung ihrer Eltern leiden. Und dieser Trennungsschmerz sorgt auch dafür, dass das neue Elternteil und neue Geschwister nicht sofort ins Herz geschlossen werden (können).

Damit das Kind die Trennung leichter verkraften kann, ist es besonders wichtig, dass es bei seiner Hauptbezugsperson bleiben kann. Das kann dann natürlich auch der Vater sein.

Dann kommt es auch auf das Alter des Kindes an. Säuglinge und Kleinkinder fühlen sich naturgemäß bei ihrer Mutter am wohlsten.

Es gibt aber auch Fälle, in denen die Kleinen in diesem Alter zu ihrem Vater eine besonders enge Bindung haben. Das kann vor allem dann vorkommen, wenn der Vater von Beginn an die Betreuung des Kindes übernommen hat. Unabhängig davon kann der neue Partner des verbliebenen Elternteils in den ersten zwei Lebensjahren des Kindes besonders einfach seine Zuneigung gewinnen.

Schuld und Verrat

Ältere Kinder haben dabei oft mehr Probleme. Sie hängen nach der Trennung ihrer Eltern noch sehr am "verlorenen" Elternteil. Aus diesem Grund können sie den neuen Partner nicht bedingungslos in ihr Herz schließen.

Kindergarten- und Vorschulalter

Bei Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter stellen sich oft Schuldgefühle ein. Viele Kinder sind in diesem Alter fest davon überzeugt, dass sie die Schuld an der Trennung ihrer Eltern tragen. Das führt häufig zu auffälligen Verhaltensänderungen, die sich auch auf den neuen Partner auswirken.

  • Während sich manche Kinder nun auffällig brav verhalten, damit sie nicht auch noch den verbliebenen Elternteil "verlieren",
  • reagieren andere Kinder aggressiv oder wütend auf den neuen Partner.

Ihre Schuldgefühle äußern sich häufig in heftigen Gefühlsausbrüchen, von Trauer über Eifersucht bis hin zu Wut. Vor allem der neue Elternteil, der klar abgelehnt wird, bleibt davon nicht verschont.

SOS-Tipp für den Neuen: Die Angriffe des Kindes nicht persönlich nehmen, auch dann nicht, wenn es Dinge sagt wie "Du bist Schuld, dass sich meine Mami und mein Papi nicht mehr lieb haben!"

Schließlich rebelliert das Kind gegen die Rolle des neuen Partners, nicht gegen seine Person. Hatten sie genügend Zeit, die Trennung der Eltern zu verarbeiten, werden sie sich den neuen Familienstrukturen leichter anpassen.

Sechsjährige

Bei Kindern ab einem Alter von sechs Jahren stellt sich dann häufig ein Loyalitätsproblem ein. Auch wenn der neue Partner des Elternteils nett und liebevoll ist, so können sie ihn nicht akzeptieren oder gar lieben, weil das für sie ein Verrat am richtigen Vater oder an der richtigen Mutter bedeuten würde.

Daher wird es dem neuen Partner oft auch unverhältnismäßig schwer gemacht. Bringt der neue Partner dann auch noch Kinder mit, dann gibt es auch hier oft zunächst "Allianzen" zwischen den "richtigen" Geschwistern, die für häufigen Streit (nicht nur unter den Kindern) sorgen.

Trotzreaktionen und Eifersucht

In einer Patchworkfamilie muss man sich erst einmal arrangieren, denn nur weil Mama und Neu-Papa sich lieben, muss das noch lange nicht für die Kinder gelten. Ein Beispiel: "Du hast mir gar nichts zu sagen, du bist nicht mein Vater!"

Solche und ähnliche Trotzreaktionen können vorkommen, wenn der neue Lebenspartner der Mutter einzieht. Dabei könnte es doch so schön sein, wenn Mama endlich wieder einen neuen Freund hat - schließlich würde sie ihn nicht lieben, wenn er kein netter Kerl wäre Und vielleicht ist er ja auch alleinerziehender Vater und bringt ein potenzielles Geschwisterkind mit.

Doch im Gegensatz zu gewachsenen Familienstrukturen teilen junge Patchworkfamilien keine gemeinsame Geschichte. Wie der Name schon sagt, sind sie eben "zusammengeflickt". "Kommt Zeit, kommt Rat" ist hier sicherlich ein guter Ansatz, doch manchmal ist die Situation derart verfahren, dass man aktiv eingreifen muss.

Keine Angst, das ist ganz normal. Kinder, besonders wenn sie noch klein sind, wünschen sich nämlich keine "neue" Familie mit einem neuen Elternteil und neuen Geschwistern. Sie wünschen sich, dass ihre "richtigen" Eltern wieder zusammenkommen.

Ist dies nicht möglich, wollen sie oftmals zumindest den Elternteil, der ihnen geblieben ist, ganz für sich allein haben und begegnen jedem, der sich ihm nähert, mit Eifersucht. In der Rolle des abwesenden Elternteils hat "der Neue" aus ihrer Sicht nichts verloren.

Zu hohe Erwartungen

Hohe Erwartungen von Seiten des neuen Elternpaares bergen ebenfalls reichlich Konfliktpotenzial, denn Patchwortkfamilien funktionieren nicht auf Anhieb so perfekt, wie es die eingespielte alte Familie tat.

Lösungsstrategien

Langsamen Schrittes in die neue Familienkonstellation

Um all den möglichen Problemen aus dem Weg zu gehen, ist es ratsam, dass sich die neuen Familien langsam und vorsichtig annähern. Der neue Partner sollte also nicht sofort einziehen. Viel besser ist es, wenn die "neue" Familien zunächst einmal ihre Freizeit miteinander teilt und zusammen etwas unternimmt.

Auf diese Weise können sich alle kennenlernen, ohne das die Kinder das Gefühl bekommen, sie müssten Vater oder Mutter mit dem oder der "Neuen" teilen.

Idealerweise zieht das erziehende Elternteil nicht gleich von Knall auf Fall mit dem neuen Partner zusammen, sondern gibt dem Kind Zeit, ihn in Ruhe kennenzulernen. Der neue Partner sollte viel Geduld aufbringen können und nicht erwarten, vom Kind sofort angenommen und geliebt zu werden.

Umgekehrt muss man dem Kind vermitteln, dass es sich dem neuen Partner gegenüber respektvoll zu verhalten hat. Auch hier spielt die Zeit für Sie, denn laut Untersuchungen dauert es vier bis fünf Jahre, bis eine Patchworkfamilie richtig "rund" läuft.

Zunächst aus der Erziehung raushalten

Außerdem sollten die "Neuen" sich keinesfalls sofort in die Erziehung einmischen. Vor allem bei größeren Kindern ist es sinnvoller, wenn sich die "Neuen" zunächst einmal als gute Freunde beweisen. Auf diese Weise bekommen die Kinder Zeit, um Zuneigung entwickeln zu können.

Was tun bei Loyalitätskonflikten?

Als leibliches Elternpaar sollte man tunlichst vermeiden, die Kinder gegen den ehemaligen Partner auszuspielen. Lebt das Kind bei der Mutter und diese verbietet etwas, sollte dies beispielsweise auch bei Wochenendbesuchen beim Vater verboten sein, auch wenn man als Elternteil dafür mal über den eigenen Schatten springen muss.

Für das Kind ist es wichtig, zum getrennt lebenden Elternteil eine funktionierende Beziehung aufrechterhalten zu können. Als neu hinzugekommener Partner dagegen sollte man nicht auf Biegen und Brechen versuchen, der beste Freund des Kindes zu werden oder gar den alten Elternteil zu ersetzen.

Es kann vorkommen, dass dieses bei gemeinsamen Unternehmungen mit dem Neuen schnell das Gefühl bekommt, den getrennt lebenden Elternteil "zu verraten". Insbesondere Stiefmütter haben es hier schwer. In einer solchen Situation sollte dem Kind das Maß an Nähe bzw. Distanz eingeräumt werden, welches es selbst wünscht. Keinesfalls sollte man versuchen, alles besser zu machen als die leibliche Mutter bzw. der leibliche Vater.

Die Rolle des leiblichen Elternteils nicht vergessen

Über diesen oft langwierigen Prozess der Annäherung sollten jedoch auf keinen Fall die "verlorenen" Elternteile vergessen werden. Auf keinen Fall sollte der Elternteil zum Tabu erklärt werden, denn auch er/ sie spielt in einer funktionierenden Patchworkfamilie immer eine Rolle.