Grödner Gliederpuppen
Die Grödner Gliederpuppe ist nach ihrem Ursprungsort, dem südtiroler Grödnertal, benannt. Von hier aus eroberte die aus Holz gedrechselte Puppe im Neunzehnten Jahrhundert die Welt.
Geschichte
Die Holzspielzeugtradition in Gröden lässt sich jedoch bis zum Jahr 1600 zurückverfolgen. Doch erst durch ihre Präsentation auf der Weltausstellung in Paris wurde es europaweit vertrieben. Nicht nur Schaukelpferde, Tänzerinnen, Fadengaukler und Turner aus Gröden, sondern vor allem auch die Grödner Gliederpuppe mit liebevoll aufgemaltem Gesicht erfreute sich großer Beliebtheit.
Dutch Doll
Durch den europaweiten vertrieb kam die Grödner Gliederpuppe auch zu ihrem Beinamen "Dutch Doll", den man ihr in England verpasst hatte, denn England importierte das Holzspielzeug damals über die Niederlande bzw. exportierte die Puppen unter dieser Bezeichnung in die USA.
Penny Doll
Ein weiterer Beiname, "Penny Doll", verdankt sich dem günstigen Preis, der die Familien des Grödnertals, die die Puppen in Heimarbeit produzierten, dennoch bis zum Jahr 1930 ernährte.
Schließlich galten um 1800 mehr als zwei Drittel der Bevölkerung des Grödnertals als Bildhauer bzw. Holzkunsthandwerker, wobei die Bildhauer vornehmlich mit der Anfertigung von Altären und kirchlichen Statuen, die Holzkunsthandwerker jedoch mit der von Kinderspielzeug, unter dem wiederum bewegliche Tiere wie Pferde und Gliederpuppen dominierten, beschäftigt waren.
Massenware
Durch zunehmende Nachfrage wurden die Grödner Puppen schnell zur billig hergestellten Massenware, die nicht mehr geschnitzt, sondern gedrechselt wurden. Die Erzeugnisse wiesen zu guter Letzt eine derart mindere Qualität auf, dass die Arbeiter nicht mehr pro Stück, sondern nach dem Gewicht ihrer Liefrungen bezahlt wurden.
Reproduktionen
Ab 1930 jedoch mussten andere Erwerbsquellen geschaffen werden, die Holzspielzeugproduktion in Gröden kam zum Erliegen. Erst seit wenigen Jahren wird von einer südtirolerischen Bildhauerin versucht, die alte Tradition mit neuem Leben zu füllen. Ihre Reproduktionen von Holzspielzeug nach alten Grödner Modellen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
Eine einfache Grödner Puppe ist für etwa neunzig Euro zu haben.
Merkmale
Damals wurden Grödner Gliederpuppen in verschiedenen Größen produziert, von nur dreizehn Millimeter kleinen bis gut zweiundsechzig Zentimeter großen. Typisch für die Grödner Gliederpuppe sind der naturholzfarben belassene Körper, während das Gesicht, die Unterarme und Unterschenkel weiß getönt sind. Manche Puppen besitzen ein aufgemaltes rotes oder schwarzes Schuhwerk.
Alle Grödner Gliederpuppen sind weiblich und tragen eine schwarze bzw. dunkelbraune Mittelscheitelfrisur mit Schläfenlocken in Kinnlänge. Ein feines Gesicht mit hauchdünnen, hochgezogenen Augenbrauen und kleinem, aber vollem Mund spiegelt das Schönheitsbild der damaligen Zeit und erinnert an die großen Stummfilmdiven.
Luxuriöse Sammlerstücke
So ist die Grödner Gliederpuppe dann auch nicht nur Kinderspielzeug, sondern vor allem auch naturalistisch proportioniertes Modell für Maler. Prächtig gekleidet hingegen diente sie als echtes Luxusspielzeug und ist heute ein begehrtes Sammlerstück.
So besticht ein etwa fünfundzwanzig Zentimeter großes Original von 1820 beispielsweise durch ein prächtiges Gewand aus Seide und einem Überhang aus Spitze sowie einer mit Perlen besetzten Bluse samt passendem Gürtel. Das Haar wird als durch einen geschnitzten Kamm auf dem Kopf gehaltene Hochsteckfrisur getragen und ist mit zwei verschiedenen Schattierungen aufgemalt.
Sammlern ist solch eine prächtige, mittlerweile knapp zweihundert Jahre alte Grödner Puppe etwa Zweitausend Euro wert.