Funikuläre Myelose - Ursachen, Symptome und Behandlung

Als funikuläre Myelose bezeichnet man eine Entmarkungskrankheit. Sie wird durch einen Mangel an Vitamin B12 verursacht.

Von Jens Hirseland

Die funikuläre Myelose, auch funikuläre Spinalerkrankung genannt, zählt zu den Entmarkungskrankheiten. Dabei kommt es zu Sensibilitätsstörungen und motorischen Ausfällen. Sogar eine Querschnittslähmung ist möglich. Besonders betroffen von der Erkrankung sind Menschen zwischen 50 und 75 Jahren.

Ursachen der funikulären Myelose

In den meisten Fällen wird die funikuläre Myelose durch einen Mangel an dem so genannten intrinsischen Faktor verursacht. Bei dem Intrinsic-Faktor (IF) handelt es sich um ein Glykoprotein. Dieses Glykoprotein entsteht in den Belegzellen des Magens und bindet das Vitamin B12.

Die Bindung des Vitamins ist überaus wichtig, denn nur die gebundene Form lässt sich im Dünndarm resorbieren, weil sie nicht von den Verdauungsenzymen zersetzt wird.

Zu einem Mangel an dem intrinsischen Faktor kann es durch eine Schädigung der Belegzellen kommen, für die Autoimmun-Antikörper verantwortlich sind. Doch auch nach einer operativen Entfernung des Magens lässt sich kein Intrinsic-Faktor mehr herstellen. Bei Alkoholkranken besteht die Gefahr einer chronischen Magenschleimhautentzündung, die dazu führt, dass der intrinsische Faktor nicht mehr produziert wird.

Als weitere mögliche Ursachen kommen

infrage.

Magenkrebs als mögliche Ursache
Magenkrebs als mögliche Ursache

Vitamin-B12-Mangel

Mitunter löst auch eine Lachgas-Narkose einen Vitamin-B12-Mangel aus. Ein anderer möglicher Grund für die Mangelerscheinung ist eine vegane Ernährungsweise. So findet man Vitamin B12 fast ausschließlich in tierischen Produkten.

Der Mangel an Vitamin B12 führt zu Entmarkungsherden im Rückenmark. Zu finden sind diese Herde im Bereich

  • der Kleinhirnseitenstrangbahnen, die für die propriozeptive Wahrnehmung zuständig sind,
  • der Hinterstrangbahnen, die der taktilen Wahrnehmung dienen, sowie
  • der Pyramidenbahn, die Bewegungsreize vermittelt.

Innerhalb der Entmarkungsherde gehen allmählich die Myelinscheiden der Nervenfasern und schließlich auch die Nervenfasern selbst zugrunde. Im Endstadium ersetzt Narbengewebe aus Gliazellen das zerstörte Gewebe.

In den meisten Fällen beschränkt sich die funikuläre Myelose auf das Rückenmark, mitunter ist jedoch ein Übergreifen auf die Myelinscheiden der peripheren Nerven möglich. Durch welche Abläufe die Markscheiden und die Nervenfasern zerstört werden, ist jedoch bislang unbekannt.

Symptome

Zu den ersten Symptomen einer funikulären Myelose gehören brennende Missempfindungen an den Händen und Füßen, die sich später auch auf die Arme und Beine ausweiten. Im weiteren Verlauf der Krankheit kommt es zu Lähmungserscheinungen an den Beinen sowie zu einer gestörten Bewegungskoordination.

Grund dafür ist der Ausfall der sensiblen Bahnen. Mitunter gehen die Lähmungen auch auf die Arme über. Zudem können Störungen der Blasenfunktion auftreten. Weitere mögliche Beschwerden sind

  • Muskelschwäche an den Gliedmaßen
  • Sensibilitätsstörungen
  • Verlust des Vibrationsempfindens
  • Ausfälle der Augenmuskeln sowie
  • psychische Probleme wie Depressionen oder Psychosen.

Ohne eine medizinische Behandlung droht sogar eine Querschnittslähmung. Die Symptome schreiten jedoch nur langsam voran, weil der Körper Vitamin B12 bis zu zwei Jahre lang speichern kann.

Diagnose

Besteht der Verdacht auf eine funikuläre Myelose, wird eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit vorgenommen. So fällt die Geschwindigkeit bei der funikulären Spinalerkrankung an den motorischen und sensiblen Nerven geringer aus.

Darüber hinaus erfolgt eine Blutuntersuchung, da bei rund 33 Prozent aller Patienten eine perniziöse Anämie auftritt, die für die Entmarkungskrankheit typisch ist. Nicht selten geht die Myelose der Anämie voraus und ist das erste Symptom des Mangelzustands.

Die Blutuntersuchung zur Diagnose
Die Blutuntersuchung zur Diagnose

Auch die körperliche Untersuchung nimmt einen wichtigen Behandlungsbestandteil ein. Dabei stellt man folgende Merkmale fest:

  • eine blass-gelbe Haut
  • eine Rückbildung der Zungenschleimhaut
  • Gangunsicherheit
  • ein positives Romberg-Zeichen (starke Schwankungen im Stand bei geschlossenen Augen)
  • abgeschwächte oder fehlende Eigenreflexe an Armen und Beinen
  • diverse Reflexe, die untypische Finger- und Zehenbewegungen aufweisen, wie etwa der Gordon-Reflex, der Oppenheim-Reflex, der Rossolimo-Reflex oder der Trömner-Reflex

Schilling-Test

Eine weiteres Diagnoseverfahren stellt der Schilling-Test dar. Mit dieser Methode lässt sich feststellen, ob die funikuläre Myelose durch eine verminderte Zufuhr an Vitamin B12 oder einen Mangel an dem intrinsischen Faktor hervorgerufen wird.

Dabei verabreicht man radioaktiv markiertes Vitamin B12 sowohl mit als auch ohne Intrinsic-Faktor. Anschließend wird aus dem Sammelurin des Patienten die Aufnahme des Vitamins ermittelt.

Da bestimmte Krankheiten wie Multiple Sklerose, komprimierende Rückenmarkserkrankungen oder die Friedrich-Ataxie ähnliche Symptome wie bei einer funikulären Myelose auslösen können, müssen diese bei der Diagnose ausgeschlossen werden.

Behandlung

Behandelt wird eine funikuläre Myelose durch die Gabe von Vitamin B12. Dieses verabreicht man entweder per Spritze oder intravenös.

In der ersten Phase der Therapie erhält der Patient die Injektionen täglich. Später genügt es, sie einmal im Monat oder vierteljährlich zu verabreichen.

Bis es zum Rückgang der Symptome kommt, dauert es jedoch zumeist einige Monate. Bei frühzeitiger Behandlung sind kleine bleibenden Schäden zu befürchten.

Liegt eine starke Anämie (Blutarmut) vor, ist zudem eine Eisensubstitution sinnvoll, denn um rote Blutzellen neu bilden zu können, braucht der Organismus ausreichend Eisen. Für den Fall, dass neben den Myelinscheiden auch die Axonzylinder durch die Krankheit irreversibel in Mitleidenschaft gezogen wurden, bleiben Restbeschwerden zurück.