Gliom - Arten, Häufigkeit, Diagnose und Therapie
Als Gliome werden Hirntumore des zentralen Nervensystems bezeichnet. Ihre Entstehung erfolgt zumeist aus Gliazellen, den Stützzellen des Nervengewebes. Die Prognose bei Gliomen ist sehr unterschiedlich. Einige Gliomarten wie das pilozytische Astrozytom sind gutartig und wachsen nur sehr langsam, während die Gliomart Glioblastom bösartig ist und als nicht heilbar gilt. Erfahren Sie hier mehr über die unterschiedlichen Ausprägungen eines Glioms und deren Ursachen, Diagnostik und Therapie.
Was sind Gliome?
Die Bezeichnung Gliom dient als Sammelbegriff für bestimmte Gehirntumore des zentralen Nervensystems (ZNS). Die unterschiedlichen Gliome haben miteinander gemeinsam, dass sie aus dem Gliagewebe hervorgehen und den Gliazellen, bei denen es sich um die Stützzellen des Nervengewebes handelt, entstammen. In den meisten Fällen treten Gliome im Gehirn auf, können aber auch an den Hirnnerven oder der Rückenmarksregion vorkommen.
Die bösartigste Form der Gliome stellt das Glioblastom dar, das bei der Hälfte aller Patienten innerhalb eines Jahres zum Tod führt.
Häufigkeit
In Europa erkranken jedes Jahr rund 20.000 Menschen an einem bösartigen Gliom. In Deutschland sind es jährlich ungefähr 5.000 Personen, in Österreich ca. 500. Während einige Gliomarten heilbar sind, ist dies bei anderen nicht der Fall. Einige Gliome entstehen bereits im Kindesalter, andere zeigen sich wiederum nur bei erwachsenen Menschen.
Unter allen Gehirntumoren haben Gliome einen Anteil von 30 bis 50 Prozent. Unterteilt wird dies in
- ungefähr 50 Prozent hochbösartige Glioblastome von Grad IV
- etwa 25 Prozent Astrozytome von Grad I bis III
- 5 bis 18 Prozent Oligodendrogliome
- 2 bis 9 Prozent Ependymome
WHO-Grad der Gliome
Genau wie andere Hirntumore werden auch die Gliome von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in spezielle WHO-Grade eingeteilt. Dabei handelt es sich um:
- Grad I - Pilozystisches Astrozytom
- Grad II - Diffuses Astrozytom, Oligodendrogliom, Oligoastrozytom
- Grad III - Anaplastisches Oligodendrogliom, anaplastisches Astrozytom, anaplastisches Oligoastrozytom
- Grad IV - Glioblastom
Die häufigste Form der Gliome stellt das Glioblastom dar, gefolgt von den unterschiedlichen Astrozytomen. Als seltenste Form wird das Oligodendrogliom eingestuft.
Es besteht das Risiko, dass Gliome mit einem niedrigen WHO-Grad in eine schwerer ausgeprägte Form übergehen. Das durchschnittliche Alter der Erkrankten erhöht sich deshalb mit dem WHO-Grad.
Arten
Gliome entstehen an den verschiedensten Stellen innerhalb des Zentralnervensystems. So erfolgt ihre Einteilung häufig nach ihrer Position am Hirnstamm in ein Ponsgliom oder am Sehnerv in ein Optikusgliom.
Ebenso ist es jedoch möglich, eine Einteilung nach der Art der Gliazellen, aus denen der Tumor hervorgeht, vorzunehmen. Demzufolge gibt es:
Astrozytome
Astrozytome entwickeln sich aus Astrozyten, speziellen Zellen, von denen ein Großteil der Gliazellen im Zentralnervensystem gebildet wird. Sie erfüllen die Funktion, das Nervengewebe gegen Blutgefäße und Gehirnoberfläche abzugrenzen.
Die Einteilung der unterschiedlichen Astrozytome erfolgt in die WHO-Grade I bis III. Mitunter prägen sich drittgradige Astrozytome in ein Glioblastom von Grad IV aus.
Mehr Informationen zu dieser Gliomart finden Sie in unserem Artikel zum Astrozytom.
Glioblastom
Das Glioblastom ist bösartig und überaus aggressiv. Primäre Glioblastome haben ihren Ursprung in gesunden Astrozyten. Im Unterschied dazu erfolgt die Entstehung eines sekundären Glioblastoms aus Tumoren, die bereits vorhanden sind, wie zum Beispiel ein Astrozytom Grad II.
Mehr Informationen zu dieser Gliomart finden Sie in unserem Artikel zum Glioblastom.
Gangliogliom
Ein Gangliogliom entwickelt sich in erster Linie aus reifen Schwann-Zellen und Ganglienzellen. Als Ganglien werden Nervenknoten bezeichnet, in denen die Verschaltung von unterschiedlichen Informationen stattfindet. Bei Schwann-Zellen handelt es sich um eine Form von Gliazellen, von denen periphere Nervenfasern ummantelt werden. Darüber hinaus bilden sie ein Pendant zu den Oligodendrozyten, die sich in Gehirn und Rückenmark befinden.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass sich ein Gangliogliom im gesamten Nervensystem entwickelt. In den meisten Fällen ist es jedoch im Hypothalamus, Kleinhirn oder Schläfenlappen anzutreffen.
Gangliogliome sind zumeist gutartig und wachsen nur sehr langsam. Besonders betroffen von dieser sehr seltenen Tumorform sind Kinder und junge Erwachsene.
Oligodendrogliom
Oliogodendrogliome gehen aus den Oligodendrozyten, einer Gliazellenart, hervor. Wie eine isolierende Schicht umgeben sie einzelne Nervenbahnen des Gehirns. Auf diese bewirken sie einen schnelleren Fluss von Informationen. Genau wie bei allen anderen Körperzellen erfolgt auch bei den Oligodendrozyten in regelmäßigen Abständen eine Erneuerung. Kommt es dabei zu Fehlern, vermehren sich die Zellen ohne Kontrolle, wodurch sich ein Tumor entwickelt.
Oligodendrogliome werden in die WHO-Grade II und III eingeteilt. Ihre Prognose fällt deutlich besser aus als bei Astrozytomen. Des Weiteren bestehen bei ihnen bessere Therapieoptionen durch Chemotherapie oder Bestrahlungen.
Manchmal entwickelt sich aus einem Oligodendrogliom ein sekundäres Glioblastom.
Gliomatosis cerebri
Liegen in wenigstens drei Hirnlappen diffuse Tumore vor und lässt sich ein Gliom durch eine Gewebeprobe nachweisen, ist in der Medizin von Gliomatosis cerebri die Rede. Die Zuordnung der einzelnen Tumore erfolgt in WHO-Grad II.
Wie sich die Krankheit entwickelt, richtet sich danach, welche und wie viele Hirnregionen in Mitleidenschaft gezogen werden. So kommt es zu ausgeprägten Variationen. Da der Befall bei Gliomatosis cerebri stark ausgeprägt ist, muss in der Regel auf einen chirurgischen Eingriff verzichtet werden. Ebenso gelten Bestrahlungen als ungünstig. Daher findet zumeist eine Chemotherapie statt.
Ursachen
Aus welchen Gründen es zur Entstehung von Gliomen kommt, ließ sich bislang nicht klären. Es handelt sich bei den Geschwülsten normalerweise nicht um erbliche Tumore, wobei es allerdings Ausnahmen gibt wie die Neurofibromatose oder das Turcot-Syndrom.
Umstritten ist der Einfluss von Mobiltelefonen auf das Entstehen der Gliome. Während einige Studien das Benutzen von Handys als Risikofaktor einstuften, sahen andere dagegen keine Zusammenhänge.
Diagnose
Die Diagnostik bei Gliomen umfasst in der Regel die gleichen Verfahren wie bei konventionellen Hirntumoren. Beim Nachweis der Tumore bestehen jedoch einige Unterschiede. So setzt sich ein Gliom aus Gliafasern zusammen. Diese lassen sich wiederum im Rahmen einer Gewebeprobe nachweisen. Zu diesem Zweck findet eine farbliche Markierung des GFAP (Glasfaserproteins) oder des Proteins 100 statt. Auf diese Weise kann das Gliom von anderen Gehirntumoren unterschieden werden, denn in diesen kommen diese speziellen Proteine nicht vor.
Eine wichtige Rolle bei der Diagnose spielen zudem die Position des Tumors, die Histologie der Raumforderung sowie das Ausmaß der Erkrankung. Diese Kriterien sind für einen neurochirurgischen Eingriff von Bedeutung.
Nach der Erfassung der Krankengeschichte folgt in der Regel eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels. Alternativ kann auch eine Computertomographie (CT) durchgeführt werden, die jedoch als weniger geeignet gilt.
Gesichert wird die Diagnose letztlich durch eine Biopsie (Gewebeentnahme). Im Sehnervbereich besteht dabei allerdings die Gefahr, dass es zu Sehstörungen kommt.
Therapie
Im Zentrum der Therapie eines Glioms steht dessen vollständige operative Entfernung. Handelt es sich um ein Gliom von Grad I, reicht diese Maßnahme in der Regel bereits aus. Liegen dagegen höhergradige Gliome vor, bedarf es einer anschließenden Bestrahlung des Tumorbettes. Im Falle von Glioblastomen wird zumeist eine Chemotherapie vorgenommen.
Gerade bei bösartigen Gliomen ist ein komplettes Entfernen des Tumors kaum durchführbar. Aus diesem Grund muss eine Nachbehandlung erfolgen, um der Entstehung eines Rezidivs entgegenzuwirken.
Prognose
Die Prognose bei einem Gliom hängt neben der Gliomart und dem Schweregrad des Tumors auch vom Allgemeinzustand und Lebensalter des Patienten ab. Je höher das Alter des Betroffenen und je intensiver seine Erkrankung ausfällt, desto ungünstiger wirkt sich dies auf die Prognose aus.
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