Hodenhochstand: Ursachen, Symptome und Behandlung sowie weitere Arten der Lageanomalie des Hodens

Nicht wenige Männer leiden an einer so genannten Lageanomalie des Hodens, dem Hodenhochstand, auch Hodendystopie genannt. Diese Anomalie ist Statistiken zufolge der häufigste Grund von Zeugungsunfähigkeit oder die häufigste Ursache eines Tumorleidens. Eine frühe Behandlung kann Folgeschäden begrenzen. Man unterteilt die Erkrankung in zwei Gruppen, die wiederum unterschiedliche Bereiche betreffen können. Lesen Sie alles Wissenswerte über den Hodenhochstand.

Von Annett Biermann

Krankheitsbild

Der so genannte Hodenhochstand wird im Fachjargon auch als Hodendystopie bezeichnet. Der Hodenhochstand ist eine Anomalie der Hodenlage.

Bei einem Neugeborenen entsteht der Hoden in etwa auf Höhe der Nieren. Während der embryonalen Entwicklung beginnt der Hoden sodann zu "wandern". Dieser Vorgang wird medizinisch korrekt als Hodenabstieg bezeichnet und ist dann beendet, wenn der Hoden das Skrotum erreicht hat.

Lageanomalie: Frühchen sind stärker gefährdet

Eine Lageanomalie des Hodens kommt in aller Regel nur selten vor und wird Schätzungen zur Folge bei rund fünf Prozent der Säuglinge diagnostiziert. Bei Frühgeburten tritt eine Anomalie jedoch sehr häufig (20 Prozent und mehr) auf, da die Wanderung zum Zeitpunkt der Geburt in aller Regel noch nicht abgeschlossen ist. Innerhalb des ersten Lebensjahres erreicht der Hoden jedoch bei nahezu allen Säuglingen seinen Bestimmungsort.

Jede Art von Anomalie stellt ein erhöhtes Risiko für Zeugungsunfähigkeit oder Tumorbildung dar. Eine frühe Behandlung ist daher unverzichtbar.

Von einer Lageanomalie des Hodens ist zwingend eine so genannte Hodentorsion, bei der die beiden Hoden verdreht sind, zu unterscheiden. Eine Torsion bedarf in jedem Falle einer schnellen ärztlichen Behandlung, um Folgeschäden ausschließen zu können.

Verschiedene Arten der Lageanomalie

Im Medizinischen wird die Lageanomalie in zwei Gruppen unterteilt.

Hodenhochstand

Die eine Gruppe ist der so genannte Hodenhochstand. Hierbei unterscheidet man wiederum

  • den Bauchhoden
  • den Leistenhoden
  • den Gleithoden
  • den Wanderhoden/Pendelhoden
  • den ektopen Hoden sowie
  • den Kryptorchismus.

Diese aufgezählten Arten von Hodenhochstand sind normalerweise unbedenklich. Sollten jedoch Schmerzen oder andere Symptome beobachtet werden, so sollte in jedem Falle ein Arzt konsultiert werden, um sowohl eine Tumorbildung als auch Zeugungsstörungen ausschließen zu können.

Hodenektopie

Die zweite Gruppe der Lageanomalie ist die so genannte Hodenektopie. Auch hier werden diverse Lagen unterschieden:

  • penile Hodenektopie: Verlagerung in den Penisschaft
  • transverse Hodenektopie: Verlagerung in das Skrotalfach
  • femorale Hodenektopie: Verlagerung in den Oberschenkelbereich
  • perineale Hodenektopie: Verlagerung in den Dammbereich

Diese Verlagerungen sind meist schwerwiegender und bedürfen dringender ärztlicher Untersuchung.

In diesem Artikel befassen wir uns mit dem Hodenhochstand.

Ursachen

Normalerweise wandern die Hoden bis zum siebten Monat der Schwangerschaft in den Hodensack des ungeborenen Jungen. Kommt ein kleiner Junge etliche Wochen zu früh auf die Welt, man spricht von einer Frühgeburt, ist seine körperliche Entwicklung oftmals noch nicht abgeschlossen.

Dies kann zur Folge haben, dass die Hoden noch nicht in den Hodensack gewandert sind. Auch körperliche Fehlentwicklungen können die Ursache eines Hodenhochstandes sein.

Wenn der normale Weg versperrt ist (wie durch einen Leistenbruch), kann sich der Hoden nicht in den Hodensack bewegen. Ein Hodenhochstand kann auch hormonell bedingt sein. Oftmals können jedoch die genauen Gründe für einen Hodenhochstand nicht festgestellt werden.

Als Risikofaktoren, die keinen genetischen Hintergrund aufweisen, gelten beispielsweise

  • Alkoholkonsum und/oder Rauchen während der Schwangerschaft
  • bestimmte Umweltfaktoren, wie z.B. Pestizide
  • Diabetes mellitus bei der Mutter
  • eine intrauterine Insemination, eine bestimmte Art der Befruchtung

Verlauf

In der Regel wird die Diagnose bereits bei den Neugeborenen gestellt. Erfolgt innerhalb des ersten Lebensjahres eine Therapie, bleiben in der Regel keine Spätfolgen zurück.

Folgen

Wird die Behandlung jedoch nicht durchgeführt, kann dies die Unfruchtbarkeit des Mannes zur Folge haben. Je später die Behandlung beginnt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der betroffene Hoden zu wenige Spermien produziert.

Werden die Jungen erst im Kindergartenalter operiert, leiden etwa die Hälfte im Erwachsenenalter unter Unfruchtbarkeit. Erfolgt die Behandlung im ersten Lebensjahr, leiden nur zehn von hundert Männern an der Unfruchtbarkeit.

Wird der Hodenhochstand zu spät behandelt, besteht ein hohes Risiko, später an Hodenkrebs zu erkranken. Die Folge eines Hodenhochstandes kann auch eine äußerst schmerzhafte Hodentorsion sein.

Der Hoden wird hier nicht mehr durchblutet, da sich der Samenstrang um den Hoden dreht und somit die Durchblutung abschnürt. Häufig entsteht auch ein Leistenbruch, wenn der Hodenhochstand nicht oder zu spät operiert wird.

Symptome

Der Hodenhochstand kann sowohl ein- als auch beidseitig auftreten und wird in der Regel bereits bei den Säuglingen diagnostiziert. Nach der Entbindung tastet der Kinderarzt bei den neugeborenen Jungen routinemäßig den Hodensack ab.

Beim so genannten Bauchhoden liegt, wie der Name schon sagt, der Hoden im Bauchraum. Auch beim Leistenhoden ist der Abstieg nicht vollständig gelungen, sodass der Hoden im Bereich der Leiste stecken geblieben ist.

Der Gleithoden befindet sich ebenso in der Leistengegend, kann jedoch durch mechanische Einwirkung in den Hodensack verschoben werden. Der Wanderhoden befindet sich zwischen Leistengegend und Skrotum. Seine Lage wechselt er in aller Regel bei sexueller Erregung.

Der ektope Hoden liegt vor, wenn der Hoden sich im Oberschenkel- oder Bauchdeckenbereich befindet. Beim Kryptorchismus sind die Hoden verborgen und nicht zu lokalisieren.

Diagnose

Die Diagnose Hodenhochstand stellt der Kinderarzt, der die erste Vorsorgeuntersuchung U1 direkt nach der Geburt durchführt. Diese wird routinemäßig bei allen Neugeborenen durchgeführt.

Der Arzt führt eine körperliche Untersuchung des neugeborenen Jungen durch und tastet in diesem Zusammenhang auch die Hoden ab. Ist ein Hodensack bzw. sind beide Hodensäcke leer, spricht dies für einen ein- oder beidseitigen Hodenhochstand. Befinden sich die Hoden noch im Leistenkanal, spricht man von so genannten Leistenhoden.

Der Arzt kann den Hoden dann im Bereich der Leiste ertasten. Auch so genannte Gleithoden kann der Arzt ertasten. Der Hoden kann zwar in den Hodensack geschoben werden, rutscht jedoch immer wieder zurück.

Auch im Bauchraum können sich die Hoden noch befinden. Man spricht dann von einem Bauchhoden. Kann der Arzt den Hoden nicht ertasten, führt er deshalb eine Ultraschalluntersuchung durch. Im Rahmen dieser Untersuchung kann er den Hoden im Bauchraum erkennen.

Auch Blut wird dem Neugeborenen abgenommen, um feststellen zu können, ob überhaupt Hodengewebe vorhanden ist oder ob die Anlage völlig fehlt. In einigen Fällen muss sich der neugeborene Junge auch einer Bauchspiegelung unterziehen. Während dieser Untersuchung kann ebenfalls diagnostiziert werden, wo genau sich der Hoden befinden.

Behandlung

In einigen Fällen bildet sich der Hodenhochstand von selbst ohne Behandlung zurück. Dies geschieht jedoch nur bei Säuglingen bis zu einem halben Jahr. Später ist nicht mehr davon auszugehen, dass die Hoden von selbst in den Hodensack wandern.

Die Behandlung erfolgt entweder durch eine Operation oder durch eine Hormontherapie. Welche Therapie durchgeführt wird, hängt von der Art des Hodenhochstandes ab.

Operation

  • Liegt gleichzeitig ein Leistenbruch vor
  • befindet sich der Junge bereits im Pubertätsalter
  • befinden sich die Hoden in einer unnormalen Lage oder
  • haben andere Therapiemöglichkeiten bisher nicht geholfen,

so wird eine Operation durchgeführt, allerdings nie sofort nach der Geburt, sondern erst circa ein Jahr später, wenn der Hoden die Wanderung bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht vollzogen hat.

Offene Hodenhochstand-OP (inguinale Orchidopexie

Bei der offenen Hodenhochstand-OP, die durchgeführt wird, wenn der Hodenhochstand tastbar ist oder wenn der Hoden auf dem Ultraschallbild im Bereich der Leiste zu erkennen ist, wird ein kleiner Schnitt im Leistenkanal gesetzt. Die Aufgabe des Chirurgen besteht darin, den Weg für den Hoden zum Hodensack frei zu machen.

Er entfernt überflüssiges Gewebe aus dem Samenstrang und einige Fäden des Cremastermuskels. Dieser Muskel zieht bei Kälte den Hoden näher an den Körper heran - damit der Hoden nach der OP von diesem Muskel nicht zu stark wieder nach oben wandert, wird er zusätzlich noch im Hodensack mit einer kleinen Naht versehen.

Vorbereitung

Der gesamte Eingriff dauert circa 20-45 Minuten und wird nur mit Vollnarkose durchgeführt. Wie bei jeder Vollnarkose auch, sollte der Patient nüchtern (d.h. ohne am Tag des Eingriffs etwas gegessen oder getrunken zu haben) operiert werden.

Vor dem Eingriff klärt der Arzt über mögliche Komplikationen auf; es könnte zum Beispiel der Samenleiter verletzt werden. Obwohl nur circa 1 Prozent der unter zweijährigen Jungen betroffen ist, handelt es sich um eine Routine-Operation.

Laparoskopische Hodenhochstand-OP

Bei einem Bauchhoden, der nah am Leistenkanal liegt; kann man auch mit dem Laparoskop operieren. Im Rahmen der laparoskopischen Orchidopexie wird der Hoden direkt freigelegt und über den Leistenkanal in den Hodensack verlegt.

Liegt der Hoden jedoch zwei bis drei Zentimeter weiter entfernt, müssen im ersten Schritt Hoden und Samenstrang befreit werden. Nach etwa einem halben Jahr erfolgt dann die Verlagerung.

Autotransplantation

Bei der Autotransplantation handelt es sich um ein offenes OP-Verfahren, das bei bestimmten Arten eines Bauchhodens eingesetzt wird, wenn die versorgenden Gefäße für eine Verlagerung zu kurz sind. Der Hoden wird von den Gefäßen getrennt; danach verbindet man ihn mit solchen aus der Bauchdecke.

Hormontherapie

In den meisten Fällen wird jedoch eine Hormontherapie durchgeführt. Diese sollte anfangen, wenn das Kind ein halbes Jahr alt ist, spätestens jedoch am ersten Geburtstag. Abschließen sollte man sie bis zum Ende des zweiten Lebensjahres.

Als Medikamente werden Hormone eingesetzt, welche von den Gehirndrüsen produziert werden und für die Steuerung der Testosteronbildung in den Hoden verantwortlich sind. Dazu wird den Jungen ein GnRH-Mittel verabreicht.

Die Hormone werden in Form eines Nasensprays verabreicht, wenn der Patient noch kein Jahr alt ist. Auf diese Weise werden die Hoden angeregt, sich zu senken.

Wenn die Therapie erst im zweiten Lebensjahr beginnt, ist die Wirkung des GnRH-Mittels jedoch oft nicht mehr ausreichend. In diesen Fällen werden meist Gonadotropine, die Hormone der Hirnanhangdrüse, gespritzt.

Diese Therapieform ist häufig erfolgreich. Die Hormontherapie kann man einmal wiederholen; wenn sich dann keine Besserung zeigt, muss eine Operation erfolgen. Bei erfolgreichem Verlauf der Hormonbehandlung ist es wichtig, dass die Hoden ein Jahr lang alle drei Monate und nach diesem Zeitraum etwa halbjährlich ärztlich kontrolliert werden.

Vorbeugung

Einem Hodenhochstand kann man in keiner Weise vorbeugen, da dieser bereits während der Schwangerschaft im Mutterleib entsteht.

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