Die Infantile Cerebralparese (ICP) und die Ulzibat-Methode als mögliche Behandlungsmethode
Bei der Ulzibat-Methode handelt es sich um ein Verfahren zur Behandlung von Bewegungsstörungen bei Kindern. Sie wird auch als perkutane Myofasziotomie bezeichnet.
Unter der Ulzibat-Methode, auch perkutane Myofasziotomie genannt, versteht man einen minimal-invasiven operativen Eingriff. Das Verfahren dient zur Behandlung von Muskelverkürzungen bei Spastik.
Infantile Cerebralparese
In der Medizin bezeichnet man die infantile Cerebralparese (ICP) auch als
- infantile Parese
- zerebrale Kinderlähmung oder
- Morbus Little.
Gemeint ist damit eine zerebrale Lähmung, die bei Kindern irreversible Haltungs- und Bewegungsstörungen verursacht. Erstmals beschrieben wurde die infantile Cerebralparese im 19. Jahrhundert von dem britischen Kinderarzt William John Little (1810-1894). Daher trägt die Erkrankung auch die Bezeichnungen Little'sche Krankheit oder Morbus Little.
Die infantile Cerebralparese stellt letztlich den Endzustand einer Hirnschädigung dar, die bereits im frühen Kindesalter erfolgt. Zu dieser Hirnläsion kommt es entweder vor oder nach der Geburt.
Bei Morbus Little handelt es sich jedoch um eine seltene Erkrankung; so tritt sie bei zwei oder drei von eintausend Kindern auf. Am häufigsten zeigt sie sich bei Frühgeborenen.
Ursachen
Die Ursachen für eine infantile Cerebralparese sind sehr unterschiedlich. Ihre Entstehung kann bereits während der Schwangerschaft erfolgen. Ebenso ist es jedoch möglich, dass sie während des Geburtsvorganges oder danach auftritt. Allerdings lassen sich nur bei etwa 50 Prozent aller betroffenen Kinder eindeutige Ursachen für die Hirnentwicklungsstörung finden.
Vor der Geburt können
- Vergiftungen mit Alkohol, Arzneistoffen oder Kohlenmonoxid
- eine Unterversorgung mit Sauerstoff
- genetische Störungen
- Stoffwechselstörungen
- eine Blutgruppenunverträglichkeit oder
- Erkrankungen der Mutter wie Toxoplasmose oder Röteln
eine infantile Cerebralparese verursachen. Während der Geburt sind zumeist geburtstraumatische Schäden wie
- Hirnblutungen
- eine Ablösung des Mutterkuchens
- eine Verlegung der Nabelschnur oder
- Frühgeburten mit Sauerstoffmangel
der Grund für die Entstehung von Morbus Little. Nach der Geburt kommen
- ein Schädel-Hirn-Trauma
- ein Gefäßverschluss oder
- eine Hirnhautentzündung
als Ursache infrage.
Symptome
Bemerkbar macht sich die infantile Cerebralparese durch unterschiedliche Haltungs- und Bewegungsstörungen. Die Symptome hängen auch davon ab, an welchen Hirnbereichen Schädigungen auftreten. So kann zum Beispiel die Muskelspannung durch die Hirnschäden verändert werden.
Als typische Merkmale einer infantilen Cerebralparese gelten
- Koordinationsstörungen
- unnatürliche Reflexe sowie
- unwillkürliche Bewegungsabläufe.
Nicht selten kommt es auch zu
- Verhaltensauffälligkeiten
- Schluckstörungen
- Sehstörungen, Wahrnehmungsstörungen und
- epileptischen Anfällen.
Außerdem gibt es Defizite bei der Intelligenz der betroffenen Kinder.
In der Medizin werden die unterschiedlichen Störungen in Syndrome, die Symptom-Komplexe beinhalten, eingeteilt. Dazu gehören
- dyskinetische Syndrome
- spastische Syndrome
- kongenitale Ataxie-Syndrome und
- Hypotonie-Syndrome.
Durch die Bewegungsstörungen besteht die Gefahr von Spätfolgen wie verkürzten Gliedmaßen, Knochen-, Gelenks- und Muskelveränderungen sowie Knochen- und Gelenkverformungen.
Zu den häufigsten Syndromen bei einer infantilen Cerebralparese zählen spastische Syndrome. Dabei spannen sich die Muskeln leicht an, was rasch zu ihrer Verkrampfung führt. Infolgedessen besteht die Gefahr von Lähmungen an der betroffenen Muskulatur.
Auch Gelenkversteifungen treten oftmals auf. Besonders betroffen von den Symptomen sind Arme und Beine.
Bei einer dauerhaft erhöhten Muskelspannung sprechen Mediziner von Spastik. Diese Spastik hat strukturelle Muskelveränderungen während des Wachstums zur Folge. Darüber hinaus treten oft schmerzhafte Muskelverspannungen sowie eine Verkürzung und Reduktion der aktiven Anteile der Muskeln auf.
Symptome von Muskelverkürzungen
Zu den typischen Symptomen von Muskelverkürzungen gehören
- schwerwiegende Störungen beim Gehen, Stehen und Sitzen sowie
- angewinkelte, gebeugte und nach innen gedrehte Oberschenkel.
Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist, dass das Handgelenk und die Ellenbogen gebeugt zum Körper gehalten werden. Nicht selten leiden die Betroffenen unter einer Skoliose (Verkrümmung der Wirbelsäule).
Darüber hinaus kommt es zu Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen. Auch neurologische Einschränkungen wie Muskelzittern und Sprachstörungen sind im Bereich des Möglichen.
Diagnose
In den meisten Fällen wird eine infantile Cerebralparese erst nach dem vollendeten 1. Lebensjahr festgestellt. Als Hinweise auf die Hirnentwicklungsstörung gelten anormale motorische Symptome. Zur Ermittlung der Krankheitsursache können
- eine Blutuntersuchung
- eine Urinuntersuchung sowie
- eine Lumbalpunktion
erfolgen. Aufschlussreich ist zudem eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes.
Behandlung
Die infantile Cerebralparese zu heilen, ist nicht möglich. Daher konzentriert sich die Therapie darauf, die Folgen der Hirnentwicklungsstörung abzuschwächen. Zu diesem Zweck erfolgt eine multidisziplinäre Behandlung, die sich aus mehreren medizinischen Bereichen zusammensetzt.
Zu den wichtigsten Komponenten der Therapie zählt die Physiotherapie, die nach der Methode von Vojta oder nach der Methode von Bobath erfolgen kann. Da auch die Gelenke von gravierenden Veränderungen betroffen sind, sollte zusätzlich eine orthopädische Behandlung durchgeführt werden. So besteht die Möglichkeit, eine Besserung der Gelenkprobleme durch den Einsatz von speziellen Schienen oder operative Eingriffe zu erzielen.
Überaus wichtig für eine erfolgreiche Behandlung ist das Erstellen eines individuellen Rehabilitationsplans. Dieser beinhaltet sämtliche Therapieformen und Behandlungsziele.
Ebenso von Bedeutung ist die frühzeitige Förderung der betroffenen Kinder. Zu dieser Förderung gehören zum Beispiel Logopädie, krankengymnastische Maßnahmen oder eine Ergotherapie.
Liegt eine ausgeprägte Spastik vor, kann diese medikamentös mit Botulinumtoxin oder Baclofen behandelt werden. Im Falle einer Dyskinesie kommt ein Neuroleptikum zur Anwendung.
Perkutane Myofasziotomie
Eine Möglichkeit, die Störungen, die durch die Muskelverkürzungen entstehen, zu vermindern, bietet die Ulzibat-Methode. Im Rahmen der perkutanen Myofasziotomie, oder auch Ulzibat-Methode genannt, verlängert man die Muskulatur des Bewegungsapparates und des Kopfes in nur einer einzigen Sitzung. Dabei wird die Balance der Muskeln derart verändert, dass es anschließend zu deutlichen Verbesserungen bei
- der Bewegung der Beine
- der Handmotorik und
- der Kontrolle des Rumpfes
kommt.
Durchführung
Die Ulzibat-Methode zählt zu den schonenden, minimal-invasiven Operationsmethoden. Das heißt, dass im Unterschied zu anderen Verfahren der Muskelverlängerung lediglich einige Einstiche für den Zugang zu den Muskeln vorgenommen werden.
Die Länge der Einstiche beträgt etwa 2 bis 4 Millimeter. Aus diesem Grund ist auch kein Vernähen der Wunden nötig, die mit einem Pflaster versorgt werden können.
- Erster Schritt der perkutanen Myofasziotomie ist, die verkürzte Muskulatur so weit wie möglich anzuspannen.
- Dann erfolgt ein Einstich in die Haut und das Unterhautfettgewebe.
- Mit einem speziellen Instrument ertastet der Operateur anschließend die verkürzten, angespannten Muskelfaszien und ritzt sie behutsam an.
Das Anritzen ist sowohl im Querverlauf als auch im Längsverlauf der Muskeln möglich. Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis die Gelenke das gewünschte Bewegungsausmaß erreichen. Dabei finden sämtliche Muskeln Berücksichtigung, die sich auf die Bewegungen auswirken. Das minimal-invasive Verfahren ermöglicht einen schnelleren Ablauf der Operation als bei konventionellen Eingriffen. Zum Ende der perkutanen Myofasziotomie verschließt man die Wunde mit einer durchsichtigen Wundabdeckung und legt gegen die Blutungen einen Druckverband an.
Risiken
Das Komplikationsrisiko bei der Ulzibat-Methode gilt als sehr gering. Möglich sind Verletzungen der Blutgefäße und der Nerven, da diese während des Eingriffs vom Operateur nicht gesehen werden können.
Nach der Operation
Schon einen Tag nach der Operation wird mit der frühfunktionellen physiotherapeutischen Mobilisation begonnen. Der Aufenthalt im Krankenhaus beträgt normalerweise fünf bis sechs Tage.
Obwohl die Muskelverkürzung und die Spastik nach der perkutanen Myofasziotomie verschwunden sind, nimmt es einige Wochen oder Monate in Anspruch, bis das Kind seine vollen Bewegungsmöglichkeiten erreicht. Aus diesem Grund muss in einer Spezialklinik eine Rehabilitation erfolgen, die gezieltes Krafttraining sowie das Erlernen von komplexen Bewegungsabläufen umfasst.
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