Die Kalkschulter - Erkrankung im Schulterbereich mit chronischen Schulterschmerzen

Ob beim Aufhängen von Wäsche oder beim Streichen der Wohnung - starke Schulterschmerzen machen jede Bewegung zur Tortur. Betroffene mit einer Kalkschulter leiden unter gelegentlichen Schmerzattacken bis zu höllischen Schmerzen, die nachts den Schlaf rauben. In einigen Fällen heilt eine Kalkschulter selbst wieder ab, doch manchmal bleibt nur die Operation.

Von Jens Hirseland

Die Schulter - komplexer Aufbau aus Gelenken, Muskeln und Sehnen

Die Schulter besteht aus mehreren Komponenten und gehört zu den beweglichsten Körperteilen. Der komplexe Aufbau aus Teilgelenken, Muskeln und Sehnen macht das Schultergelenk besonders anfällig für Verschleißerscheinungen und Verletzungen.

Die so genannte Kalkschulter (Tendinosis calcarea) gehört zu den häufigsten Ursachen für starke Schmerzen und erhebliche Bewegungseinschränkungen. Kalkansammlungen setzen sich besonders im mittleren Sehnenbereich fest, vor allem in der Rotatorenmanschette, einem vierteiligen Muskelkomplex, der von den Oberarmen bis zu den Schulterblättern reicht.

Dieser Muskelbereich zwischen Knochenkopf im Oberarm und Schulterdach kann bei verschiedenen Bewegungen eingeklemmt werden und starke Schmerzen verursachen. Besonders empfänglich für Kalkablagerungen ist die Suprapinatussehne.

Eine Kalkschulter ist zumeist mit starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verbunden. Zu einer Tendinitis calcarea kann es auch an anderen Körperregionen wie der Achillessehne oder der Patellarsehne kommen.

Ursachen

Die Ursachen für die Entstehung einer Kalkschulter sind weitgehend unbekannt, dennoch gibt es Vermutungen, warum Verkalkungen entstehen. Eine unzureichende Durchblutung kann auf Dauer zu Sauerstoffmangel in der Sehne der Rotatorenmanschette führen, wodurch sich aus gesunden Zellen Kalkzellen bilden.

Auch Sehnenrisse werden als mögliche Ursachen diskutiert. Geklärt ist immerhin, dass bei einer Kalkschulter ein Auskristallisieren von Kalzium an der betroffenen Sehne auftritt. Dabei handelt es sich um die Bildung von Kalkdepots.

Symptome

Betroffene bemerken oft keine Beschwerden, weil zunächst nur kleine Kalkkugeln entstehen. Nach und nach dringen immer mehr Kalziumphosphat-Ablagerungen in das Knorpelgewebe ein, werden größer und führen zu Schulterschmerzen.

Bei diesem Vorgang wird auch der Schleimbeutel gequetscht, der normalerweise als natürlicher Puffer die Schultersehne schützt. Reizungen der Sehnen oder Nervenfasern können schmerzhafte Entzündungen auslösen. Es kommt zu stechenden oder bohrenden Schmerzen bei bestimmten Überkopf-Bewegungen wie beim Fensterputzen oder Haare föhnen.

Auch das Liegen auf der betroffenen Seite kann Schmerzen an der Schulter auslösen. Des Weiteren sind Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks möglich.

In manchen Fällen kann der Betroffene seine Schulter sogar kaum noch bewegen. Mitunter zeigen sich auch Schwellungen und Rötungen.

In den meisten Fällen kommt es nach einigen Jahren zum Auflösen der Kalkdepots. Weil dabei ein Entzündungsreiz auftritt, sind wiederum Schmerzen im Bereich des Möglichen. Manche Patienten leiden im weiteren Verlauf der Kalkschulter auch an einem Impingement-Syndrom.

Diagnose

Bei den meisten Patienten kann der Arzt im Rahmen der Untersuchung schon durch die geschilderten Beschwerden auf eine Kalkschulter schließen. Außerdem werden das Auftreten der Schmerzen sowie die Schulterbeweglichkeit getestet.

Um Kalkherde in der Schulter zu erkennen, liefert die Ultraschalluntersuchung eine zuverlässige und schnelle Diagnose. Mittels Ultraschall können sämtliche Sehnenbereiche dargestellt und die Lage der Kalkansammlungen sichtbar gemacht werden.

Auch per Röntgenbild ist eine Kalkschulter diagnostizierbar, allerdings sind oft Aufnahmen von mehreren Seiten nötig, um alle Kalkherde aufzuspüren.

Die Kernspintomographie als weitere Diagnosemöglichkeit gibt ebenfalls Aufschluss über das Ausmaß der Erkrankung. Häufig ist ein Kernspinbild jedoch zu ungenau und Mediziner veranlassen zusätzlich eine Untersuchung via Ultraschall oder Röntgen.

Durch die Bilder kann der Arzt auch das genaue Krankheitsstadium erkennen. Darüber hinaus ist es wichtig, andere Schultererkrankungen als Auslöser für die Beschwerden auszuschließen. Dazu gehören zum Beispiel ein Impingement-Syndrom, eine Sehnenentzündung oder eine Schulterarthrose.

Behandlung

Die Kalkschulter entsteht innerhalb von vier Phasen. In einigen Fällen heilt der betroffene Schulterbereich in der vierten Phase von selbst wieder, indem sich Narbengewebe bildet und den Kalkherd abdeckt. Doch gerade die zweite Phase kann bis zu mehrere Jahre andauern, wobei die Schmerzen immer stärker werden.

Wenn sich der Kalk von selbst löst, können ebenfalls extreme Schmerzen auftreten, die zum Teil unerträglich sind. Deshalb ist spätestens in der zweiten Phase eine gezielte Behandlung wichtig.

Die konservative Therapie besteht vor allem aus der Schonung und dem Kühlen des Schultergelenks sowie der Einnahme von entzündungshemmenden und schmerzlindernden Medikamenten.

Ebenso sind eine Akupunktur oder eine Röntgenbestrahlung denkbar.

Entzündungshemmende Medikamente und Physiotherapie

Akute Symptome einer Kalkschulter lassen sich mit entzündungshemmenden Medikamenten behandeln. Dabei handelt es sich zumeist um nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac. Außerdem besteht die Option, dass der Arzt lokale Betäubungsmittel oder Steroide in die Schulter spritzt.

Physiotherapeutische Maßnahmen fördern die Durchblutung, um die Beweglichkeit des Schultergelenks zu verbessern und den Kalkabtransport anzuregen. Patienten können zu Hause verschiedene Übungen machen, um den Heilungsprozess voranzutreiben.

Gleichmäßige Pendelbewegungen bei hängenden Armen mit einer Wasserflasche können hilfreich sein. Unterstützend wirken auch Wickel aus Kartoffeln oder Kohl. Kartoffel- oder Kohlsaft kann Entzündungen und Schmerzen lindern.

Stoßwellentherapie

Kommt es immer wieder zu Kalkansammlungen, setzen Ärzte häufig die Stoßwellentherapie ein. Mit einem Stoßwellengerät werden Akustik-Wellen direkt auf die Schmerzzonen mit dem Kalkherd geschickt, um Ablagerungen zu zertrümmern. Die Erfolgsquote der Stoßwellentherapie liegt bei rund 60 Prozent.

Arthroskopie

Führt die konservative Therapie nicht zur Besserung der Beschwerden, besteht die Möglichkeit einer operativen Arthroskopie (Gelenkspiegelung). Dabei erfolgt die Beseitigung der verkalkten Stellen in der Schulter.

Darüber hinaus ist das Aufweiten von verengten Stellen möglich. Nach der Entfernung der Kalkablagerungen kommt es in den meisten Fällen nicht wieder zu einer Kalkschulter.

Microinvasive Methode mit örtlicher Betäubung

Neben einem chirurgischen Eingriff unter Vollnarkose hat sich vor allem die microinvasive Methode mit örtlicher Betäubung bewährt, um Kalkherde zu entfernen. Bei diesen Verfahren werden Kalkansammlungen mit Ultraschallunterstützung ausgespült. Neue Studien bescheinigen diesem Verfahren hohe Erfolgschancen.

Die microinvasive Therapie ist eine Weiterentwicklung des Needlings, bei dem mit einer Nadel und einem Röntgenbildwandler der Kalkherd geöffnet wird, um eine Selbstauflösung anzuregen. Allerdings ist das Needling oft schwierig in der Durchführung, da der Kalkherd nicht leicht lokalisierbar ist, zudem werden Patienten häufig mit hoher Strahlung belastet.

Nach einem Eingriff sollten Betroffene zunächst einseitige Bewegungen und Zugluft vermeiden. Krankengymnastik, regelmäßige Saunabesuche und spezielle Schulterübungen beschleunigen den Heilungsprozess.

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