Kraniopharyngeom - Ursachen, Symptome, Behandlung und Prognose

Das Kraniopharyngeom ist ein gutartiger Hirntumor im Bereich der Hirnanhangsdrüse, der durch eine Fehlbildung im Gehirn besonders häufig im Kindesalter auftritt. Der Tumor wächst sehr langsam und macht sich erst spät durch Besschwerden wie Kopfschmerzen und Sehprobleme, vor allem aber Hormonstörungen bemerkbar. Erfahren Sie hier mehr über die Beschwerden, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten beim Kraniopharyngeom.

Von Jens Hirseland
Klassifikation nach ICD-10: D44
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Die Bezeichnung Kraniopharyngeom setzt sich aus dem lateinischen Begriff Cranium (Schädel) sowie den griechischen Begriffen Pharynx (Schlund) und Om (Tumor) zusammen. Gemeint ist damit ein gutartiger Hirntumor, der auch nach dem österreichischen Pathologen Jakob Erdheim (1874-1937) als Erdheim-Tumor bezeichnet wird.

Oftmals zeigt sich das Kraniopharyngeom schon im Kindesalter und ruft hormonelle Störungen, Kopfschmerzen oder Sehprobleme hervor.

Merkmale

Das Kraniopharyngeom wird von typischen Merkmalen geprägt. So besteht eine feste Umhüllung des Tumors durch eine Kapsel. Gefüllt ist diese Geschwulst zudem mit cholesterinhaltiger Flüssigkeit. In den festen Teilen der Zyste lagert sich Kalk ein.

Charakteristisch für das Kraniopharyngeom ist außerdem, dass es nur langsam wächst und keine Metastasen (Tochtergeschwülste) entstehen lässt.

Typen

In der Medizin wird zwischen verschiedenen Typen des Kraniopharyngeoms unterschieden. So gibt es das adamantinomatöse Kraniopharyngeom, das sich insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zeigt. Es enthält oftmals kleine Einschlüsse, die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Des Weiteren sind Kalk und Hornzellen enthalten, die sich bei bildgebenden Untersuchungsverfahren gut identifizieren lassen.

Den zweiten Typ stellt das papilläre Kraniopharyngeom dar, das in erster Linie bei erwachsenen Menschen auftritt, wobei es nur sehr selten verkalkt oder verhornt.

Die Behandlung beider Tumorformen verläuft trotz ihrer Unterschiedlichkeit gleich. Beide gelten als gutartige Tumore (Einstufung in WHO Grad I).

Ursachen

Die Bildung des Kraniopharyngeoms findet im Hirn über der Sella turcica (Türkensattel) statt. Bei dieser Vertiefung der Schädelhöhlenbasis ist auch die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) angesiedelt.

Farbige Darstellung des Gehirns
Die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse, rot dargestellt) hängt tropfenförmig unterhalb des Hypothalamus

Vor der Geburt des Menschen kommt es in dieser Region zur Bildung eines Ganges, der als Ductus craniopharyngeus oder Rathke-Tasche bezeichnet wird. Nach der Reifung des Gehirns verschwindet der Gang jedoch wieder. Bleibt Restgewebe zurück, besteht das Risiko, dass daraus krankhafte Wucherungen hervorgehen, wodurch es zu einem Kraniopharyngeom kommt.

Der genaue Grund für die Wucherungen der restlichen Zellen ist jedoch bislang nicht bekannt.

Zu den Beschwerden durch den Tumor kommt es infolge von Verdrängungen der Nachbarstrukturen.

Häufigkeit

Das Kraniopharyngeom erreicht im Jahr eine Häufigkeit von 0,5 bis 2 Neufällen je 100.000 Einwohner. Jeder zweite Tumor entsteht bereits in der Kindheit, was vorwiegend im Alter von 5 bis 10 Jahren geschieht. Bei Kindern erreicht das Kraniopharyngeom einen Anteil von bis zu vier Prozent sämtlicher Gehirntumore. Doch auch bei Erwachsenen kann sich der gutartige Tumor zeigen. Am häufigsten ist dies zwischen 50 und 75 Jahren der Fall. Grundsätzlich kommt das Kraniopharyngeom jedoch nur selten vor.

Symptome

Weil das Wachstum des Kraniopharyngeoms nur langsam voranschreitet, dauert es oft lange, bis sich die ersten Auswirkungen zeigen. Dies geschieht, nachdem der Tumor eine Größe erreicht hat, mit der er die angrenzenden Strukturen verdrängt, weil er immer mehr an Größe gewinnt.

Einige Beschwerden werden durch den Anstieg des Hirndrucks hervorgerufen. Kommt es zum Zusammendrücken der dritten Hirnkammer, hat dies zur Folge, dass das Zirkulieren des Gehirnwassers behindert wird, was wiederum das Ansteigen des Hirndrucks nach sich zieht. Bei anderen Symptomen findet eine örtliche Reizung des benachbarten Gehirngewebes durch den Tumor statt.

Zu den häufigsten Symptomen des Kraniopharyngeoms zählen:

In manchen Fällen leiden die Patienten auch unter Erbrechen in den Morgenstunden, was auf den erhöhten Hirndruck zurückzuführen ist.

Weil sich das Kraniopharyngeom in der Nähe des Sehnervs sowie von Hypothalamus und Hypophyse befindet, drohen außerdem Beschwerden wie:

  • Gesichtsfeldausfälle
  • Sehstörungen
  • Hormonelle Ausfälle, von denen betroffen sind.

Infolge des Hormonmangels kommt es bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen zu erheblichen Wachstumsverzögerungen. Schon beim ersten Geburtstag des Kindes liegen mitunter bereits Störungen der Wachstumsrate vor.

Ein typisches Merkmal stellen ferner Beeinträchtigungen der sekundären Geschlechtsmerkmale dar. Als weitere mögliche Folgeerscheinungen des Kraniopharyngeoms kommen Unterfunktionen von Nieren und Schilddrüse in Betracht. Außerdem ist das Auftreten von Diabetes insipidus möglich, was mit starkem Durst und großem Urinfluss einhergeht. Ebenso kann eine Fresssucht auftreten.

Insgesamt kann das Kraniopharyngeom trotz seiner Gutartigkeit zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität führen.

Diagnose

Ein Kraniopharyngeom zu diagnostizieren, ist nicht immer einfach. So kann einige Zeit vergehen, bis die Erkrankung sicher festgestellt wird. Als beste Anlaufstelle für eine Diagnose des gutartigen Tumors gilt ein Endokrinologe. Dabei handelt es sich um einen Facharzt für Hormonstörungen.

Zu Beginn der Untersuchung befragt der Arzt den Patienten nach dessen Beschwerden, um dadurch mögliche Anhaltspunkte zu gewinnen. Darüber hinaus nimmt er eine Messung der Hormonkonzentrationen in Speichel, Urin oder Blut vor.

Ein Hauptuntersuchungsverfahren stellt die Magnetresonanztomographie (MRT) dar, mit der der Arzt Ausmaß und Position des Tumors feststellen kann. Lässt sich eine Kernspintomographie nicht durchführen, besteht die Option einer Computertomographie (CT), mit der das Kraniopharyngeom aufgrund seiner charakteristischen Verkalkungen ebenfalls diagnostizierbar ist.

Im Falle von Sehstörungen oder Hirnnervenausfällen muss ein Augenarzt bzw. Neurologe hinzugezogen werden.

Magnetresonanztomograph
Mittels MRT-Aufnahmen kann der behandelnde Arzt den Tumor diagnostizieren

Therapie

Für die Therapie eines Kraniopharyngeoms stehen drei Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung:

Behandlung mit Medikamenten

Durch die Gabe von Medikamenten lässt sich das Kraniopharyngeom nicht beseitigen. Stattdessen wird mit ihnen ein Hormonmangel ausgeglichen, für den der Tumor verantwortlich ist. Mithilfe der Präparate werden Wachstumshormone, Schilddrüsenhormone, ADH oder Stresshormone ersetzt. Dabei muss die Behandlung vom Arzt regelmäßig überwacht werden.

Operative Therapie

Im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs soll das Kraniopharyngeom komplett entfernt werden. Dabei gilt es, angrenzende wichtige Körperstrukturen wie die Hypophyse, den Hypothalamus und den Sehnnerv nicht in Mitleidenschaft zu ziehen.

Allerdings kann das Kraniopharyngeom bei 70 bis 80 Prozent aller Patienten nicht vollständig aus dem Körper herausoperiert werden. Grund dafür ist, dass die Nachbarstrukturen bereits Beeinträchtigungen unterliegen, was vor allem bei Ausbreitungen in den Hypothalamus der Fall ist.

Aber selbst, wenn es scheinbar gelingt, den Tumor komplett zu entfernen, besteht das Risiko eines erneuten Auftretens, was in der Medizin als Rezidiv bezeichnet wird. Bei den Betroffenen ist dann zumeist eine weitere Operation erforderlich.

Handelt es sich nur um eine Zyste von geringer Größe, besteht die Option, das Kraniopharyngeom mit einer Punktion zu entfernen.

Strahlentherapie

Gelingt die vollständige Entfernung des Kraniopharyngeoms aus dem Körper nicht, schließt sich eine Strahlentherapie an, mit der dem Entstehen eines Rezidivs entgegengewirkt werden soll.

Bei Kindern fällt die Strahlendosis geringer aus als bei erwachsenen Patienten. Die Dauer der Behandlung beträgt mehrere Wochen.

Prognose

In den meisten Fällen nimmt das Kraniopharyngeom einen günstigen Verlauf. Allerdings richtet sich die Prognose danach, ob die Diagnose des Tumors zu einem frühen Zeitpunkt erfolgt und eine komplette Entfernung möglich ist.

Vor allem kleine Tumore lassen sich meist problemlos entfernen. Rund 80 bis 90 Prozent aller Patienten müssen jedoch aufgrund von Hormonausfällen für den Rest ihres Lebens Hormonersatzpräparate einnehmen.

Nach einer Operation samt anschließender Strahlenbehandlung liegt die Erfolgsrate zwischen 70 und 83 Prozent. Kommt es zu Störungen von Gedächtnis und Merkfähigkeit, lassen sich diese nur selten wieder rückgängig machen.

Bei ca. 30 Prozent aller Patienten tritt eine ausgeprägte Fettleibigkeit ein, was wiederum das Risiko von Folgeerkrankungen wie Diabetes mellitus nach sich zieht.

Prinzipiell ist eine lebenslange Nachsorge nötig.

Vorbeugung

Vorbeugende Maßnahmen gegen ein Kraniopharyngeom sind nicht bekannt. So ließen sich bislang die genauen Auslöser der Tumorerkrankung nicht feststellen.

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