Migräne bei Kindern
Migräne kann auch bei Kindern auftreten. Im Vergleich zur Migräne bei Erwachsenen äußert sich diese bei Kindern aber häufig durch ein anderes Beschwerdebild. Hauptsymptom ist auch Kindern ein Kopfschmerz, der bei ihnen allerdings woanders lokalisiert ist. Dazu kann eine Reihe weiterer Beschwerden auftreten. Da vor allem Kleinkinder anders als Erwachsene auf Medikamante und Therapiemaßnahmen reagieren, ist die Behandlung der Migräne bei Kindern anders zu handhaben als bei erwachsenen Patienten. Mehr zu den Auslösern, Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten beim Kind erfahren Sie in diesem Artikel.
Denkt man an Migräne, fallen einem in erster Linie Erwachsene ein. An Kinder wird dabei weniger gedacht. Doch ist das Leiden bei ihnen weiter verbreitet als allgemein angenommen. So zeigen sich zahlreiche Migränefälle bei Kindern.
Die Symptome der Migräne können dabei höchst unterschiedlich ablaufen. Bemerkbar macht sich die Migräne auch bei Kindern vorwiegend durch Kopfschmerzen. Bei Kindern kommen jedoch oft noch weitere Beschwerden wie Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Teilnahmslosigkeit hinzu. Ein weiterer Unterschied zu erwachsenen Patienten besteht darin, dass die Migräne bei Kindern den gesamten Kopf befällt.
Häufigkeit von Migräne bei Kindern
Schätzungen zufolge leiden rund drei bis vier Prozent aller Kinder unter Migräne. Besonders hoch fällt dieses Risiko aus, wenn schon bei Mutter oder Vater ebenfalls Migränebeschwerden auftraten.
Bevor die Pubertät einsetzt, leiden ebenso viele Jungen wie Mädchen unter Migräne. Nach dem Eintreten der Pubertät gehen die Beschwerden bei rund 50 Prozent aller Kinder wieder zurück, während der Rest der Betroffenen weiterhin mit Beschwerden zu kämpfen hat. Das weibliche Geschlecht ist dann häufiger betroffen als das männliche Geschlecht.
Ursachen von Migräne bei Kindern
Ebenso wie bei erwachsenen Patienten ließen sich auch bei Kindern die Ursachen für eine Migräne bislang nicht genau feststellen. Es wird vermutet, dass Vererbung eine wesentliche Rolle spielt. So zeigt sich Migräne oft mehrmals innerhalb von Familien.
Als wichtige Auslöser gelten zudem individuelle Trigger-Faktoren. Diese fallen im Prinzip wie bei erwachsenen Menschen aus. Allerdings bestehen auch Unterschiede. So wird Stress als wichtigster Trigger bei Kindern eingestuft. Im Unterschied zu Erwachsenen reagieren Kinder noch sensibler auf Stressfaktoren.
Physischer Stress
Kinder können bereits durch intensive körperliche Anstrengung unter Kopfschmerzen leiden. Es wird vermutet, dass dies auf eine ungenügende Aufnahme von Flüssigkeit in der Stresssituation zurückzuführen ist.
Aber auch niedriger Blutzucker gilt als Auslöser von Migräneattacken bei Kindern, da sie überaus sensible Reaktionen auf einen niedrigen Blutzuckerspiegel zeigen. Aus diesem Grund sollten Kindern zwei Stunden vor sportlichen Aktivitäten eine Mahlzeit mit reichlich Kohlenhydraten wie zum Beispiel Nudeln erhalten. Während des Sports ist außerdem die Zufuhr von genügend Wasser wichtig, um die Flüssigkeit zu ersetzen, die durch das Schwitzen verloren geht.
Psychische Belastung
Gefördert wird Migräne bei Kindern auch durch psychische Beanspruchung. Dabei kann es sich um
- Reizüberflutung durch elektronische Geräte,
- Probleme in der Familie,
- Leistungsforderungen in der Schule oder
- einen Mangel an Bewegung handeln.
Die Faktoren wirken sich belastend auf das Kind aus und begünstigen die Entstehung von Migräneattacken.
Schlafgewohnheiten
Auch der Schlaf hat Einfluss auf das Entstehen von Migräne bei Kindern. Dabei kann eine Attacke sowohl von zu wenig als auch von zu viel Schlaf ausgelöst werden. Das Schlafbedürfnis des Kindes richtet sich nach seinem jeweiligen Alter und fällt individuell äußerst verschieden aus.
- Für Babys bis zum ersten Lebensjahr gilt eine Schlafempfehlung von 13 bis 18 Stunden pro Tag
- Sinnvoll für Kinder zwischen ein und vier Jahren gelten 12 Stunden Schlaf täglich
- Bei älteren Kindern und Jugendlichen sind 9 bis 12 Stunden Schlaf ratsam
Leidet ein Kind unter Migräne, ist es wichtig, dass es die ganze Woche über seinen regelmäßigen Schlafrhythmus einhält, um weiteren Attacken vorzubeugen.
Physikalische Reizungen
Physikalische Reize wie Lichtveränderungen oder Lärm zum Beispiel durch laute Musik können ebenfalls verantwortlich für Migräneanfälle bei Kindern sein. Besonders auf Veränderungen der Lichtbedingungen reagieren Kinder sehr sensibel. So lösen mitunter schon blitzende Lichter einer Disco Migräne bei Jugendlichen aus.
Das Wetter
Zu den häufigsten Migränetriggern zählt das Wetter in Form von hoher Luftfeuchtigkeit und Temperaturschwankungen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, bei bevorstehenden Wetterveränderungen sein Verhalten an die jeweiligen Verhältnisse anzupassen. Dies gilt besonders bei warmem und schwülem Wetter, sodass mehr Erholungspausen einzulegen sind. In manchen Fällen lassen sich Migräneanfälle dadurch vermeiden.
Nahrungsmittel
Sogar bestimmte Nahrungsmittel können Migräneattacken bei Kindern hervorrufen, da diese sensibler als Erwachsene auf sie reagieren. Warum dies der Fall ist, ließ sich allerdings noch nicht feststellen. Es wird vermutet, dass spezielle Inhaltsstoffe eine entscheidende Rolle spielen.
Folgende Nahrungsmittel stehen im Verdacht, Migräneattacken bei Kindern auslösen zu können:
- Zitrusfrüchte
- Koffein
- Käse
- Eier
- Kuhmilch
- Tomaten
- Getreidesorten, die Gluten enthalten
- Fettreiche Nahrungsmittel wie Schweinefleisch, Salami oder Schinken
Chemische Reize
Auch chemische Reizstoffe üben mitunter einen negativen Einfluss auf Kinder aus. Diese Substanzen sind zumeist im ganz alltäglichen Umfeld zu finden. Dazu gehören vor allem:
- Qualm von Zigaretten
- Autoabgase
- Deodorants
- Klebstoffe
- Farbstoffe
- Gifte in Wohnungen wie Lösungsmittel oder Holzschutzmittel
Symptome für Migräne bei Kindern
Ein häufiges Problem bei Migräne bei Kindern ist, dass die Beschwerden oft nicht wahrgenommen werden. So sind zum Beispiel kleinere Kinder nicht imstande, ihre Symptome entsprechend zu beschreiben. Außerdem fallen die Anzeichen häufig nur unspezifisch aus, da sich der Kopfschmerz nur in geringer Intensität oder sogar überhaupt nicht zeigt.
Anstelle oder neben den Kopfschmerzen treten jedoch häufig Begleitsymptome zutage, unter anderem:
- Herzrasen
- Schwindelgefühle
- Übelkeit
- Erbrechen
- Rötungen der Haut
- Harndrang
- Durst
- Bauchschmerzen
- Anstieg der Körpertemperatur
Kopfschmerzen bei Migräneattacke
In der Regel dauert eine Migräneattacke bei Kindern ein bis sechs Stunden weniger als bei erwachsenen Patienten. Die Kopfschmerzen beschränken sich bei ihnen nicht nur auf eine Seite des Kopfes, sondern treten auf beiden Seiten auf. Dies gilt besonders für jüngere Kinder. In den meisten Fällen zeigen sich die Kopfschmerzen an den Schläfen, den Augen oder an der Stirn.
Als ungewöhnlich für Kinder gelten dagegen schmerzhafte Beschwerden im Hinterkopfbereich. In solchen Fällen ist eine rasche Untersuchung beim Arzt erforderlich.
Aura bei Kindern
Auch bei Kindern kann es im Rahmen eines Migräneanfalls zur Entstehung von neurologischen Auffälligkeiten wie einer Aura kommen. Als typisch für Kinder gilt eine Migräne-Aura, die mit ungewöhnlichen Formen und bunten Farben einhergeht. Ebenso möglich sind Sehstörungen wie Flimmern vor den Augen oder Lichtblitze. In der Medizin ist dann von einem "Alice-im-Wunderland-Syndrom" die Rede.
Während oder nach der Aura können weitere Begleiterscheinungen auftreten wie Kribbeln in den Gliedmaßen, Taubheitsgefühle, Sprachstörungen und Lähmungen. Diese Begleitsymptome sind in der Regel nur vorübergehend und zeigen sich bevor die Kopfschmerzen einsetzen. Sie können 30 bis 60 Minuten anhalten und hinterlassen keinerlei neurologische Schäden.
Diagnose einer Migräne beim Kind
Besteht der Verdacht, dass das eigene Kind unter Migräne leidet, sollte der Kinder- oder Hausarzt zu Rate gezogen werden. Allerdings ist es oft gar nicht so einfach, Migräne bei einem Kind festzustellen. So verfügen kleine Kinder normalerweise noch nicht über die Fähigkeit, ihre Leiden deutlich zu beschreiben. Manchmal können Migräneattacken sogar schon auftreten, wenn das Kind die Sprache noch gar nicht beherrscht.
Erster Schritt der Diagnose ist die Erfassung der Krankengeschichte. Vor allem bei kleineren Kindern sind dann die Aussagen der Eltern wichtig. Hilfreich können zudem Auskünfte von Angehörigen, Freunden oder Betreuern sein, die über Verhaltensauffälligkeiten informieren. Größere Kinder befragt der Arzt selbst. Dabei erkundigt er sich danach, seit wann die Beschwerden bestehen, an welchen Stellen Schmerzen auftreten und ob sie sich nach bestimmten Situationen zeigen.
Körperliche Untersuchung
Im Anschluss an die Anamnese untersucht der Arzt das Kind körperlich. Dabei achtet er insbesondere auf neurologische Auffälligkeiten wie Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, Augenprobleme oder Besonderheiten bei der Motorik. Darüber hinaus wird abgeklärt, ob körperliche und geistige Entwicklung mit dem Alter des Kindes übereinstimmen.
Zum Ausschluss von anderen Ursachen für die Kopfschmerzen lassen sich weitere Untersuchungsmethoden wie eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchführen.
Kopfschmerztagebuch
Als sinnvolle Maßnahme gilt das Anlegen eines sogenannten Kopfschmerztagebuchs, welches das Kind zu jedem Arztbesuch mitbringt. In dem Tagebuch wird schriftlich festgehalten, zu welchem Zeitpunkt die Kopfschmerzen sich zeigen, wie lange sie andauern und ob weitere Symptome auftreten.
Durch die Angaben in dem Kopfschmerztagebuch erhält der Arzt die Möglichkeit, die Migräne leichter zu diagnostizieren. Ebenso lassen sich andere Krankheiten besser ausschließen. Dem Kind helfen die Eintragungen, individuelle Trigger-Faktoren zu erkennen und zu vermeiden.
Therapie der Migräne bei Kindern
Im Unterschied zur Therapie von erwachsenen Migräne-Patienten dürfen Kinder bestimmte Medikamente nicht einnehmen. Dazu zählen zum Beispiel Metoclopramid oder Acetylsalicylsäure (ASS). Die Medikamente, die ein Kind gegen die Migräne erhält, wählt der Arzt individuell aus. Dabei berechnet er auch die passende Dosis.
Grundsätzlich findet die Behandlung der Migräne durch eine Kombination von Arzneimitteln und nicht-medikamentösen Mitteln statt.
Migräne-Behandlung ohne Medikamente
Zur nicht-medikamentösen Therapie der Migräne bei Kindern stehen verschiedene Verfahren wie
- Autogenes Training,
- Wärmeanwendungen,
- Biofeedback oder
- Entspannungsmethoden
zur Verfügung. Mit diesen Therapieansätzen können akute Anfälle behandelt, aber auch vermieden werden.
Die DMKG (Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft) stuft die nicht-medikamentösen Methoden als ebenso wirkungsvoll ein wie die Gabe von vorbeugenden Medikamenten. Vor allem das Biofeedback gilt als hilfreich bei Kindern und Jugendlichen.
Kommt es zu einem akuten Migräneanfall, ist es wichtig, dass das Kind Ruhe erhält. So sollte es in einem abgedunkelten Raum ohne Geräusche von Fernseher oder Radio untergebracht werden. Es besteht das Risiko, dass die Kopfschmerzen durch diese Geräte noch verstärkt werden. Sinnvoll sind dagegen einige Stunden Schlaf.
Zur Linderung der Symptome kann ein kühles Tuch auf die Stirn gelegt werden. Manchen Kindern ist aber auch ein warmer Lappen lieber. Als hilfreich gilt auch eine Nackenmassage mit Pfefferminzöl, das sich jedoch nicht für Kleinkinder eignet. Normalerweise geht die Migräne durch die Behandlungsmaßnahmen schon bald wieder vorüber.
Arzneimittel gegen Migräne
Müssen Medikamente gegen die Migräne zur Anwendung kommen, ist es wichtig, sie so früh wie möglich darzureichen. In manchen Fällen kann ein Migränefanfall noch aufgehalten werden, wenn die Gabe der Arzneimittel bei den ersten Beschwerden erfolgt.
Zu Beginn der Migräneattacke wird zumeist ein Antiemetikum verabreicht. Es geht gegen die Übelkeit vor und verstärkt die positiven Effekte der Schmerzmittel. Kinder erhalten in der Regel das Antiemetikum Domperidon, das als Tablette oder Zäpfchen erhältlich ist. Die passende Dosis wird vom Arzt bestimmt und richtet sich nach dem Körpergewicht des Kindes. Sie darf keinesfalls zu hoch ausfallen, da sonst Nebenwirkungen drohen.
Rund eine Viertelstunde nach der Gabe des Antiemetikums erhält das Kind ein Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen. Auf die bei Erwachsenen beliebte Acetylsalicylsäure (ASS) muss bei Kindern dagegen verzichtet werden, weil das Schmerzmittel das lebensgefährliche Reye-Syndrom hervorrufen kann.
Bewirken die verabreichten Schmerzmittel keine Besserung der Beschwerden, kommt auch die Anwendung von Triptanen oder Ergotaminen in Betracht. Allerdings ist es ratsam, diese Medikamente bei Kindern mit Vorsicht zu verabreichen. Normalerweise erfolgt ihre Darreichung zudem erst ab dem 12. Lebensjahr.
Prognose der Migräne bei Kindern
Bei vielen Kindern lässt sich eine positive Prognose der Migräne stellen. Ungefähr die Hälfte von ihnen leidet aber auch im Erwachsenenalter wiederholt unter Attacken, während bei der anderen Hälfte die Beschwerden während der Pubertät verschwinden. In manchen Fällen können sie jedoch zu einem späteren Zeitpunkt erneut auftauchen. Nur rund 25 Prozent aller Kinder bleiben im Erwachsenenalter auf Dauer von weiteren Migränebeschwerden verschont.
Vorbeugung von Migräne beim Kind
Um Migräneanfällen bei Kindern vorzubeugen, können präventiv Medikamente dargereicht werden. Allerdings gilt deren Anwendung als komplizierter als bei erwachsenen Patienten. Daher ist es wichtig, die Migräneprophylaxe mit dem Arzt zu besprechen.
Zu den Prophylaxewirkstoffen gehören:
- Pizotifen
- Amitriptylin
- Flunarizin
- Betablocker wie Propranolol oder Metoprolol
Es darf immer nur jeweils ein Migränepräparat verabreicht werden. Von einer Kombination aus unterschiedlichen Mitteln ist abzusehen.
- BASICS Pädiatrie, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2019, ISBN 3437422197
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