Morbus Osler - Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT)
Als Morbus Osler wird eine seltene Gefäßkrankheit bezeichnet; sie wird u.a. auch Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT) oder Osler-Syndrom genannt. Dabei kommt es zu einer krankhaften Erweiterung der Blutgefäße, die sich durch kleine rote Flecken an unterschiedlichen Körperstellen, beispielsweise im Gesicht, an den Lippen oder etwa an den Fingerspitzen zeigen. Auch innere Organe können betroffen sein. Bei der Behandlung der unheilbaren Erkrankung konzentriert man sich auf die Behandlung der Symptome. Lesen Sie in diesem Artikel alles Wissenswerte über Morbus Osler.
Krankheitsbild
Bei Morbus Osler handelt es sich um eine autosomal-dominante Erbkrankheit. Sie ist auch unter den Bezeichnungen
- Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT)
- Osler-Syndrom
- Morbus Osler-Rendu-Weber oder
- Morbus Osler-Weber-Rendu
bekannt. Als Namensgeber der Gefäßkrankheit diente der kanadische Mediziner William Osler (1849-1919), der als Vater der modernen Medizin gilt. Osler beschrieb die Erkrankung im Jahre 1901.
Die Bezeichnungen Morbus Osler-Weber-Rendu bzw. Morbus Osler-Rendu-Weber sind darauf zurückzuführen, dass die Gefäßveränderungen und Blutungen, die bei Morbus Osler typischerweise auftreten, von dem britischen Arzt Frederick Parkes Weber (1863-1962) und dem französischen Internisten Henri Rendu (1844-1902) beschrieben wurden.
Vorkommen
Morbus Osler zählt zu den seltenen Krankheiten. So kommt es nur bei 5.000 bis 10.000 Menschen zu einem Krankheitsfall.
Die Erbkrankheit zeigt sich bei Männern und Frauen in gleichem Maße. In Deutschland sind ca. 35.000 Bundesbürger von Morbus Osler betroffen.
Typisch für Morbus Osler ist die Ausbildung von Wandausbuchtungen innerhalb der kleinen Blutgefäße, was Mediziner als Teleangiektasien bezeichnen. Außerdem kommt es zu Kurzschlussverbindungen zwischen den Arterien und den Venen.
Bemerkbar machen sich die Gefäßveränderungen durch kleine, rote Flecken, die sich vor allem
- im Gesicht
- an der Mundschleimhaut
- an der Nasenschleimhaut
- an den Lippen und
- an den Fingerspitzen
zeigen. Mit steigendem Lebensalter nimmt auch die Anzahl dieser Flecken zu. Doch auch innere Organe können von den Gefäßveränderungen in Mitleidenschaft gezogen werden, wodurch die Gefahr
- einer Herzschwäche
- eines Schlaganfalls oder
- von lebensgefährlichen Blutungen
besteht. Auch der Magen-Darm-Trakt sowie die Lunge kann bei Morbus Osler betroffen sein.
Ursachen
Die Ursachen von Morbus Osler sind erblich bedingt. So wird die Erkrankung durch einen Gendefekt ausgelöst. Dabei handelt es sich um zwei Gene, die auf dem Chromosom 9 bzw. auf dem Chromosom 12 zu finden sind.
Die betroffenen Gene bezeichnet man als Endoglin-Gen, das sich auf dem Chromosom 9 befindet, und als ALK-1-Gen, das auf dem Chromosom 12 liegt. Diese beiden Gene sind wichtig für die Innenauskleidung der Blutgefäße.
Ein Gendefekt hat negative Auswirkungen auf die Kapillaren zwischen den Arterien und den Venen. So werden die Wände der Kapillaren dünner, was eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit zur Folge hat.
Außerdem prägen sich zwischen den Venen und Arterien Fehlbildungen aus. Aus diesem Grund bezeichnen Mediziner Morbus Osler häufig auch als hereditäre hämorrhagische Teleangiektase. "Hereditär" bedeutet "erblich", "Hämorrhagie" steht für "Blutung" und mit Teleangiektasie wird die Endgefäßerweiterung bezeichnet.
Die Vererbung der Erkrankung erfolgt autosomal-dominant. Das heißt, wenn die Veranlagung für Morbus Osler bei einem Elternteil besteht, kommt es über das Erbgut bei etwa der Hälfte aller Kinder zur Weitervererbung der Krankheit. Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle.
Symptome
Die Symptome, die bei Morbus Osler auftreten, können sich individuell deutlich unterscheiden. So werden manche Patienten durch die Krankheit kaum beeinträchtigt, da sie nur leichte Beschwerden verspüren. In manchen Fällen sind die Symptome jedoch so stark ausgeprägt, dass ein Krankenhausaufenthalt zur Behandlung nötig ist.
Zu den typischen Symptomen von Morbus Osler zählen
- deutlich erweiterte Blutgefäße in der Haut und den Schleimhäuten
- häufiges Nasenbluten sowie
- eine Anämie (Blutarmut),
die durch ständige Blutungen hervorgerufen wird. Bei einigen Erkrankten kommt es auch zu Gefäßveränderungen in der Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes, was Magenblutungen oder Darmblutungen zur Folge haben kann. Ungefähr 5-20 Prozent aller Patienten leiden unter arterio-venösen Kurzschlüssen
- im Verdauungstrakt
- in der Lunge oder
- im Gehirn.
In der Regel zeigen sich die Gefäßveränderungen erstmals während der Pubertät oder im Erwachsenenalter. Besonders betroffen von den Teleangiektasien sind das Gesicht und die Fingerkuppen.
Die 1-4 Millimeter großen Flecken, die dabei entstehen, weisen eine rötliche oder blau-violette Färbung auf. Bis zum Alter von 50 Jahren steigt die Anzahl der Flecken kontinuierlich an.
Mögliche Folgen
Bei Veränderungen an den Hirngefäßen besteht die Gefahr, dass es zu
kommt. Sind die Lungengefäße betroffen, führt dies bei Anstrengung zu Atemnot. Zudem kann es zur Entstehung von Abszessen kommen, da die natürliche Filterfunktion der Lunge gestört ist und somit Bakterien leichter eindringen können.
Bei Darmblutungen ist der Stuhl oft blutig oder schwarz verfärbt. Kommt es zu Hirngefäßerweiterungen, leiden die Betroffenen unter Kopfschmerzen.
Diagnose
Eine wichtige Rolle bei der Diagnose von Morbus Osler spielen die Krankengeschichte des Patienten sowie die typischen Symptome, die bei der Gefäßkrankheit auftreten. So überprüft der Arzt, ob es in der Familie des Betroffenen zuvor schon Fälle von Morbus Osler gab und ob der Patient unter roten Flecken an bestimmten Körperstellen und häufigen Nasenbluten leidet.
Mithilfe von bildgebenden Verfahren wie
- einer Sonografie (Ultraschalluntersuchung)
- einer Angiographie oder
- einer Computertomographie (CT)
lassen sich Gefäßveränderungen an den inneren Organen feststellen. In manchen Fällen kann auch eine Endoskopie durchgeführt werden. Sicheren Aufschluss über die Erbkrankheit gibt ein Bluttest, mit dem man Veränderungen am Erbgut nachweist.
Behandlung
Eine Heilung von Morbus Osler ist leider nicht möglich. Allerdings können die Symptome der Krankheit wirksam bekämpft werden.
Die Art der Behandlung richtet sich nach den jeweiligen Beschwerden. So kann gegen häufiges Nasenbluten eine Lasertherapie zur Anwendung kommen, bei der man die betroffenen Gefäße mit einem Laserstrahl verödet. Allerdings bringt diese Methode nur kurzfristigen Erfolg.
Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, ist eine Hauttransplantation erforderlich. Das heißt, dass die betroffene Nasenschleimhaut durch Haut von einer anderen Körperregion ersetzt wird. Dabei kann es sich beispielsweise um Haut vom Oberschenkel handeln.
Der Patient selbst hat die Möglichkeit, Nasenbluten mit einer Tamponade zu stoppen oder ihm durch eine regelmäßige Behandlung mit einer Creme vorzubeugen. Auf Schnäuzen sollte verzichtet werden. Kommt es zu Magen-Darmblutungen, lässt sich auch in diesem Fall eine Lasertherapie durchführen.
Bei Kurzschlussverbindungen zwischen Arterien und Venen besteht die Option, die Gefäßverbindungen angiographisch zu schließen, indem der Arzt Metallspiralen einbringt. In manchen Fällen kann auch eine Operation erforderlich sein, bei der die betroffenen Bereiche entfernt werden. Entwickelt sich durch Morbus Osler eine Blutarmut, erhält der Patient Eisenpräparate.
Betroffene Gefäße im Magen-Darm-Trakt können verödet werden. Doch ist deren Anzahl zu hoch, wendet man eine medikamentöse Therapie an. Entsprechende Mittel dienen dazu, das Gefäßwachstum zu reduzieren.
- Gesundheits- und Krankheitslehre: Lehrbuch für die Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege, Springer Medizin Verlag, 2013, ISBN 9783642369834
- Medizinwissen von A-Z: Das Lexikon der 1000 wichtigsten Krankheiten und Untersuchungen, MVS Medizinverlage Stuttgart, 2008, ISBN 3830434545
- Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen, Thieme Verlagsgruppe, 2008, ISBN 9783131429629
- Netter's Innere Medizin, Thieme Verlagsgruppe, 2000, ISBN 3131239611
- Innere Medizin 2019, Herold, 2018, ISBN 398146608X
- Innere Medizin 2020, Herold, 2019, ISBN 3981466098
- Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165
- Praxisleitfaden Allgemeinmedizin: Mit Zugang zur Medizinwelt (Klinikleitfaden), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437224476
- Grundwissen Medizin: für Nichtmediziner in Studium und Praxis, UTB GmbH, 2017, ISBN 3825248860
- BASICS Pädiatrie, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2019, ISBN 3437422197
Unsere Artikel werden auf Grundlage fundierter wissenschaftlicher Quellen sowie dem zum Zeitpunkt der Erstellung aktuellsten Forschungsstand verfasst und regelmäßig von Experten geprüft. Wie wir arbeiten und unsere Artikel aktuell halten, beschreiben wir ausführlich auf dieser Seite.