Prader-Willi-Syndrom - Ursachen, Symptome und Behandlung
Das Prader-Willi-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung. Die Diagnose erfolgt durch einen Gentest.
Krankheitsbild
Beim Prader-Willi-Syndrom (PWS) handelt es sich um eine Behinderung, die auf dem beschädigten Chromosom 15 beruht; hier liegt eine angeborene Genmutation vor. Die Auswirkungen ist eine Funktionsstörung des Zwischenhirns, die sich in kognitiven, stoffwechselbezogenen und körperlichen Symptomen zeigt. Andere Bezeichnungen für die Erkrankung sind
- Prader-Labhard-Willi-Fanconi-Syndrom
- Urban-Rogers-Meyer-Syndrom und
- Urban-Syndrom.
Ursachen
Obwohl das Prader-Willi-Syndrom eine angeborene Krankheit ist, spricht man hier nicht von einer Erbkrankheit. Bei fast allen Patienten kann ein Gendefekt nachgewiesen werden, der jedoch nicht zwangsläufig vererbt wird.
Verlauf
Die meisten Patienten mit dem Prader-Willi-Syndrom erreichen keine normale Lebenserwartung. Dies liegt jedoch hauptsächlich an den zahlreichen Begleiterkrankungen, die die Krankheit mit sich bringt.
Während der Hormonmangel im Körper noch gut behandelt werden kann, können Krankheiten wie die Zuckerkrankheit oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Tode führen. Patienten mit Prader-Willi-Syndrom leiden meist unter Unfruchtbarkeit, die auch nicht behandelt werden kann.
Symptome
Babyalter
Da das Prader-Willi-Syndrom angeboren ist, kann man bereits bei noch ungeborenen Babys im Mutterleib erste Symptome der Krankheit erkennen: Die Babys bewegen sich im Bauch der Mutter weniger als andere gesunde Kinder. Dies kann auch die Mutter spüren.
Ist das Baby dann geboren, bewegt es sich auch dann weniger als gesunde Babys, da die Muskeln wesentlich schlaffer sind. Zusätzlich trinken die Babys nur äußerst schlecht, da sie nicht richtig saugen können. Dies hat zur Folge, dass die Babys oft künstlich ernährt werden müssen.
Oftmals zeigt sich das Prader-Willi-Syndrom auch durch eine Geschlechtsanomalie, die teilweise bereits während der Schwangerschaft durch eine Ultraschalluntersuchung diagnostiziert werden kann. Die Babys sind insgesamt ruhiger als andere Kinder und schlafen sehr viel.
Kindesalter
Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich das Kind langsamer als andere gesunde Kinder. Auch die geistige Entwicklung bleibt zurück. Kinder mit Prader-Willi-Syndrom essen zwar dann normal, haben jedoch starkes Übergewicht, da sie ständig Hunger haben.
Das Hungergefühl kann auch nicht kontrolliert werden. Weiteres Symptom der Krankheit ist eine Kleinwüchsigkeit, die sich auch durch extrem kleine Füße und Hände äußert.
Pubertät
Die körperlichen Veränderungen während der Pubertät sehen bei Kindern und Jugendlichen mit dem Prader-Willi-Syndrom unterschiedlich aus. Teilweise bekommen die jungen Frauen erst im Erwachsenenalter ihre erste Regelblutung und Körperbehaarung. In der Pubertät nehmen die meisten Patienten wieder an Gewicht ab, so dass sich das zuvor bestehende starke Übergewicht ein wenig ausgleichen kann.
Erwachsene
Viele Patienten mit dem Prader-Willi-Syndrom sind unfruchtbar und können somit keine Kinder bekommen bzw. zeugen. Im Laufe ihres Lebens leiden viele Patienten unter Osteoporose, was sich durch häufige Knochenbrüche äußert.
Neben diesen Symptomen zeigt sich das Prader-Willi-Syndrom durch Begleiterkrankungen wie Diabetes, Schielen oder eine Schilddrüsenerkrankung. Ein ungewöhnliches Symptom besteht darin, dass die Patienten verdorbene Nahrungsmittel oder noch nicht aufgetaute Lebensmittel verzehren. Ihr Essverhalten ist somit auch krankhaft gestört.
Diagnose
Die Diagnose wird in der Regel entweder noch während der Schwangerschaft oder im Säuglingsalter gestellt. Der Kinderarzt entnimmt ein wenig Blut und prüft, ob Veränderungen an den Chromosomen festzustellen sind.
Da das Prader-Willi-Syndrom eine angeborene Erkrankung ist, können hier entsprechende Chromosomenveränderungen diagnostiziert werden. Zusätzlich werden weitere Werte im Blut bestimmt, wie zum Beispiel die Schilddrüsenwerte oder auch bestimmte Hormonwerte.
Patienten mit Prader-Willi-Syndrom müssen auch nach Diagnosenstellung noch ärztlich überwacht werden, um Folgeerkrankungen rechtzeitig diagnostizieren zu können. Der Arzt
- führt dazu weitere Untersuchungen wie zum Beispiel einen Ultraschall der Organe und der Schilddrüse durch,
- kontrolliert regelmäßig Blutzucker
- macht ein EKG und
- misst den Blutdruck usw.
Die Diagnose des Prader-Willi-Syndroms lässt sich auch anhand bestimmter Haupt- und Nebenkriterien bestimmen. Dabei müssen Betroffene unter drei Jahren mindestens fünf (davon mindestens vier Hauptkriterien), ältere Patienten insgesamt mindestens acht (davon mindestens fünf Hauptkriterien) erfüllen.
Zu den Hauptkriterien zählen:
- Fütterungsprobleme
- muskuläre Hypotonie
- typische Gesichtsmerkmale (mandelförmige Augen, herabgezogene Mundwinkel, Dolichocephalie)
- eine enorme Gewichtszunahme nach dem ersten Lebensjahr
- Kleinwüchsigkeit
- Hypopigmentierung
- ein übermäßig großer Appetit
- Entwicklungsverzögerungen
- Hypogonadismus (eine Funktionsstörung der Hoden)
- eine Mutation des 15. Chromosoms
Als Nebenkriterien gelten:
- Verhaltensauffälligkeiten
- verminderte Kindsbewegungen während der Schwangerschaft
- Fehlsichtigkeit
- Schlafapnoen
- zäher Speichel
- übermäßiges Hautkratzen
- kleine Hände und Füße
- Artikulationsprobleme
Behandlung
Medikamente zur Behandlung des Prader-Willi-Syndroms gibt es nicht. Die Ärzte können daher nur die Symptome der Krankheit behandeln und lindern.
Da die Patienten krankheitsbedingt unter starkem Übergewicht leiden, besteht ein Teil der Therapie in der Gewichtsreduktion. Dies kann auch schwere Folgeerkrankungen vermeiden.
Zusätzlich erhalten die Patienten frühzeitig Medikamente zum Ausgleich des bestehenden Hormonmangels. Beispielsweise verordnen die Ärzte Wachstumshormone, um den Kleinwuchs auszugleichen.
Auch gegen andere Symptome können Medikamente verordnet werden, die die Krankheit jedoch nur lindern können, niemals heilen. Im Kindesalter erhalten die kleinen Patienten logopädische Behandlungen sowie Krankengymnastik.
Vorbeugung
Vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung des Prader-Willi-Syndroms gibt es nicht, da die Krankheit auf einen Gendefekt beruht. Die Krankheit sollte möglichst früh erkannt werden, damit sofort mit einer entsprechenden Therapie begonnen werden kann.
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- Grundwissen Medizin: für Nichtmediziner in Studium und Praxis, UTB GmbH, 2017, ISBN 3825248860
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- Gesundheits- und Krankheitslehre: Lehrbuch für die Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege, Springer Medizin Verlag, 2013, ISBN 9783642369834
- Medizinwissen von A-Z: Das Lexikon der 1000 wichtigsten Krankheiten und Untersuchungen, MVS Medizinverlage Stuttgart, 2008, ISBN 3830434545
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- Innere Medizin 2020, Herold, 2019, ISBN 3981466098
- Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165
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