Somatoforme Störung (Somatisierungsstörung) - Ursachen, Merkmale und Behandlung

Unter einer somatoformen Störung versteht man das Vorliegen von unterschiedlichen körperlichen Beschwerden ohne eine organische Ursache. Sie entsteht durch seelische Belastungen.

Von Jens Hirseland

Krankheitsbild

In der Medizin wird eine somatoforme Störung auch als

bezeichnet. Dabei handelt es sich um unterschiedliche physische Symptome, welche wiederholt oder über mehrere Jahre auftreten, die sich jedoch nicht auf organische Ursachen zurückführen lassen. Eine somatoforme Störung kann an jedem Organ und Körperteil auftreten.

Frauen sin häufiger betroffen. Die Erkrankng tritt üblicherweise im frühen Erwachsenenalter auf. Die betroffenen Personen selbst sind absolut überzeugt davon, unter einer körperlichen Erkrankung zu leiden.

Da sie oftmals psychische Gründe als Ursache für ihre Beschwerden nicht akzeptieren, wechseln sie immer wieder den Arzt. Nicht selten ist eine somatoforme Störung mit psychiatrischen Krankheiten wie Depressionen oder Angstzuständen verbunden.

Formen

Somatoforme Störungen lassen sich in unterschiedliche Formen unterteilen. Dazu gehören vor allem

  • die hypochondrische Störung
  • die somatoforme Schmerzstörung und
  • die Somatisierungsstörung.

Hypochondrische Störung

Von einer hypochondrischen Störung spricht man, wenn die Patienten physisch definitiv gesund sind, aber selbst glauben, unter einer schweren Krankheit zu leiden. Dabei befassen sie sich ausführlich mit ihren Beschwerden, was häufig ihr Arbeits- und Sozialleben beeinträchtigt.

Somatoforme Schmerzstörung

Bei einer somatoformen Schmerzstörung leiden die Patienten unter starken, chronischen Schmerzen, für die sich keine körperliche Ursache finden lässt. Die Patienten empfinden die an unterschiedlichen Körperstellen auftretenden Schmerzen jedoch so intensiv, dass ihr gesamtes Leben davon beherrscht wird. Dass seelische Probleme die eigentliche Ursache für ihre Beschwerden sind, wollen die Betroffenen nicht glauben.

Somatisierungsstörung

Eine Somatisierungstörung tritt vorwiegend bei Frauen auf. Dabei kommt es über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren zu unerklärlichen körperlichen Beschwerden. Ärzte teilen die Somatisierungsstörung in mehrere Subformen ein wie

  • die somatoforme autonome Funktionsstörung
  • die undifferenzierte Somatisierungsstörung und
  • die anhaltende somatoforme Störung.

Ursachen

Die genauen Ursachen für eine somatoforme Störung ließen sich bislang nicht eindeutig klären. Es wird vermutet, dass ein Zusammenwirken von mehreren Faktoren eine Rolle bei ihrer Entstehung spielt.

Experten gehen davon aus, dass die physischen Beschwerden die Folge eines ungelösten psychischen Konfliktes sind. Oftmals entstehen die Symptome aufgrund von intensiver emotionaler Erregung.

So gilt eine somatoforme Störung als interaktives Phänomen, das durch lebensgeschichtliche, soziale und biologische Einflüsse hervorgerufen wird. Oftmals treten somatoforme Störungen gehäuft in Familien auf.

Risikofaktoren

Es gibt bestimmte Risikofaktoren für eine somatoforme Störung. Dazu gehören vor allem

  • unbewältigte seelische Konflikte
  • emotionaler Stress
  • Unzufriedenheit mit sich selbst
  • Verzweiflung
  • Wut und
  • traumatische Vorkommnisse.

Als besonders gefährdet für eine somatoforme Störung gelten ängstliche und selbstunsichere Menschen, die sich hilflos und wertlos fühlen, sowie Personen, die nur schwer ihre Emotionen ausdrücken können.

Symptome

Die Symptome bei einer somatoformen Störung sind mannigfaltig und können an jeder Stelle des Körpers auftreten. So leiden die betroffenen Personen zum Beispiel unter Herzrasen sowie Druckgefühlen oder Schmerzen in der Brust, Magen-Darm-Problemen wie

aber auch

In den meisten Fällen verschwinden die Beschwerden von selbst wieder. Bei ca. 10 Prozent aller Patienten nehmen sie jedoch einen chronischen Verlauf und führen zu erheblichen Beeinträchtigungen des Alltags. Dabei können sich die Symptome auch wandeln und auf einmal vollkommen andere Stellen des Körpers betreffen. Obwohl die Beschwerden keineswegs eingebildet sind, lässt sich keine körperliche Ursache für sie finden.

Diagnose

Eine somatoforme Störung zu diagnostizieren, ist nicht immer leicht. So gilt es, bestimmte körperliche Erkrankungen definitiv als Ursachen für die Beschwerden auszuschließen. Zu diesem Zweck werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt wie beispielsweise

Um sicher die Diagnose somatoforme Störung stellen zu können, müssen zudem bestimmte Kriterien zutreffen.

  • Das heißt, dass die Beschwerden seit mindestens zwei Jahren bestehen und keine physischen Ursachen haben.
  • Außerdem sollten wenigstens sechs Symptome aus zwei unterschiedlichen Organgruppen vorliegen.
  • Des Weiteren ist es wichtig, depressive Störungen auszuschließen, die ebenfalls körperliche Beschwerden ohne einen physischen Anlass auslösen können.

Behandlung

Die Behandlung einer somatoformen Störung erfolgt durch eine Psychotherapie. Dabei ist es wichtig, dass der Patient ein plausibles Krankheitsmodell erhält, denn seine Motivation ist für den Erfolg der Therapie von größter Bedeutung.

Nur wenn der Patient das Krankheitsmodell verinnerlicht, ist es möglich, mit dem nächsten Schritt der Behandlung zu beginnen. Dies ist jedoch nicht immer einfach, da die meisten Patienten nicht daran glauben, dass ihre Leiden einen psychischen Hintergrund haben.

Daher muss der Therapeut die Beschwerden der Patienten unbedingt ernstnehmen und darf nicht daran zweifeln, dass sie existieren. Auf diese Weise kann er das Vertrauen des Patienten gewinnen. Zu den Therapiezielen zählen

  • der Abbau des Problemverhaltens bzw. der Symptome
  • der Aufbau von einem alternativen Verhalten zum Krankheitsverhalten
  • der Aufbau von (sozialer) Kompetenz sowie
  • der Aufbau von Potenzial zur Selbsthilfe.

Entspannungsmethoden und Medikamente

Wichtig ist auch, den psychosozialen Stress zu vermindern. Als hilfreich dazu gelten bewährte Entspannungsmethoden wie die progressive Muskelentspannung. Darüber hinaus können auch Medikamente wie Antidepressiva oder angstlösende Mittel zur Anwendung kommen.

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