Trichotillomanie - das zwanghafte Ausreißen der eigenen Haare

Als Trichotillomanie bezeichnet man eine Impulskontrollstörung. Dabei reißen sich die Betroffenen die eigenen Haare aus.

Von Jens Hirseland
Klassifikation nach ICD-10: F63.3
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Nicht immer werden kahle Stellen am Kopf durch Haarausfall verursacht. So reißen Menschen, die unter Trichotillomanie leiden, sich die Kopf- oder Körperhaare selbst aus.

Der Begriff "Trichotillomanie" stammt aus dem Griechischen. Er setzt sich zusammen aus "Haar" (thrix), "Rupfen" (tillein) und "Wahnsinn" (Mania). Schätzungsweise leiden etwa 1,5 Millionen Menschen unter dieser Störung der Impulskontrolle.

Geprägt wurde die Bezeichnung Trichotillomanie von dem französischen Hautarzt Francois Henri Hallopeau (1842-1919) im Jahre 1887. Seinerzeit sah man das Ausreißen der Haare jedoch fälschlicherweise als schlechte Angewohnheit an. So dauerte es bis ins späte 20. Jahrhundert, bis die Trichotillomanie als Krankheitsbild und komplexe psychische Störung eingestuft wurde.

Ursachen

Wodurch die Trichotillomanie verursacht wird, ließ sich bislang noch nicht eindeutig klären. Als mögliche Gründe gelten traumatische Erlebnisse wie

  • Missbrauch
  • der Tod von nahestehenden Menschen sowie
  • Probleme in der Familie oder im sozialen Bereich.

Aber auch eine erhöhte Anfälligkeit für Stress oder genetische Faktoren kommen für den Ausbruch der psychischen Störung infrage.

Symptome

Bemerkbar macht sich eine Trichotillomanie vor allem durch das Ausreißen der Kopfhaare. In manchen Fällen werden auch Haare aus anderen Körperregionen ausgerissen. Durch das ständige Ausreißen der Haare bilden sich schließlich kahle Stellen am Kopf.

Einige Patienten versuchen beim Entfernen der Haare auf Symmetrie zu achten. Mitunter werden die Haare nach dem Ausreißen nicht nur weggeworfen, sondern aufbewahrt oder sogar verschluckt.

Mediziner sprechen dann von Trichophagie. Schmerzen empfinden die Betroffenen in der Regel beim Ausreißen der Haare nicht oder ignorieren sie einfach.

Ausprägungsformen

Grundsätzlich kann die Trichotillomanie in jedem Alter auftreten. Häufig setzt sie jedoch während der Pubertät ein. Bei den meisten Betroffenen hält die psychische Störung nur einige Monate an, mitunter dauert sie aber auch mehrere Jahre.

Nicht selten kommt es während einer Trichotillomanie zu Begleiterkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen. Im Unterschied zu den Symptomen zahlreicher anderer Zwangsstörungen erleben die betroffenen Personen ihre Handlungen meist nicht bewusst.

Etwa ein Drittel der Patienten verspürt jedoch einen starken Drang zum Ausreißen der Haare. Viele Betroffene versuchen zu vermeiden, dass ihre Zwangshandlungen entdeckt werden.

Manchmal kommt es deswegen auch zu sozialer Isolation. Mögliche Komplikationen, die jedoch nur selten auftreten, sind Bauchschmerzen oder ein akuter Darmverschluss aufgrund von verschluckten Haarballen.

Behandlung

Nicht immer ist eine medizinische Behandlung der Trichotillomanie erforderlich. Grundsätzlich lässt sich selbst bei schwierigen Fällen eine günstige Prognose stellen.

Um Stress abzubauen, wird die Anwendung von Entspannungstechniken wie der progressiven Muskelentspannung oder des autogenen Trainings empfohlen. Bei einem schweren Verlauf der Störung sind allerdings eine Psychotherapie sowie die Einnahme von Medikamenten wie selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) erforderlich. Mitunter gilt auch der Einsatz von Neuroleptika, Antiepileptika oder Anxiolytika als sinnvoll.

Hilfreiche Tipps für Betroffene

Des Weiteren kann man als Betroffener einige Maßnahmen ausprobieren, die beim Beenden des Zwangs möglich sein können. Hierzu zählen:

  • auf den eigenen Körper hören und dessen Bedürfnisse (Essen, Trinken, Schlaf) dementsprechend befriedigen, statt mit dem Ausreißen der Haare darauf zu reagieren
  • das Anlegen einer Sticker-Karte: für jeden reißfreien Tag klebt man einen neuen auf
  • das bewusste Betrachen der Haare in angespannten Momenten, bis die Anspannung nachlässt
  • das tägliche Betrachten im Spiegel mit dem stolzen Gefühl, dass das Haar merklich nachwächst
  • das Erarbeiten einer positiven Einstellung zu sich selbst
  • ein warmes Bad in angespannten Situationen
  • der Wille, anderen Betroffenen zu helfen
  • die Vorstellung des eigenen Lebens ohne die Zwangsstörung mit Aufstellen von Plänen

  • Reinhard Strametz Grundwissen Medizin: für Nichtmediziner in Studium und Praxis, UTB GmbH, 2017, ISBN 3825248860
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  • Susanne Andreae, Peter Avelini, Peter Avelini, Martin Hoffmann, Christine Grützner Medizinwissen von A-Z: Das Lexikon der 1000 wichtigsten Krankheiten und Untersuchungen, MVS Medizinverlage Stuttgart, 2008, ISBN 3830434545
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  • Gerd Herold Innere Medizin 2020, Herold, 2019, ISBN 3981466098
  • Malte Ludwig Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165

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