Patellaluxation

Verrenkung der Kniescheibe erkennen und behandeln

Bei einer Patellaluxation kommt es zu einem Herausspringen der Kniescheibe aus dem Kniegelenk, man spricht umfangssprachlich daher auch von einer Verrenkung der Kniescheibe. In manchen Fällen springt die Kniescheibe von alleine wieder in ihre Position zurück (Selbstreposition), vor allem bei einem Unfall kann es aber auch zu einer vollständigen Ausrenkung der Kniescheibe kommen, die mit starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen einhergeht. Eine Patellaluxation bedarf unbedingt einer ärztlichen Behandlung, da andernfalls Schäden an Bändern, Knorpeln und Knochen drohen. Wie Sie eine Kniescheibenluxation erkennen und wann eine Operation notwendig sein kann, lesen Sie hier.

Von Jens Hirseland

Definition

Von einer Patellaluxation sprechen Mediziner, wenn die Kniescheibe (Patella) aus dem Kniegelenk herausspringt, sodass sie sich nicht mehr in dessen Zentrum befindet. Die Patella bildet einen bedeutenden Bestandteil des Knies. So sorgt sie dafür, dass die Kraft der vorderen Oberschenkelmuskeln in eine Bewegung des Unterschenkels optimal umgesetzt wird.

Nicht selten springt die Kniescheibe nach einer Luxation von selbst wieder zurück in ihre ursprüngliche Position. Die Ärzte sprechen in diesem Fall von einer Selbstreposition. Dennoch sollte eine Ausrenkung der Kniescheibe grundsätzlich von einem Mediziner untersucht werden, da die Gefahr von Schäden an Knochen, Knorpeln oder Bändern besteht.

Häufigkeit einer Patellaluxation

Die Patellaluxation zählt den am häufigsten vorkommenden Knieverletzungen. Sogar Haustiere wie Hunde und Katzen können unter ihr leiden. Besonders häufig betroffen von der Verrenkung der Kniescheibe sind Frauen. Bei den meisten Patienten zeigt sich die Verletzung schon, bevor sie ein Alter von 20 Jahren erreicht haben.

Anatomie des Knies

Das Knie des Menschen setzt sich aus dem Kniescheibengelenk und dem Kniekehlgelenk zusammen. Am unteren Ende des Oberschenkelknochens befindet sich eine Rinne. Durch diese Rinne bewegt sich die Kniescheibe, wobei sie rund zehn Zentimeter auf- und abgleitet.

Die Kniescheibe übernimmt die Funktion für eine verstärkte Kraftwirkung des Oberschenkelmuskels zu sorgen. Gäbe es die Kniescheibe nicht, könnte der Mensch seine Unterschenkel nicht ohne Schwierigkeiten von sich strecken.

Für die Stabilität der Kniescheibe (Patella) sind der Oberschenkelmuskel, die Patellasehne am Unterschenkelknochen sowie das Retinaculum, bei dem es sich um einen sehnigen Faserring handelt, verantwortlich.

Grafik des Knies mit Beschriftung
Anatomie des Knies beim Menschen

Formen der Patellaluxation

Die Medizin unterteilt die Patellaluxation in drei Instabilitätsgrade:

  • Die Patellalateralisation, in deren Rahmen die Kniescheibe in die äußere Richtung gleitet,
  • die Subluxation, bei der die Patella beinahe ausrastet, sowie
  • die Luxation der Kniescheibe, bei der die Patella komplett ausgerenkt wird.

Erfolgt die Ausrenkung der Kniescheibe erstmals bei einem Unfall, ist von einer traumatischen Patellaluxation die Rede. Kommt es später erneut zu weiteren Ausrenkungen, wird dies als chronisch-rezidivierende Patellaluxation bezeichnet.

Eine Verrenkung der Kniescheibe kann aber auch ohne einen Unfall stattfinden, was habituelle Patellaluxation genannt wird. Ohne dass größere Beschwerden auftreten, springt die Patella aus ihrem Gleitlager, findet aber umgehend wieder dorthin zurück.

Ursachen einer Patellaluxation

Hervorgerufen wird eine Patellaluxation zumeist durch ein Zusammenspiel von ungünstigen Umständen, die eine Ausrenkung der Kniescheibe fördern. So gilt eine fehlerhaft angelegte Kniescheibe (Patelladysplasie) ebenso als Risikofaktor wie ein weit außen befindlicher Patellasehnenansatz oder ein X-Bein.

Weitere Problemfaktoren sind eine allgemeine Schwäche des Bindegewebes, ein Hochstand der Kniescheibe aufgrund eines Unfalls oder genetischer Gründe sowie eine Dysbalance zwischen den Oberschenkelmuskeln. Aber auch ein lockerer Bandapparat wird als ungünstiger Umstand angesehen.

Manche Fehlbildungen der Kniescheibe sind bereits angeboren. Dadurch springt die Kniescheibe aus ihrer Ursprungsposition, kehrt dann jedoch gleich wieder in diese zurück.

Ist erst einmal eine Patellaluxation vorgekommen, besteht das Risiko von weiteren Ausrenkungen. Grund dafür ist die bestehende Instabilität des Kniescheibengelenks.

Symptome einer Patellaluxation

Ein typisches Merkmal der Patellaluxation sind intensive Schmerzen am Knie. Nach dem Herausspringen der Patella können die betroffenen Personen ihren Unterschenkel nicht mehr bewegen und nehmen eine Schonhaltung ein. So rufen vor allem Bewegungen des Beins Schmerzen hervor. Darüber hinaus lässt sich eine Verformung des Knies erkennen.

Bei einem Unfall wird die Patellaluxation oft von einem Kniegelenkserguss begleitet. Dabei leiden die Patienten häufig unter einem starken Druckschmerz.

Als weitere mögliche Begleitverletzungen kommen Schädigungen der Knorpel oder Knochenfrakturen infrage. Tritt ein spontanes Zurückgleiten der Kniescheibe auf, ist das Knie weiterhin angeschwollen. Die Schmerzen werden jedoch weniger intensiv wahrgenommen.

Diagnose einer Patellaluxation

Ein erfahrener Arzt erkennt das Bestehen einer Patellaluxation oft schon nach dem ersten Ansehen. Komplizierter gestaltet sich die Diagnose jedoch, wenn die Kniescheibe nach dem Ausrenken wieder in ihre ursprüngliche Position zurückgekehrt ist. In diesem Fall sind die Angaben des Patienten für den Mediziner von Wichtigkeit. Ferner sucht er nach möglichen Begleitverletzungen.

Im Rahmen der körperlichen Untersuchung erfolgt der spezielle Apprehension-Test. Der Arzt versucht bei diesem Verfahren die Patella über das äußere Gleitlager zu bewegen. Kann die Kniescheibe dabei ausgerenkt werden oder kommt es zu einer unwillkürlichen abwehrenden Bewegung, gilt der Test als positiv.

Bildgebende Untersuchungsverfahren

Zusätzlich lassen sich bildgebende Untersuchungen durchführen. Zu diesem Zweck werden in erster Linie Röntgenaufnahmen des Knies angefertigt. Dabei finden Aufnahmen der Patella in drei Positionen statt. Auf diese Weise ist die Diagnostik einer Patelladysplasie, von knöchernen Absprengungen oder einer Retropatellararthrose möglich.

Eine Kernspintomographie (MRT) eignet sich dagegen, wenn Verdacht auf Knorpelabscherungen an der äußeren Oberschenkelrolle oder an der Rückseite der Kniescheibe vorliegt. Ferner liefert die Magnetresonanztomographie Aufschlüsse über Bänderverletzungen des Knies.

Liegt ein Erguss des Knies vor, besteht die Option, durch eine Punktion weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Lassen sich Blutspuren feststellen, gilt dies als Indiz für einen Riss der Haltebänder. Des Weiteren lassen sich Knochenfrakturen am Gelenk der Kniescheibe feststellen.

Behandlung einer Patellaluxation

Nicht immer muss bei einer Patellaluxation zwingend eine Behandlung erfolgen. So ist es möglich, dass sich die Kniescheibe bei einer Selbstreposition nach dem Ausrenken wieder eigenständig in ihr Gleitlager zurückbringt.

Findet jedoch keine Selbstreposition statt, ist es der wichtigste Teil der Behandlung, die Kniescheibe so schnell wie möglich in ihre Ursprungsposition zurückzuversetzen, um Folgeerscheinungen entgegenzuwirken. Das Zurückbringen der Patella in ihr Gleitlager ist von großer Bedeutung, weil sonst durch weitere Ausrenkungen Schäden an den Knorpeln drohen. Beim Repositionieren wird das Knie langsam gestreckt, wobei der Arzt die Patella gleichzeitig fest in der Hand führt. Auf diese Weise werden plötzliche Bewegungen, die nicht gewollt sind, verhindert. Gelingt die Reposition der Kniescheibe, bessern sich die Schmerzen sofort.

Konservative Behandlung

Liegen keine Risikofaktoren vor, erfolgt die Behandlung der Patellaluxation in der Regel konservativ. Der Patient erhält eine Orthese (Spezialschiene), die er drei bis vier Wochen lang anlegt. Die Orthese verfügt über die Eigenschaft, das betroffene Bein in streckender Position zu stabilisieren. Das Bein lässt sich dabei jedoch vollständig belasten.

Zur Behandlung der Schmerzen kann der Patient nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac erhalten. Eine schmerzlindernde und abschwellende Funktion haben außerdem kühlende Salben. Im Falle eines ausgeprägten Kniegelenksergusses kann eine Punktion Abhilfe schaffen.

Im weiteren Verlauf gilt eine Physiotherapie als sinnvoll, um einer Versteifung des Knies entgegenzuwirken. Dabei unterzieht sich der Patient einem Training zum Muskelaufbau sowie zur Verbesserung der Koordination. Auf diese Weise lässt sich auch das Risiko einer erneuten Patellaluxation vermindern.

In 50 Prozent aller Fälle führt die konservative Behandlung zur dauerhaften Besserung der Beschwerden.

Operativer Eingriff

Spricht der Patient nicht auf die konservative Therapie an oder bestehen ausgeprägte Schäden an Knorpeln oder Band- bzw. Halteapparat, ist eine Operation erforderlich. Dabei gilt es, die Gefahr von weiteren Ausrenkungen zu vermindern.

Auch das Lebensalter spielt bei einem chirurgischen Eingriff eine Rolle. So finden Operationen häufiger bei jüngeren Menschen, die sportlich aktiv sind, statt, als bei älteren Personen. Allerdings machen häufig auch die Begleitverletzungen einen operativen Eingriff erforderlich.

Durchführung

Zur Operation der Patellaluxation eignen sich verschiedene Methoden. Am häufigsten wird die Insall-Operation durchgeführt. Bei diesem Verfahren näht der Operateur den inneren Kapselapparat fest. Außerdem rafft er das Band an der inneren Seite des Kniegelenks. Durch dieses Vorgehen wird die Kniescheibe in Richtung Gelenkinnenseite versetzt, was eine weitere Ausrenkung in die äußere Richtung erschwert.

Liegen Schädigungen des Halteapparats vor, gelangt die sogenannte MPFL-Rekonstruktion zur Anwendung. Der Chirurg ersetzt bei diesem Verfahren das mediale Patello-Femorale Ligament (MPFL) durch eine Sehne aus dem Unterschenkel, um eine höhere Stabilität für das Knie zu gewährleisten.

Als weitere mögliche OP-Methoden kommen die Umstellungsosteotomie (Umstellung der Beinachse), die Trochleoplastie (Rekonturierung der patellaren Gleitrinne) sowie die OP nach Blauth (Medialisierung der Tuberositas tibiae) in Betracht.

Nachbehandlung

Im Anschluss an die Operation erhält der Patient eine Physiotherapie, die verschiedene krankengymnastische Maßnahmen umfasst. Bereits im Krankenhaus erhält der Patient im Rahmen der Nachbehandlung schmerzstillende Arzneimittel, eine Lymphdrainage sowie eine Kyrotherapie. Zwei bis drei Tage nach dem Eingriff können wieder leichte Belastungen des Knies stattfinden. Die Behandlungsmaßnahmen setzt der Patient nach seiner Entlassung aus der Klinik weiter fort. Danach nimmt er für zwei bis drei Wochen aktive krankengymnastische Übungen vor. Die Intensität dieser Maßnahmen wird im weiteren Verlauf für drei bis vier Wochen weiter gesteigert.

Nach etwa drei Monaten kann der Patient wieder seine gewohnten sportlichen Tätigkeiten ausüben. Bei Ball- und Kontaktsportarten dauert dies allerdings etwa neun bis zwölf Monate.

Prognose bei einer Patellaluxation

Die Prognose bei einer Patellaluxation hängt zumeist vom Gelingen der Nachbehandlung ab, was besonders für jüngere Patienten gilt. Eine wichtige Rolle spielt zudem der Zeitpunkt der Therapie. Die Erfolgsquote für die Heilung beträgt bei rechtzeitiger Behandlung mehr als 80 Prozent. Findet die Behandlung jedoch erst spät und nach mehreren Patellaluxationen statt, senkt dies die Erfolgsrate auf bis zu 20 Prozent ab.

Vorbeugung einer Patellaluxation

Bestehen bei einem Menschen bereits angeborene Formabweichungen des Knies, lässt sich einer Verrenkung der Patella nur eingeschränkt vorbeugen. Als wichtige Präventionsmaßnahme gilt ein gutes Aufbautraining der Oberschenkelmuskeln.

Weitere Verrenkungen

Auf den nächsten Seiten informieren wir Sie über weitere Verrenkungen.