Schulterluxation

Ausgekugelte Schulter erkennen und behandeln

Bei einer Schulterluxation löst sich der Oberarmknochen aus der Gelenkpfanne des Schulterblattes. Man spricht umgangssprachlich auch von einer "ausgerenkten Schulter" oder "Schulterverrenkung". Abhängig von Ausprägung und Richtung der Ausrenkung differenziert man zwischen unterschiedlichen Formen der Schulterluxation. Die besonders häufig beim Sport auftretende Schulterverletzung ist sehr schmerzhaft, kann durch konservative und operative Behandlungsmethoden aber sehr gut therapiert werden. Lesen Sie hier alles Wichtige zur Schulterluxation.

Von Jens Hirseland
Klassifikation nach ICD-10: S43.0
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Was ist eine Schulterluxation?

Die Schulterluxation wird häufig auch ausgekugelte Schulter oder Schulterverrenkung genannt. Gemeint ist damit eine überaus schmerzhaft verlaufende Ausrenkung des Schultergelenks. Vor allem bei Stürzen springt der Oberarmknochen verhältnismäßig schnell aus der Gelenkpfanne. Die Verletzung wird daher auch zu den am häufigsten auftretenden Gelenkverletzungen des Menschen gezählt. Ungefähr 50 Prozent aller Verrenkungen treten an der Schulter auf.

Anatomie

Zusammengesetzt wird das Schultergelenk des Menschen aus der Scapula (Gelenkpfanne des Schulterblattes) sowie dem Humerus (Kopf des Oberarmknochens). Diese beiden Strukturen liegen nur leicht aufeinander. Auf diese Weise erhalten sie ihre ausgeprägte Beweglichkeit. Zahlreiche Bänder und Muskeln gewährleisten die Stabilität der Schulter.

Anatomie-Grafik der Schulter
Schulter und Schulterblatt von vorne und hinten

Kommt es zu einer starken Einwirkung von Kraft, kann dies zum Nachgeben des Drucks führen, was das Verschieben des Oberarmknochenkopfs zur Folge hat. Dadurch büßt der Knochenkopf seinen Kontakt zum Schulterblatt ein. Infolgedessen lässt sich die Schulter nicht mehr bewegen.

Unterschiedliche Formen der Schulterluxation

In der Medizin wird die Schulterluxation in unterschiedliche Formen eingeteilt:

Luxatio anterior/subcoracoidea

Die Luxatio anterior/subcoracoidea ist mit einem Anteil von 80 bis 90 Prozent die am häufigsten auftretende Form der Schulterverrenkung. Der Humeruskopf kugelt dabei unter den Rabenschnabelfortsatz (Processus coracoideus) aus.

Luxatio posterior

Bei der Form Luxatio posterior erfolgt das Ausrenken der Schulter in die hintere Richtung.

Luxatio axillaris

Von einer Luxatio axillaris sprechen Mediziner, wenn der Humeruskopf zur Achselhöhle (Axilla) hin auskugelt.

Luxatio infraspinata

Die Luxatio infraspinata entsteht durch eine ausgeprägte Rotation mit gleichzeitiger Abduktion. Dabei rutscht der Humeruskopf unter das Schulterdach (Akromion).

Luxatio subacromialis

Die Form Luxatio subacromialis zeigt sich bei intensiver Innenrotation, die mit einer Rückwärtsdrehung einhergeht. Der Humeruskopf dreht sich bei diesem Vorgang unter das Schulterdach.

Luxatio subscapularis

Bei der Luxatio subscapularis schlägt der Humeruskopf aus der Schulterpfanne heraus. Schließlich bleibt er in der Fossa subscapularis (Schultergrube) liegen. Diese Form kommt jedoch nur selten vor.

Des Weiteren wird zwischen einer vorderen, einer hinteren sowie einer unteren Schulterluxation differenziert.

Ursachen einer Schulterluxation

Verursacht wird eine Schulterluxation in den meisten Fällen durch Unfälle oder Stürze. Dabei kommt es zu einer starken Gewalteinwirkung von außen.

Häufig zeigt sich die Verletzung bei sportlichen Aktivitäten wie Ballsportarten. Dabei kann zum Beispiel ein Athlet stürzen und auf die Schulter prallen. Als riskant gelten zudem sportliche Betätigungen, bei denen intensive Dreh- und Zugbewegungen der Fall sind, zum Beispiel beim Judo.

Aber auch im Alltag sind Schulterverrenkungen möglich, wenn zum Beispiel der Betroffene stolpert und nach vorne fällt. Beim Versuch, den Sturz mit der Hand abzufangen, kommt es zum Auskugeln der Schulter. Die Ärzte sprechen in solchen Fällen von einer vorderen Schulterluxation.

Von einer hinteren Schulterluxation ist die Rede, wenn starke Kräfte auf den nach innen rotierenden Arm einwirken. Im Vergleich zur vorderen Schulterluxation tritt die hintere Schulterverrenkung jedoch deutlich seltener auf.

Noch seltener zeigt sich die untere Schulterluxation. Sie erfolgt zumeist, wenn die Zugbewegung in die untere Armrichtung geht.

Risikofaktoren

Es gibt einige Sportarten, die als Risikosportarten für Schulterluxationen gelten. Dazu zählen in erster Linie Sportarten, die die Schulter stark belasten wie Handball oder Tennis. Aber auch Senioren gelten als gefährdet für Schulterluxationen, weil bei ihnen oftmals Verschleißerscheinungen am Schultergelenk bestehen und sie leicht stürzen.

  • Handballspiel in Turnhalle, zwei Mannschaften, Zusammenstoß von zwei Spielern, Handball rechts im Bild

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  • Tennisspielerin holt zum Vorhandschlag auf blauem Hartplatz aus

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  • Junge im Judoanzug knotet grünen Judogurt zusammen

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Symptome einer Schulterluxation

Hauptsymptom der Schulterluxation sind intensive Schmerzen an der Schulter. So hat jede Bewegung des betroffenen Arms Schmerzen zur Folge. Der Patient versucht deswegen, den Arm möglichst ruhig zu halten, um weitere Beschwerden zu vermeiden.

Weitere typische Symptome der verrenkten Schulter sind Blutergüsse (Hämatome) und Schwellungen.

Oft lässt sich die Verletzung auch durch die Haut erkennen. So kann der Kopf des Oberarmknochens ertastet werden und das Schulterdach steht hervor.

Nicht selten werden auch die Nerven, die sich am Oberarmknochenkopf befinden, in Mitleidenschaft gezogen. Bemerkbar macht sich dies durch Sensibilitätsstörungen wie Taubheitsgefühle oder Kribbeln.

Außerdem büßt die verletzte Schulter deutlich an Beweglichkeit ein. Darüber hinaus können auch angrenzende Körperstrukturen durch das Auskugeln der Schulter beeinträchtigt werden. Dazu gehören in erster Linie Sehnen und Muskeln des Halteapparats.

Komplikationen einer Schulterluxation

Eine Luxation der Schulter kann verschiedene Komplikationen nach sich ziehen. So besteht das Risiko, dass es erneut zu einer Schulterverrenkung kommt. Grund dafür ist die Schwächung von Muskeln und Bändern, die nicht mehr in der Lage sind, die Stabilität des Knochens zu gewährleisten. Schon Bewegungen, die sich normalerweise ohne Schwierigkeiten bewerkstelligen lassen, können das Auskugeln der Schulter zur Folge haben.

Ebenfalls zu den Komplikationen der Schulterluxation zählen Schäden an Knochen oder Knorpeln. Ebenso besteht die Gefahr von dauerhaften Nervenschäden.

Diagnose einer Schulterluxation

Die Untersuchung der Schulterluxation beginnt mit dem Erfassen der Krankengeschichte des Patienten. Anschließend nimmt der Arzt eine körperliche Untersuchung vor. Dabei versucht er, die leere Gelenkpfanne der Schulter zu ertasten. Ein weiteres wichtiges Merkmal der Verletzung stellt das Vorstehen des Schulterdaches dar. Es lässt die Konturen der Schulter eckig wirken, so dass der Arzt eine Schulterluxation oftmals schon optisch erkennen kann.

Während der Untersuchung versucht der Arzt, den ausgekugelten Arm wieder in seine ursprüngliche Position zu versetzen. Lässt er den Arm jedoch los, gerät er umgehend wieder in die Fehlhaltung. Mediziner sprechen dabei von einer federnden Fixation, die als Erkennungszeichen von zahlreichen Verrenkungen gilt. Des Weiteren hält der Arzt Ausschau nach eventuellen Begleitverletzungen wie Schädigungen von Nerven oder Blutgefäßen.

Bildgebende Verfahren

Zur Absicherung der Diagnose kommen bildgebende Untersuchungsmethoden wie das Röntgen zum Einsatz. Dabei wird die Schulter in zwei Ebenen geröntgt, um mögliche Knochenverletzungen festzustellen.

Weitere sinnvolle bildgebende Verfahren sind die Sonographie (Ultraschalluntersuchung), um eine Beeinträchtigung der Rotatorenmanschette auszuschließen, eine Computertomographie (CT) sowie eine Kernspintomographie (MRT). Vor allem die Kernspintomographie ist von Bedeutung, da sich mit ihrer Hilfe Weichteile und Gelenke optimal darstellen lassen. Der Arzt erhält dadurch die Gelegenheit, die Behandlung sinnvoll zu planen.

Therapie einer Schulterluxation

Eine Schulterluxation bedarf prinzipiell einer Behandlung in einem Krankenhaus. Der Patient sollte keinesfalls versuchen, die Schulter selbst wieder einzurenken, weil das Risiko von zusätzlichen Verletzungen besteht.

Konservative Behandlung

Eine konservative Therapie ohne Operation ist auch bei einer ausgekugelten Schulter möglich, was jedoch vom Ausmaß der Verletzung abhängt. Den wichtigsten Schritt bildet dabei das Einrenken der Schulter. Diese Prozedur ruft in der Regel kurze Schmerzen hervor. Gehen die Schmerzen sogleich wieder zurück, gilt dies als Hinweis für eine erfolgreiche Einrenkung.

Zum Einrenken eignen sich zwei Verfahren:

  • Einrenkung nach Hippokrates
  • Einrenkung nach Arlt

Einrenkung nach Hippokrates

Beim Hippokrates-Verfahren positioniert sich der Verletzte auf dem Rücken, während der Arzt seinen Fuß in dessen Oberarmkopf setzt. Anschließend zieht er am Arm und drückt mit seinem Fuß den Oberarmkopf in die äußere Richtung. Durch diesen Vorgang kann dieser wieder in die Gelenkpfanne gelangen.

Einrenkung nach Arlt

Für die Einrenkung nach Arlt setzt sich der Patient hin und legt seinen Arm über eine gepolsterte Stuhllehne. Kurz darauf zieht der Mediziner den Arm des Verletzten derart, dass die Lehne des Stuhls den Oberarmkopf in die obere Richtung drückt, was zum Einrenken der Schulter führt.

Der Patient erhält vor dem Einrenken ausreichend Schmerzmittel. Wichtig ist, dass die Prozedur nur von erfahrenem Fachpersonal durchgeführt wird. Ist das Einrenken gelungen, schließt sich die Ruhigstellung des betroffenen Arms für einige Tage an. Darüber hinaus erfolgt eine Physiotherapie, um das Abheilen von Weichteilbeeinträchtigungen zu fördern. Außerdem wird das Versteifen der Schulter vermieden.

Operativer Eingriff

Eine Operation der Schulterluxation muss bei zusätzlichen Verletzungen oder Komplikationen, die sich nur chirurgisch behandeln lassen, erfolgen. Bei welchen Beeinträchtigungen dieses Vorgehen sinnvoll ist, bestimmt der behandelnde Arzt.

Eine weitere Indikation für einen operativen Eingriff stellt das wiederholte Auskugeln der Schulter dar. Mithilfe der Operation lässt sich die Stabilität des Gelenks wiederherstellen.

Als schonend für den Patienten gilt das minimal-invasive Verfahren der Arthroskopie. In deren Rahmen erhält die Schulter drei kleine Löcher. Sie dienen als Eintrittspforte für medizinische Instrumente sowie eine winzige Kamera. Mit den kleinen Instrumenten versorgt der Operateur die geschädigten Körperstrukturen. Dabei bringt er gesplitterte Knochenfragmente wieder in ihre Ausgangsposition zurück und strafft überdehnte Bänder. Dadurch kann einer weiteren Ausrenkung wirksam vorgebeugt werden.

Die Operation der Schulterluxation hat den Vorteil, dass sich die Schäden an Gelenk und Bandapparat zuverlässig beheben lassen. Ein Nachteil besteht in dem Risiko von Komplikationen wie einer Gelenkinfektion. Größere Blutungen oder Nervenverletzungen sind jedoch aufgrund der minimal-invasiven OP-Technik nur selten zu befürchten. In manchen Fällen kann sich die Schulter nach dem Eingriff versteifen. Dieses Problem lässt sich jedoch durch eine konsequente Physiotherapie meist wieder in den Griff bekommen.

Nachbehandlung

Nach der Operation wird der betroffene Arm mit einer Schlinge ruhiggestellt.

Etwa drei Wochen nach dem Eingriff erfolgt eine Physiotherapie. Sie ist überaus wichtig, um dem Schultergelenk seine vollständige Bewegung zurückzugeben.

Bis die Schulter wieder ihre volle Funktionstüchtigkeit erlangt hat, dauert es meist sechs bis acht Wochen. Während der Rekonvaleszenz zeigen sich mitunter noch Schmerzen, die sich durch die Gabe von Analgetika wie Diclofenac oder Ibuprofen behandeln lassen. Außerdem muss der Patient seine Schulter ungefähr vier bis sechs Wochen schonen.

Prognose bei einer Schulterluxation

Auch nach einer erfolgreichen Behandlung der Schulterluxation besteht die Gefahr einer erneuten Ausrenkung. Als erhöht gilt die Gefahr bei jungen Menschen, die häufig Risikosportarten betreiben. Letztlich fällt die Prognose individuell verschieden aus.

Lässt sich einer Schulterluxation vorbeugen?

Einer Luxation der Schulter vorzubeugen, ist nur eingeschränkt möglich. Im Falle einer bereits aufgetretenen Verrenkung oder von schwachen Bändern sollte besser auf das Ausüben von Kontakt- oder Ballsportarten verzichtet werden. Dabei sind vor allem schulterbelastende Bewegungen zu vermeiden.

Weitere Verrenkungen

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