Ursachen und Beispiele für multiresistente Erreger (MRE-Keime) und Bakterien (Antibiotikaresistenz)
Als multiresistente Erreger werden mitunter Bakterien bezeichnet, die gegen Antibiotika unempfindlich sind. Sie stellen die Medizin vor große Probleme.
Von multiresistenten Erregern (MRE) ist die Rede, wenn Keime wie Bakterien gegen bestimmte Medikamente wie Antibiotika resistent sind und nicht auf die verabreichten Präparate reagieren.
Probleme durch MRE-Keime
Multiresistente Erreger stellen für die Medizin ein großes Problem dar. So kommt es allein in Deutschland Jahr für Jahr nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bei ca. 3,5 Prozent aller Krankenhauspatienten zu Infektionen mit MRE-Keimen.
Etwa 10.000 Infektionen pro Jahr enden tödlich. Zu den gravierenden Folgen einer Multiresistenz gehören
- Wunden, die nicht heilen, sowie
- lebensgefährliche Lungenentzündungen und
- Blutvergiftungen.
Antibiotika
Lange Zeit galten Antibiotika als perfektes Heilmittel gegen bakterielle Infektionen. So wurden ab den 50er Jahren zahlreiche Antibiotika entwickelt, die die Bakterien auf verschiedenen Wegen erfolgreich bekämpften. Das Wirkungsprinzip von Antibiotika besteht darin, dass sie die Zellmembran der Bakterien zerstören oder den Aufbau der Zellwände verhindern.
Außerdem werden die Aktivitäten der Bakterien oder ihr Stoffwechsel behindert, ihre Eiweißproduktion gehemmt oder das Erbgut der Keime angegriffen. Gegen Viren sind Antibiotika allerdings wirkungslos, da sie über einen anderen Aufbau verfügen. In der Natur sorgen antibiotische Substanzen für den Schutz von Lebewesen gegen andere Spezies.
Zu den ersten Antibiotika, die zu medizinischen Zwecken verwendet wurden, gehörten das 1910 eingeführte Arsphenamin und das 1935 entdeckte Sulfonamid. Zum medizinischen Durchbruch des Medikaments kam es aber erst ab 1942 nach der Einführung von Penicillin.
Durch diesen Erfolg wurde nach neuen Antibiotika geforscht, was zur Entdeckung von weiteren Stoffen wie zum Beispiel Tetracyclin, Streptomycin und Aureomycin führte.
Im Laufe der Zeit sind viele Bakterienstämme jedoch resistent gegen die Antibiotika geworden. So gelang es ihnen, durch Mutationen unter anderem die Enzyme der Antibiotika derart zu verändern, dass die Wirksamkeit der Mittel reduziert wird oder sie nicht mehr in die Zellwand der Keime eindringen können.
Da sich Bakterien rasend schnell vermehren und verändern, sind sie in der Lage, ihre Resistenz auch auf andere Bakterien zu übertragen. Auf diese Weise schaffen es ganze Bakterienstämme in kurzer Zeit, eine perfekte Abwehr gegen ein Antibiotikum aufzubauen und dessen Wirkung verpuffen zu lassen.
Außerdem können Bakterienarten untereinander Gen-Informationen austauschen, wodurch sie gegen mehrere Antibiotika widerstandsfähig werden, was Mediziner als Multiresistenz bezeichnen. Allein in den EU-Staaten kam es zu ungefähr 50.000 bis 100.000 Todesfällen durch Antibiotikaresistenzen.
Dabei erwiesen sich vor allem die Staphylococcus-aureus-Bakterien als überaus widerstandsfähig. Diese gefährlichen Keime rufen unter anderem lebensbedrohliche Lungenentzündungen und Blutvergiftungen hervor.
Entstehung von Antibiotikaresistenzen
Als die Ära der Antibiotika begann, waren den Medizinern Resistenzen gegen diese Stoffe noch unbekannt, weil der größte Teil der Menschen noch keinerlei Kontakt mit antibiotischen Substanzen hatte. Da es sich bei dem Zusammentreffen zwischen Antibiotika und Bakterien um einen Erstkontakt handelte, waren die Medikamente in der Lage, die Krankheitserreger rasch und zuverlässig unschädlich zu machen.
In der heutigen Zeit hat jedoch fast jeder Mensch im Laufe seines Lebens einmal ein Antibiotikum gegen eine Krankheit erhalten.
Zahlreiche Bakterienstämme sind aber mittlerweile imstande, Abwehrmechanismen gegen die für sie schädlichen Mittel zu entwickeln. Dadurch kann das Antibiotikum ihnen keinen Schaden mehr zufügen. Zu diesen Mechanismen zählt vor allem die Mutation.
Erfolgt die Wirkung eines Antibiotikums beispielsweise über das Hemmen eines bestimmten Enzyms, baut das Bakterium das Enzym auf molekulargenetischer Ebene um, sodass es mutiert. Dadurch ist das Antibiotikum nicht mehr in der Lage, seine Wirkung ausreichend zu entfalten.
Als besonders anfällig gegen Resistenzen gelten Antibiotika, die im Bakterium nur über einen einzigen Angriffspunkt verfügen.
Unterschiedliche Arten von Antibiotikaresistenzen
Es gibt unterschiedliche Arten von Antibiotikaresistenzen. So unterscheiden Mediziner zwischen primärer Resistenz, sekundärer Resistenz, Kreuzresistenz, Parallelresistenz und Multiresistenz.
Primäre Antibiotikaresistenz
Zu einer primären Antibiotikaresistenz kommt es, wenn bei einem Antibiotikum eine Wirkungslücke gegenüber einer bestimmten Bakterienart besteht. Zum Beispiel wirkt Ampicillin nicht gegen Pseudomonas aeruginosa, während Cephalosporine bei Enterokokken wirkungslos bleiben.
Sekundäre Antibiotikaresistenz
Eine sekundäre Antibiotikaresistenz entsteht, wenn das Antibiotikum bei einem primär nicht resistenten Bakterium seine Wirkung verliert. Dies kann entweder durch eine Mutation oder eine Übertragung von Resistenzgenen verursacht werden.
Kreuzresistenz
Als Kreuzresistenz bezeichnet man die Unempfindlichkeit von Bakterienstämmen gegen mindestens zwei Antibiotika, die den gleichen Wirkungsmechanismus oder eine ähnliche Struktur haben. Zum Beispiel gibt es Kreuzresistenzen zwischen Cephalosporinen und Penicillinen.
So weisen diese beiden Antibiotikagruppen chemische Ähnlichkeiten auf und wirken hemmend auf bestimmte Enzyme der Bakterien.
Parallelresistenz
Bei einer Parallelresistenz liegt eine Unempfindlichkeit der Bakterien gegen Wirkstoffe vor, die derselben Antibiotikagruppe angehören. Man benutzt den Begriff aber auch häufig für eine Kreuzresistenz.
Multiresistenz
Von einer Multiresistenz ist die Rede, wenn die Bakterienart unempfindlich auf mehrere Antibiotika reagiert, die zu unterschiedlichen Klassen gehören. Multiresistente Keime gelten als besonders problematisch und sind Verursacher von Krankenhausinfektionen.
Resistenzbestimmung
Um festzustellen, ob ein Bakterium resistent auf ein Antibiotikum reagiert, erfolgt eine mikrobiologische Untersuchung in einem Laboratorium. Dabei kommen automatisierte und standardisierte Methoden zur Anwendung. Nach der Untersuchung teilt man die Bakterien in
- R - resistent
- I - intermediär und
- S - sensibel
ein. Mithilfe der Resistenzbestimmung kann der behandelnde Arzt eine gezielte Antibiotikatherapie auswählen.
Ursachen der Antibiotikaresistenz
Als Hauptursachen für das Entstehen von Antibiotikaresistenzen gelten einerseits ein zu früher Behandlungsabbruch und anderseits der unnötige Einsatz von Antibiotika. So werden Antibiotika häufig auch dann von Ärzten verschrieben, wenn eine virale Infektion vorliegt. Gegen Viren sind Antibiotika jedoch wirkungslos.
Ein weiteres Problem ist, dass in manchen Ländern Antibiotika frei in Supermärkten verkauft werden, was zu einem erheblichen Anstieg der Resistenzrate führt. So sind zum Beispiel in Staaten wie Taiwan oder Spanien bereits über 50 Prozent aller Bakterien gegen Penicillin resistent. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass auch Reserveantibiotika wie Makrolide möglicherweise unwirksam werden.
Als weitere Ursache gilt der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Dabei können sich jedoch resistente Keime bilden, die dann über das Fleisch auf den Menschen übertragen werden.
Gegenmaßnahmen
Experten sehen die beste Möglichkeit, der Antibiotikaresistenz entgegenzuwirken, darin, Antibiotika nur dann einzunehmen, wenn es auch wirklich nötig ist. So dürfen sie ausschließlich bei bakteriellen Infektionen eingesetzt werden. Auf keinen Fall sollte der Arzt Antibiotika nur auf bloßen Verdacht hin verabreichen.
Mittlerweile wurden auch neue Antibiotikagruppen auf den Markt gebracht, die dazu dienen, resistent gewordene Keime zu behandeln. Dazu gehören unter anderem Oxalidinone und Ketolide.
Ursachen für Multiresistenz
Zur Entstehung von multiresistenten Bakterien kommt es vor allem in Krankenhäusern. Infektionen, die dort auftreten, lassen sich nur schwer behandeln. Aber auch in Alten- und Pflegeheimen zeigen sich immer häufiger gefährliche MRE-Keime.
Dass vor allem Krankenhäuser von multiresistenten Keimen betroffen sind, ist auf die hohe Übertragungs- und Ansteckungsgefahr zurückzuführen. So befinden sich in Kliniken zahlreiche Menschen mit Krankheiten, die oft nicht leicht zu behandeln sind. Aber auch Ärzte, medizinisches Personal und Besucher können Keime verbreiten.
Dadurch kommt es zum Aufeinandertreffen der verschiedensten Erreger, die dann die Möglichkeit haben, ihre Resistenzen untereinander auszutauschen. Die Keime können an
haften bleiben. Sogar in Filter- und Wassersystemen lauern sie.
Falscher Einsatz von Antibiotika
Die Ursachen für die Entstehung von MRE-Keimen sind mannigfaltig. Als einer der Hauptgründe gilt der unnötige Einsatz von Antibiotika. So verschreiben manche Ärzte Antibiotika gegen virale Infekte, obwohl dies gar keinen Sinn macht. Doch auch in der Lebensmittelindustrie kommen Antibiotika zum Einsatz, indem die Hersteller sie dem Tierfutter beimischen. Auf diese Weise soll der Ertrag gesteigert werden.
Da zahlreiche Antibiotika mit Präparaten verwandt sind, die die Humanmedizin verwendet, kann dies jedoch zur Entwicklung von resistenten Bakterienstämmen führen.
Multiresistente Erreger
Es gibt mittlerweile zahlreiche multiresistente Bakterien. Dazu gehören:
Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme
Zu den bekanntesten MRE-Keimen zählen die Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA). Sie sind u.a. gegen Methicillin resistent und kommen in den Schleimhäuten der oberen Atemwege sowie auf der Haut vor. Sie können
- Atemwegsinfekte
- Harnwegsinfektionen
- Haut- und Wundentzündungen
- Organ- und Gewebeentzündungen sowie
- eine lebensgefährliche Blutvergiftung (Sepsis)
auslösen.
Vancomycin-resistente Enterokokken
Als Vancomycin-resistente Enterokokken (VAE) werden Bakterien aus der Gattung der Streptokokken bezeichnet, die unempfindlich gegen das Antibiotikum Vancomycin sind. Sie wurden durch übertriebenen Einsatz in der Tiermasthaltung als Mastbeschleuniger resistent. Die Bakterienart kommt in der Darmflora vor und gilt als Verursacher von
- Bauchfellentzündungen
- Harnwegesinfekten und
- Blutvergiftung.
Clostridium difficile
Ein typischer Krankenhauskeim ist das Bakterium Clostridium difficile, das in der menschlichen Darmflora enthalten ist. Es kann Darmentzündungen und Sepsis hervorrufen.
Multiresistenter Pseudomonas aeruginosa
Das multresistente Bakterium Pseudomonas aeruginosa zählt zu den am häufigsten auftretenden Krankenhauskeimen. Es weist Mehrfachresistenzen gegen Antibiotika auf und ist verantwortlich für
- Harnwegsinfekte
- Ohrenentzündungen
- Augenentzündungen und
- Lungenentzündungen.
Der Nasskeim kommt vor allem in Leitungswasser, Duschen, Waschbecken und Pfützen vor.
ESBL bildende Escherichia coli
ESBL bildende Escherichia coli kommen nicht nur in der menschlichen Darmflora vor, sondern auch in infizierten Lebensmitteln und verunreinigtem Trinkwasser. Die Keime gelten als Ursache für
- Wundinfektionen
- Harnwegsinfektionen
- Magen-Darmerkrankungen
- Bauchfellentzündungen und
- Sepsis.
Weitere Problemkeime sind Penicillin-resistente Pneumokokken, Plasmodium falciparum und Myobacterium tuberculosis.