Baustil und Formen des Historismus

Ähnlich wie der Klassizismus orientierte sich auch der Historismus an älteren Stilrichtungen. Dabei griff er auf unterschiedliche Strömungen zurück, wie zum Beispiel aus der Neugotik, der Neuromanik oder dem Neorokoko. In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts erlebte der Baustil des Historismus seinen Höhepunkt - er wurde auch als Gründerzeitarchitektur bezeichnet, da er vor allem der Repräsentation des reichen Bürgertums der Gründerzeit diente. Informieren Sie sich über Baustil und Formen des Historismus.

Von Jens Hirseland

Eine architektonische Strömung des 19. Jahrhunderts war der Historismus. Er lässt sich stilistisch in drei Phasen einteilen. Dabei handelt es sich um

  • den romantischen Historismus (1840-1870)
  • den strengen Historismus (1870-1890) sowie
  • den Späthistorismus, der nach 1890 zur Geltung kam.

Entwicklung

Der romantische Historismus beschränkte sich im Gegensatz zum Klassizismus nicht nur darauf, die griechische und römische Antike wiederzubeleben, sondern orientierte sich zudem an den Architekturformen weiterer Epochen. Dabei griff er auch auf andere Strömungen wie

  • die Neugotik
  • die Neorenaissance
  • die Neuromanik
  • den Neobarock und
  • den Neorokoko

zurück. Seine größte Verbreitung erlebte der Historismus in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Da er vor allem dazu diente, den Repräsentationswünschen des reichen Bürgertums der Gründerzeit nachzukommen, wurde er auch als Gründerzeitarchitektur bezeichnet.

So sollten die errichteten Gebäude den Reichtum und die soziale Stellung ihrer Bewohner widerspiegeln. Typisch waren zum Beispiel Mehrfamilienhäuser, in denen in den unteren Etagen wohlhabende Bürger lebten, während mit jeder Etage nach oben die soziale Stellung der Bewohner immer mehr abnahm. So lebten in der obersten Etage meist Dienstboten oder andere sozial schwächer gestellte Menschen.

Ein weiteres Merkmal des Historismus waren die Innenbauten. Zum Beispiel entstanden in den Schlössern des Adels neu geschaffene Rittersäle, deren Funktion ausschließlich darin bestand, mittelalterliche Ideale wie Ritterlichkeit und Ehre hervorzuheben.

Stilphasen des Historismus

Die erste Stilphase des Historismus markierte der romantische Historismus. Dieser war gekennzeichnet von der langsamen Abgrenzung zum Klassizismus.

Als bevorzugte Stile kamen die Neugotik und die Neorenaissance zur Anwendung, die allerdings häufig mit stilfremden Elementen kombiniert wurden. Dabei griff man auch auf byzantinische und orientalische Stilformen zurück.

Dagegen setzte der strenge Historismus auf eine korrekte Kombination des zurückliegenden Formenvokabulars und lehnte den subjektiven Stil des romantischen Historismus ab. Besonders bevorzugt wurde dabei die Neorenaissance.

Der Späthistorismus orientierte sich dagegen nicht mehr an der Neorenaissance, sondern stattdessen am Neobarock. So wurde die strenge Vorgehensweise von einer freieren Interpretation der dekorierenden Elemente abgelöst.

Dabei erfreuten sich große Balkone, ausbuchtende Erker sowie Kuppeln großer Beliebtheit. Letztlich ließ der Historismus die abendländische Baugeschichte der frühen Neuzeit noch einmal Revue passieren.

Bekannte Architekten und Bauten

Zu den bedeutenden Architekten des Historismus zählen hierzulande:

  • Gabriel von Seidl (1848-1913)
  • Gottfried Semper (1803-1879)
  • Georg-Adolf-Demmler (1804-1886)
  • Theophil Edvard Hansen (1813-1891)
  • Hermann Friedrich Waesemann (1813-1879)
  • Martin Elsässer (1884-1958)
  • Julius Raschdorf (1823-1914)

Bekannte Bauwerke aus dieser Epoche:

  • das Nauener Tor in Potsdam
  • die Gaisburger Kirche in Stuttgart
  • der Berliner Dom
  • das Schloss Neuschwanstein
  • die Friedenskirche im Schlosspark Sanssouci in Potsdam
  • das Schweriner Schloss
  • die Bauten entlang der Ringstraße in Wien