Gewebshormone (Zellhormone) - Arten, Funktion und Vorkommen
Als Gewebshormone bzw. Zellhormone oder Lokal-Hormone bezeichnet man Hormone, die unmittelbar an ihrem Wirkungsort in spezialisierten Einzelzellen gebildet werden. Zu den Hormonen gehören zum Beispiel Histamin, Serotonin, Kinine, Angiotensine und Eikosanoide. Sie sind beispielsweise wichtig für Körperwachstum, Stressbewältigung oder auch Körpertemperatur. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die unterschiedlichen Gewebshormone.
Gewebshormone werden auch Zellhormone oder Lokal-Hormone genannt. Gemeint sind damit hormonell aktive Substanzen, die entweder direkt an ihrem Wirkungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe entstehen.
Gewebshormone bilden sich in spezialisierten Einzelzellen. Diese können sich über ein Gewebe verteilen.
- Während endokrine Hormone über den Blutkreislauf zu ihren Organen gelangen,
- ist dies bei parakrinen Hormonen durch Diffusion (Ausbreitung oder Verstreuung) der Fall.
Zu den Rezeptoren der Zielzellen wandern die Gewebshormone aus dem Interstitium (Zwischenraum) des Funktionsbereiches. Dabei brauchen sie nicht die Blutbahn zu durchqueren.
Arten von Gewebshormonen
Man unterscheidet zwischen unterschiedlichen Arten von Gewebshormonen. So gibt es
- biogene Amine wie Histamin und Serotonin
- Kinine (Kininogene)
- Peptidhormone wie Angiotensine
- Eikosanoide sowie
- Gase mit Signalfunktion.
Funktionen
Zu den unterschiedlichen Funktionen der Gewebshormone zählen beispielsweise
- die Regulierung des Körperwachstums
- die Erhaltung des hormonellen Gleichgewichts
- die Übermittlung des Schmerzempfindens
- der Aufbau der Magenschleimhaut
- die Vermeidung von Thrombosen und Embolien
- die Senkung des Augeninnendrucks
- eine bessere Bewältigung von Stress
- die Reduzierung des Hungergefühls und
- die Regulierung der Körpertemperatur.
Im Folgenden gehen wir etwas näher auf die unterschiedlichen Gewebshormone ein.
Biogene Amine
Biogene Amine werden im Stoffwechsel des Menschen durch enzymatische Decarboxylierung gebildet. Ähnlich wie Ammoniak reagieren die primären Amine basisch als Protonenakzeptoren.
Meist handelt es sich bei biogenen Aminen um Synthesevorstufen von Hormonen oder Alkaloiden. Doch auch als Bausteine für die Synthese von Vitaminen, Co-Enzymen und Phospholipiden dienen sie.
Manche biogenen Amine fungieren zudem als Neurotransmitter. Zwei bedeutende biogene Amine sind Histamin und Serotonin.
Histamin
Als Histamin bezeichnet man einen Naturstoff, der auch im menschlichen Organismus als Gewebshormon und Neurotransmitter fungiert. Im menschlichen Körper kommt das biogene Amin vor allem
- im Hypothalamus
- in der Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts
- in der Lunge und
- in der Haut
vor. Außerdem findet sich Histamin in erhöhter Konzentration in bestimmten Zelltypen wie den ECL-Zellen der Magenschleimhaut, den Mastzellen sowie den basophilen Granulozyten.
Vorkommen in der Nahrung
Doch auch in verschiedenen Lebensmitteln sind Histamine enthalten. Dazu gehören beispielsweise
- Schokolade
- Sauerkraut
- Käse
- Erdbeeren
- Tomaten
- Hefe und
- Rotwein.
Entstehung
Zur Entstehung von Histamin im menschlichen Organismus kommt es durch Decarboxylierung, die aus der Aminosäure Histidin erfolgt. Für die Katalysierung der Umwandlung ist das Enzym Histidindecarboxylase (HDC) zuständig.
Durch HNMT (Histamin-N-Methyltransferase wird das Histamin zu N-Methylhistamin metabolisiert. Aber auch eine Umwandlung in Imidazolessigsäure durch Diaminooxidase (DAO) ist möglich.
Funktionen
Histamin nimmt im menschlichen Organismus mannigfaltige Funktionen wahr. Von besonderer Bedeutung ist dabei seine Beteiligung an Abwehrreaktionen.
Eine wichtige Rolle spielt das Gewebshormon auch bei der Symptomatik von Asthma bronchiale und Allergien. Des Weiteren ist Histamin eine Mediatorsubstanz bei Verbrennungen und Entzündungen. Das heißt, dass es zu Schmerzen, Juckreiz und Muskelkontraktionen führt.
Im Magen-Darm-Trakt hat Histamin einen Anteil an der Regulierung der Magensäureherstellung sowie der Motilität. Außerdem wirkt es sich auf das Herz-Kreislaufsystem und das zentrale Nervensystem (ZNS) aus. Es stimuliert die Muskelkontraktion sowie die Erweiterung der Gefäße.
Überdosierung und Mangel
Die Grenze der Verträglichkeit von Histamin wird bei etwa 10 Milligramm angesetzt. Durch größere Mengen besteht die Gefahr einer Vergiftung und von Beschwerden wie
- Blutdruckabfall
- Hautrötungen, Nesselausschlag
- Atemnot
- Kopfschmerzen
- Durchfall
- Übelkeit und
- Erbrechen.
Durch die Gabe von Histamin wird die Gefäßdurchlässigkeit angeregt - es fließt Flüssigkeit aus den Kapillaren hinein in das Gewebe; auf diese Weise kann eine allergische Reaktion verhindert werden. Die Wirkung des Histamins auf einen äußeren Reiz, z.B. nach einem Insektenstich, erfolgt in einer dreifachen Reaktion: Juckreiz und Anschwellen der entsprechenden Stelle, Rötung der Stelle und Rötung des umgebenden Bereiches.
Mitunter kann es zu einer Überempfindlichkeit auf Histamin kommen, die mit einer fehlerhaft gesteuerten Ausschüttung des Hormons begründet werden kann. Durch die angeregte Muskelkontraktion kann es zu verschiedenen Störungen kommen; beispielsweise entstehen bei einem übermäßigen Muskeltonus der Atemwege Verengungen, was zu Luftnot führt.
Ein Mangel an Histamin kann gleichzeitig zu einem Mangel an Melatonin führen und den Fettstoffwechsel im Hirn senken; es kommt dadurch zu einer erhöhten körperlichen Belastung. Mitunter ist auch eine Senkung des Folsäurespiegels möglich.
Verwendung als Medikament
Als Arzneimittel wird Histamin zur Behandlung einer seltenen Krebsform, der akuten myeloischen Leukämie eingesetzt. Dabei kombiniert man es mit Interleukin-2. Außerdem lässt sich das Gewebshormon zur Diagnose von Allergien und Atopien verwenden.
Serotonin
Ein weiteres biogenes Amin ist Serotonin, das auch als Enteramin oder 5-Hydroxytryptamin bezeichnet wird. Zu finden ist es
- im Blut, im Darmnervensystem
- im zentralen Nervensystem sowie
- im Herz-Kreislauf-System.
Seinen Namen erhielt das Serotonin, weil es auf den Blutdruck wirkt. So ist es ein Bestandteil des Serums, von dem die Spannung der Blutgefäße reguliert wird.
Darüber hinaus hat es Auswirkungen auf die Übertragung von Signalen im zentralen Nervensystem und die Magen-Darm-Tätigkeit. Informieren Sie sich hier genauer über Serotonin.
Kinine (Kininogene)
Kinine gehören zu den Gewebshormonen und stellen biologisch aktive Oligopeptide dar. Wichtige Kinine sind Kallidin und Bradykinin.
Entstehung der Kinine
Gebildet werden Kinine durch Kallikrein aus ihren inaktiven Vorstufen, den Kininogenen. Bei dem Kininsystem, auch Kinin-Kallikrein-System genannt, handelt es sich um ein System aus Blutproteinen.
Dieses System ist für zahlreiche biologische Vorgänge sehr wichtig. Dazu gehören
- Schmerzen
- Blutgerinnung
- Blutdruckregulation und
- Entzündungen.
Wichtige Mediatoren der Kinine sind Bradykinin und Kallidin, die auf viele Zelltypen wirken.
Funktionen von Kininen
Zu den Aufgaben der Kinine gehören die Regulierung der Gefäßdurchlässigkeit und der Gefäßweite. Ferner wird vermutet, dass sie für die Aktivitäten von glattmuskulären Organen zuständig sind. Außerdem haben sie Anteil an der Erregung von sensiblen Strukturen sowie an der Entstehung von Entzündungen und Schocks.
Vertreter der Kinine
Das Kininsystem setzt sich aus verschiedenen großen Proteinen und Polypeptiden zusammen. Ebenfalls beteiligt sind einige Enzyme, deren Funktion darin besteht, die Substanzen entweder zu aktivieren oder zu deaktivieren.
Zu den Kininen gehören
- Bradykinin (BK)
- Neurokinin
- Harnkinin
- Kolostkinin und
- Lysylbradykinin.
Bei den Proteinen handelt es sich um das hochmolekulare Kininogen (HMW-Kininogen) und das niedermolekulare Kininogen (LMW-Kininogen). Sie stellen Vorläufer der Polypeptide dar.
Gebildet wird das hochmolekulare Kininogen von Leber und Präkallikrein. Das HMW-Kininogen hat keinerlei intrinsische katalytische Wirkung.
Es fungiert vor allem als Co-Faktor bei Entzündungen und Blutgerinnung. Zuständig für die Entstehung des niedermolekularen Kininogen sind diverse lokale Gewebe.
Zur Produktion von Bradykinin kommt es durch die Freisetzung aus HMW-Kininogenen. Diese Freisetzung erfolgt durch Kallikrein.
Bei Bradykinin handelt es sich um ein Nonapeptid. Kallidin, das ein Decapeptid ist, bildet sich durch Gewebekallikrein aus niedermolekularen Kininogenen.
Zu den Enzymen, die wichtig für das Kininsystem sind, gehören
- Kallikreine wie Plasmakallikrein und Gewebekallikrein
- ACE (Angiotensin Converting Enzyme)
- neurale Endopeptidase sowie
- Carboxypeptidasen.
Peptidhormone
Peptidhormone zählen zu den Proteohormonen, werden aber aus weniger Aminosäuren zusammengesetzt und gelten chemisch als Peptide, bei denen es sich um kurzkettige Eiweiße handelt. Peptidhormone bestehen aus mehreren Aminosäuren und verfügen über hydrophile Eigenschaften.
Wichtige Peptidhormone sind
- Insulin
- HGH (Human Growth Hormone)
- ANP (Atriales Natriuretisches Peptid)
- Somatotropin
- Glucagon sowie
- die Angiotensine.
Angiotensine
Zu den Peptidhormonen zählen die Angiotensine, die als Gewebshormone gelten. Gebildet werden sie in der Leber, in der sie aus Angiotensinogen durch eine enzymatische Spaltung entstehen.
Zu den Angiotensinen gerechnet werden Angiotensin I und Angiotensin II. Das Prohormon Angiotensin I ist wichtig für die Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes.
Durch das Enzym ACE kommt es zur Umwandlung in Angiotensin II. Erst nach dieser Umwandlung wird das Prohormon wirksam.
Zu den Wirkungen von Angiotensin II gehören
- die Kontraktion der glatten Gefäßmuskulatur
- die Steigerung der Natriumresorption
- die Sekretion des antidiuretischen Hormons (ADH) sowie
- die Stimulierung der Synthese von Aldosteron.
Darüber hinaus regt es den Appetit auf Salz an, was wiederum zu vermehrtem Durst führt. Auf diese Weise kommt es zur Steigerung des Blutdrucks.
Eikosanoide
Bei Eikosanoiden oder Eicosanoiden handelt es sich um Verbindungen, die von mehrfach ungesättigten Fettsäuren abgeleitet werden. Die Eikosanoide sind hormonähnliche hydrophobe Substanzen, die an verschiedenen physiologischen Vorgängen beteiligt sind.
Funktionen der Eikosanoide
Die Eikosanoide zählen zu den Lokalhormonen und sind Gewebemediatoren. Sie fungieren als Immunmodulatoren und Neurotransmitter und haben Anteil an verschiedenen Vorgängen im Organismus. So sind sie an
- Entzündungen
- Schmerzen
- Fieber
- Allergien und
- der Blutgerinnung
beteiligt. Da es sich bei den Eikosanoiden um extra- und intrazelluläre Signalstoffe handelt, lassen sie sich in jeder Zelle herstellen.
Einteilung und Vertreter der Eikosanoide
Das Grundgerüst aller Eikosanoiden bildet die Prostansäure. Man unterscheidet drei verschiedene Serien von diesen Hormonen:
- Serie 1 hat eine entzündungshemmende Wirkung und wird aus Dihomogammalinolensäure (DGLA) hergestellt; man bezeichnet die dazugehörigen Eikosanoide oftmals als gute Eikosanoide
- Serie 2 enthält böse Eikosanoide; sie wird aus Arachidonsäure (AA) synthetisiert und bewirkt eine Schmerzleitung sowie Entzündungsreaktionen
- Serie 3 wird von Eicosapentaensäure (EPA) abgeleitet; sie gilt als Gegenspieler von Serie 2 und wirkt entzündungshemmend
Die größte Bedeutung wird den Eikosanoiden der Serie 2 beigemessen, auch wenn diese entzündungsfördernde Substanzen enthält. Diese Entzündungen dienen jedoch der körperlichen Abwehrreaktion und sind daher sehr wichtig.
Eikosanoide unterteilt man in verschiedene Substanzgruppen. Dazu gehören
- Prostaglandine
- Thromboxane
- Leukotriene und
- Prostazyklin.
Sie alle haben eine gemeinsame Grundstruktur und wirken über G-Protein-gekoppelte Membranrezeptoren.
Stickstoffmonoxid - Gas mit Signalfunktion
Bei Stickstoffmonoxid (NO) handelt es sich um ein Molekül, das sich aus einem Stickstoff- und einem Sauerstoffatom zusammensetzt. Diese sind über eine Doppelbindung miteinander verknüpft.
Bei der Regulation der Blutgefäßerweiterung spielt Stickstoffmonoxid eine wichtige Rolle. In seinem Wirkungsmechanismus lässt es sich mit einem Gewebshormon vergleichen.
Herstellung
Hergestellt wird Stickstoffmonoxid aus Arginin durch Nitroxid-Synthese. Seine Freisetzung erfolgt durch eine Bindung von
- Histamin
- Endothelin-1 oder
- ATP
an die H1-Rezeptoren des Gefäßendothels. Aber auch eine Freisetzung durch parasympathische Reize ist möglich. Diese setzen Acetylcholin frei, das wiederum durch eine Bindung an M-Rezeptoren von bestimmten Zellen eine Freisetzung von Stickstoffmonoxid bewirkt. Eine andere Option ist das unmittelbare Freisetzen von Stickstoffmonoxid aus VIP- und NO-freisetzenden Neuronen beim Schlucken.
Wirkung
Stickstoffmonoxid hat verschiedene physiologische Wirkungen. So ist es wichtig für die Erweiterung der Blutgefäße und die Durchblutungsregulierung am Herzen oder in der Skelettmuskulatur. Außerdem ist es an der unspezifischen Immunabwehr beteiligt.
In der Herzchirurgie setzt man Stickstoffmonoxid zur Behandlung eines erhöhten pulmonaren Drucks ein. Da Stickstoffmonoxid rasch wirkt, eignet es sich gut als Gegenmaßnahme bei lebensbedrohlichen Komplikationen.