Jugendkulturen im Überblick
Unter einer Jugendkultur versteht man den Zusammenschluss von Jugendlichen, um einen bestimmten Stil zu leben. Viele dieser Jugendbewegungen waren von kurzer Dauer, manche jedoch finden immer noch ihre Anhänger. Diese zeigen sich beispielsweise durch bestimmte Kleidung oder als Fan eines speziellen Musikstils. Lesen Sie über die Entwicklung verschiedener Jugendkulturen.
Jugendkultur - Eine Definition
Mit der Jugendkultur beschreibt man Stile und kulturelle Aktivitäten von Jugendlichen, wenn diese sich in einer gemeinsamen kulturellen Szene bewegen. Es kommt zur Entstehung einer Subkultur, die sich wiederum in einer bestehenden Erwachsenenkultur befindet, welche den Jugendlichen jedoch keinerlei Möglichkeit gibt, sich auszudrücken. So wird mit einer Jugendkultur auch immer das Streben nach einem neuen Lebensgefühl ausgedrückt.
Mit jeder neuen Generation kann es auch zu einer neuen Jugendkultur kommen. Unterschiede gibt es in deren Einfluss; nicht immer hat dieser Wirkung auf die gesamte Kultur.
Zur Etablierung der bekannten Jugendkulturen kam es in den meisten Fällen durch Setzen eines Trends, etwa im Bereich der Mode oder Musik. Schnell kam es zu vielen Anhängern, die mehr und mehr alternative Verhaltensweisen aufzeigten. Es wurden neue Werte aufgestellt, und ob die jeweilige Subkultur stark genug war, um eine eigene Jugendkultur zu werden, hing davon ab, in welchem Ausmaß sie in der Generation akzeptiert wurde.
Generell ist festzuhalten, dass Jugendkulturen und -bewegungen sich schnell verbreitet haben und teils auch nur kurzzeitig anhielten. Doch wiederum andere führten zu einer starken Identifikation von Jugendlichen, und tun es auch noch immer.
Ursachen und typische Merkmale
Die Motive, warum man sich einer Jugendkultur anhängt, können unterschiedlicher Natur sein. Möglich waren und sind etwa
- der Wunsch, attraktiver zu wirken
- die Loslösung vom Elternhaus
- ein demonstriertes Erwachsensein
- die kreative Mitgestaltung der Gesellschaft
- das Ausleben verschiedener Phantasien
- Orientierung
Typisches Phänomen ist, dass die Äußerlichkeiten einer Jugendkultur schnell verbreitet werden, nicht jedoch deren Inhalte. So verlieren sie nach kurzer Zeit an Authentizität. Ebenfalls verbreitet ist der Drang unter Erwachsenen, als Junggebliebene wieder einer bestimmten Jugendkultur zu leben; sie möchten dieser treu bleiben.
Jugendkulturen im Überblick
Im Laufe der Zeit gab es viele unterschiedliche Jugendkulturen und -bewegungen. Zu den bekanntesten zählen:
- die Hippiebewegung in den 60er Jahren
- 68er, vor allem linke politische Bewegungen von 1967 bis Mitte der 70er Jahre
- die Punkszene seit Mitte der 70er
- die Gothik-Kultur seit Ende der 70er
- die Popper Ende der 70er, bestand aus Studenten der Mittel- und Oberschicht, die gegen die Rebellion rebellierten
- die Techno- und Houseszene aus den 90ern
- die Hip-Hop-Szene seit den 70ern
- die Indie-Bewegung seit den 80ern
- der Rocker-Lifestyle mit Wurzeln in den 40ern
- die Die Jugendkultur der Metaller seit den 70ern
- die Psychobilly-Szene seit Anfang der 80er
- Straight Edge seit den 80ern
- die Emoszene seit Anfang 2000
- die Cosplayer seit den 70ern
Als Beispiel für die Entwicklung einer sehr kurzweiligen Jugendkultur machen wir im Folgenden einen Exkurs zur Krocha-Szene...
Krocha
Die Jugendbewegung, die sich selbst als Krocha bezeichnet, entstand 2007 in Wien und breitete sich in der Umgebung schnell aus bis nach Graz. Der Begriff "Krocha" leitet sich von "einekrochn" ab und geht auf eine Wortkreation Stefan Berdorfer alias DJ Stee Wee Bee zurück.
Seit Beginn der Achtzigerjahre beobachtet der 45-Jährige Discjockey das Geschehen in den großen Clubs Österreichs und ist sozusagen "Mitten drin statt nur dabei". An der Entstehung der jungen Subkultur ist er nicht ganz unbeteiligt, lieferte er den jungen Leuten doch den Soundtrack für die sich anbahnende Szene.
Merkmale
Zu Musik aus den Neunzigerjahren entwickelten die Krocha eine simple, sehr flotte Tanzart, bei der die Tänzer so schnell wie möglich einen Fuß vor den anderen setzen, sich dabei aber kaum vom Fleck bewegen. Das Ganze Gezappel wirkt wie eine Mischung aus Charleston, Melbourne Shuffle und Breakdance-Kultur, mit einer Prise Hardstep - in Krocha-Kreisen allerdings zum Beat von harten Techno und Housetracks.
In der Disco hatte der neue Tanzstil fast die komplette Tanzfläche vereinnahmt. Dabei bildeten die Krocha einen Kreis, in dessen Mitte sich jeweils vier bis fünf Tänzer trauten, um die Kollegen mit ihren zu Hause einstudierten Dancemoves zu beeindrucken. Und wer richtig gut war, durfte sich mit Sicherheit am nächsten Tag im Internet bestaunen.
Und weil die tanzwütigen Jugendlichen neben dem für sie spezifischen Tanzstil auch einen individuellen Kleidungsstil hatten und mit neuartigen Ausdrücken wie "einikrochn" oder "Kroch' ma' eine" um sich warfen, gab DJ Berndorfer der neuen Subkultur ihren Namen und ein eigenes Onlineportal.
Verbreitung
Doch längst fanden sich die Krocha auch in anderen Onlineforen. Mittlerweile existierten dort unzählige, mit dem Handy aufgenommene Krocha-Videos, die von den neuesten Tanzschritten bis zur von der Community gewählten Miss Krocha alles boten, was das Krocha-Herz begehrte.
Sogar ein eigenes Wörterlexikon war hier zu finden. Begriffe wie "Oida" oder "fix" wurden da genauso erklärt und übersetzt wie Krocha-Redewendungen: So stand "Kroch' ma' eine" (Krachen wir hinein) für Spaß haben oder für das Betreten einer Diskothek.
Das im Wiener Dialekt gebräuchliche "Oida" wurde fast jedem Satz vor- oder hintangestellt. Zur Betonung und Bejahung war das Wort "Fix" gebräuchlich. Allgemeiner Ausdruck der Gefühlserregung war das Wort "Bam".
"Kroch ma eine in die Hittn" bedeutete etwa "Gehen wir in die Disco". "Schaust ua bombä aus" hieß "Du bist sehr hübsch".
"Als eigene Szenesprache würde ich das aber noch nicht bezeichnen", meinte Philipp Ikrath, Leiter des Hamburger Departements des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien. "Im HipHop beispielsweise gibt es inzwischen eine sehr elaborierte Sprechweise, bei den Krochan dagegen sind's bisher ja nur einige Phrasen. Diese sind aber auf jeden Fall wichtiger Teil des Szenecodes und dienen der Konstituierung und Verbreitung der Kultur."
Accessoires
Aber um als ein echter Krocha durchzugehen, brauchte es allerdings mehr als nur die Sprache und den richtigen Rhythmus. Das wohl wichtigste Erkennungsmerkmal der Krocha waren Neonkappen.
"Die Nachfrage ist sehr, sehr groß", sagte Cosmos, eine Verkäuferin aus Wien. Allerdings war nicht nur die Nachfrage nach bunten "Kapperln" hoch, sondern auch bei T-Shirts.
So trugen die Krocha entweder neonfarbene T-Shirts oder welche, auf denen protzig die Logos von teuren Modemarken prangten. Manche der Schriftzüge waren mit Glitzersteinchen verziert, andere durch riesige zu Schals umfunktionierte Palästinensertücher verdeckt. Die Hosen waren eng und steckten in hohen Turnschuhen - gerne in Silber, Gold oder Lackoptik.
Frisuren
Mindestens so abgefahren wie die Kleidung waren auch die Frisuren der Krocha. Zu Beginn der Bewegung sei der Trend bei Jungs in Richtung Vokuhila - vorne kurz, hinten lang, gerne auch geglättet - gegangen. Mittlerweile waren Irokesen und Strähnchen in allen möglichen Farben der favorisierte Krocha Haarschnitt.
Weibliche Krocha setzten auf Extensions, und auch einrasierte Muster an den abrasierten Seiten waren beliebt, genauso wie Piercings und nicht zu vergessen das "Soli". Die künstliche Bräune aus dem Solarium war für jeden echten Krocha ein absolutes Muss.
Entwarnung kam allerdings schnell von Jugendforscher Philipp Ikrath: "Ich nehme an, dass es sich bei den Krochan um ein kurzfristiges Phänomen handelt. Jugendkulturen wachsen ja, indem sie in den Augen von Außenstehenden einen gewissen Coolheitsfaktor haben. Krocha aber werden außerhalb ihres Kreises eher belächelt. Nicht die besten Anzeichen für eine Massenbewegung also."
Und er sollte Recht behalten. Ende 2008 verschwand die Krocha-Bewegung immer mehr.