Maßnahmen gegen die Obdachlosigkeit

Obdachlosigkeit ist in unserer Gesellschaft ein schwerwiegendes soziales Problem. Durch zunehmende Armut und Wohnungsmangel, besonders in Ballungsgebieten, nimmt die Wohnungslosigkeit zu. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören finanzielle Hilfen. Lesen Sie alles Wissenswerte zum Thema Wohnungslosigkeit und informieren Sie sich über unterschiedliche Hilfsmaßnahmen.

Von Jens Hirseland

Definition: Was versteht man unter Obdachlosigkeit?

Spricht man von Obdachlosigkeit, ist damit gemeint, dass ein Mensch nicht über einen festen Wohnsitz verfügt. Viele Obdachlose müssen auf der Straße leben und

  • im Freien
  • in Notunterkünften oder
  • in öffentlichen Einrichtungen

übernachten.

In Deutschland gibt es keine offizielle Bundesstatistik über die Anzahl wohnungsloser Menschen. Daher werden nur bundesweite Schätzungen angestellt, die von den Wohlfahrtsverbänden stammen.

Zu den Obdachlosen werden auch Menschen gezählt, die in

leben. Des Weiteren rechnet man Personen, die zeitweise bei Angehörigen oder Freunden unterkommen, weil sie keinen eigenen Wohnsitz haben, dazu.

Bundesstatistiken, was die Anzahl der Obdachlosen in Deutschland angeht, gibt es nicht. Stattdessen werden von Wohlfahrtsverbänden Schätzungen aufgestellt.

So gelten nach Angaben der BAG W (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe) ca. 860.000 Menschen hierzulande als wohnungslos (Stand 2017). Etwa 440.000 aller wohnungslosen Menschen sind dabei Flüchtlinge, welche seit 2016 ebenso in der Statistik erfasst werden.

Mehr als 30.000 Wohnungslose sind minderjährig. Ungefähr 52.000 Obdachlose leben auf der Straße.

Das deutsche Polizei- und Ordnungsrecht unterscheidet zwischen freiwilligen und unfreiwilligen Obdachlosen.

  • So ziehen freiwillige Obdachlose von Ort zu Ort und besitzen im Gegensatz zu unfreiwilligen Obdachlosen keinerlei Ansprüche auf Unterbringung durch die zuständigen Behörden.
  • Als unfreiwillige Obdachlose werden auch Menschen eingestuft, die vom Verlust ihres ständigen Wohnsitzes bedroht sind.
Obdachloser schläft auf einer Parkbank, gelbe Tüte als Kissen
Obdachloser schläft auf einer Parkbank, gelbe Tüte als Kissen

Obdach- oder Wohnungslosigkeit?

Häufig werden die Bezeichnungen "Obdachlosigkeit" und "Wohnungslosigkeit" im selben Zusammenhang genannt. Sie tragen allerdings unterschiedliche Bedeutungen.

So gilt als obdachlos, wer weder festen Wohnsitz noch Unterkunft hat. Es wird auf der Straße übernachtet.

Wohnungslos ist hingegen derjenige ohne Mietvertrag. Er kommt in staatlich finanzierten Wohnheimen, Notunterkünften oder Bekannten unter.

Ursachen

Obdachlosigkeit kann viele verschiedene Ursachen haben. Vor allem ein Mangel an bezahlbaren Unterkünften sowie Räumungsklagen aufgrund von Mietrückständen zählen zu den möglichen Gründen.

Die Ursachen können individuell sowie gesellschaftlich begründet sein. Auch Kinder und Jugendliche sind davon betroffen; in solchen Fällen spielen beispielsweise die Armut der Familie oder auch die Flucht aus zerrütteten Familienverhältnissen eine Rolle. Wenn Sie sich im Detail über die Ursachen der Obdachlosigkeit informieren möchten, lesen Sie unseren separaten Artikel zum Thema.

Folgen von Obdachlosigkeit

Die Folgen von Obdachlosigkeit sind schwerwiegend. Sie können sowohl den Charakter als auch den Körper und ebenso das gesamte Leben des Betroffenen beeinflussen. So leiden Wohnungslose unter

  • unzureichender Ernährung
  • Erkrankungen durch Unter- oder Fehlernährung
  • sexuellen und/oder gewalttätigen Übergriffen
  • mangelnder Hygiene
  • schlechter medizinischer Betreuung
  • Vereinsamung
  • Verzweiflung und
  • Kriminalität.

Darüber hinaus sind sie oftmals der Witterung ausgesetzt, was zu Krankheiten, aber auch zu Erfrierungen führen kann. Je nach Region und Kälte ist auch der Tod möglich, sodass häufig von einer deutlich geringeren Lebenserwartung die Rede ist.

Zwei sehr junge Teenagerinnen sitzen vor einem Fabrikgebäude und trinken Flaschenbier
Zwei sehr junge Teenagerinnen sitzen vor einem Fabrikgebäude und trinken Flaschenbier

Maßnahmen, um Obdachlosen zu helfen

Um Obdachlosen zu helfen, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen. Dazu gehören vor allem finanzielle Hilfen. So erhalten Obdachlose, die erwerbsfähig sind, seit der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe Arbeitslosengeld II, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass auch die Kosten für eine Unterkunft übernommen werden.

Bei unfreiwilligen Obdachlosen besteht seitens Städten und Gemeinden eine Unterbringungspflicht in eine menschenwürdige Unterkunft. Dazu gehört ein ausreichend großer Raum, der beheizt ist und über sanitäre Anlagen verfügt.

Ferner müssen

  • eine Kochstelle
  • elektrische Beleuchtung sowie
  • eine notdürftige Möblierung

vorhanden sein. Um die medizinische Versorgung für Obdachlose zu gewährleisten, die nicht über eine Krankenversicherung verfügen, wird in großen Städten von karitativen Einrichtungen kostenlos ambulante medizinische Hilfe in Tagesaufenthaltsstätten oder auf der Straße angeboten.

Eine weitere Hilfsmaßnahme sind die so genannten Tafeln, die vor allem Obdachlosen zugute kommen, da sie kostenlos Lebensmittel abgeben. Darüber hinaus helfen diverse Beratungsstellen bei der Suche nach Arbeit und einer Wohnung. Informieren Sie sich hier über weitere Hilfsangebote für Obdachlose.

Junger Obdachloser sitzt auf dem Boden und isst aus einer Konservendose
Junger Obdachloser sitzt auf dem Boden und isst aus einer Konservendose

Housing First

Eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit könnte das Prinzip Housing First darstellen. In einigen Städten der USA konnte diese Maßnahme die Zahl der Obdachlosen deutlich reduzieren.

Auch hierzulande wurde das Modell bereits erfolgreich angewandt, auch wenn es noch wenig bekannt ist. Es richtet sich besonders an Langzeitobdachlose.

Das Konzept liegt vor, den Betroffenen zunächst einmal eine Wohnung zu besorgen, die an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Sie stellt die solide Basis dar, auf der anschließend andere Probleme wie Sucht, Schulden oder Arbeitslosigkeit angegangen werden können.

Hier ist die Vergabe einer Wohnung oftmals an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, wie etwa Abstinenz. Das betreute Wohnung ist zudem zeitlich begrenzt; zum Ende hin werden die Bewohner zunehmend gestresst, weil sie wissen, dass es keine weitere Unterkunft gibt - nicht selten endet dies in Rückfällen; und im Grunde genommen fängt man wieder von vorne, ganz unten an. In der Sozialforschung wird dies als Drehtür-Effekt bezeichnet.

Betreut wird dieses Projekt etwa von gemeinnützigen Organisationen, die ihren Schützlingen die Möglichkeit geben, sich etwas Geld dazu zu verdienen, indem sie beispielsweise Zeitschriften verkaufen. Die Erfolgsquote des Housing First liegt bei 100 Prozent. Das Geld, welches für den Kauf einer Eigentumswohnung benötigt wird, entspricht in etwa dem Betrag, welcher für zwei Jahre des betreuten Wohnens ausgegeben werden muss.

Geeignete Unterkünfte

Man ist der Ansicht, das Konzept funktioniert am besten bei einer dezentralen Verteilung der Wohnungen. Alternativ werden kleinere Immobilien mit knapp einem Dutzend Wohnungen gekauft.

Für die Umsetzung in Deutschland gibt es erste Ansätze. So werden besonders Jugendliche auf diese Weise betreut. Allerdings ist das Angebot nach wie vor gering.

Mögliche Probleme

Als Grund dafür, dass das Housing First in Detuschland noch in den Kinderschuhen steckt, liegt besonders an der Tatsache, dass man hierzulande davon ausgeht, Obdachlose müssen zunächst "wohnungstauglich" gemacht werden. Hinzu kommt die Sorge von Vermietern, auf Messie-Mieter zu treffen sowie Probleme in Sachen Schufa-Auskunft.

Besonders problematisch ist jedoch die Tatsache, dass es an Wohnraum fehlt, vor allem in überteuerten Städten. Ziel ist die Schaffung von sozialen Wohnungsagenturen. Auch wäre die Nutzung von kirchlichen Immobilien denkbar.

Alles in allem existieren zahlreiche Ansätze; ein flächendeckendes Konzept, um alles umzusetzen, fehlt jedoch bisher. Dabei betonen Befürworter, dass das Housing First Programm nicht teurer ist als das hiesige Stufenprogramm.

  • Ronald Lutz und Titus Simon Lehrbuch der Wohnungslosenhilfe: Eine Einführung in Praxis, Positionen und Perspektiven, Juventa, 2007, ISBN 3779922002

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