Aspekte und Bestandteile der Zivilcourage
Wir leben als soziale Wesen in einer Gesellschaft, die sich bestimmten Werten verpflichtet fühlt. Zu diesen Werten gehört auch, dass man bedrohten oder in Gefahr geratenen Menschen zur Hilfe kommt. Das, was wir als Zivilcourage bezeichnen, ist bei näherem Hinsehen allerdings eine durchaus komplexe Angelegenheit, einhergehend mit dem Konflikt zwischen Handeln und Nichthandeln. Lesen Sie, in welchen Bereichen der Mut zu einer bestimmten Handlungsweise angebracht ist und was in diesem Zusammenhang beachtet werden sollte.
Was wird unter Zivilcourage verstanden?
Der Begriff "Zivilcourage" setzt sich aus dem lateinischen Wort "civilis" (bürgerlich, anständig) und aus dem französischen Wort "courage" (Mut) zusammen. Somit ist unter dem Begriff also weitgehend der Mut des Bürgertums zu verstehen, auch in heiklen Situationen anständig und verantwortlich, um nicht zu sagen "couragiert" zu handeln.
Die Zivilcourage wird nicht in erster Linie als Eigenschaft einer einzelnen Person interpretiert, sondern vielmehr als eine Wertüberzeugung und als eine von der Gesellschaft anerkannte soziale Norm. Im Gegensatz zur Hilfe allgemein, wie beispielsweise die Unterstützung in einer Notlage, und auch im Gegensatz zu Mut und Tapferkeit im Allgemeinen, müssen für das Vorliegen des Umstandes der Zivilcourage mehrere typische Merkmale vorliegen.
Merkmale der Zivilcourage
Beispiele für Zivilcourage gingen in den letzten Jahren immer wieder durch die Medien, insbesondere sei an die Fälle erinnert, in denen Menschen bei Prügelattacken in U-Bahn-Stationen eingeschritten sind. An diesen Beispielen lassen sich die Grundmerkmale der Zivilcourage anschaulich darstellen.
In den vorliegenden Fällen gab es eine massive Normen- und Werteverletzung durch die Täter (Gewalt an Dritten). Die Personen, die zur Hilfe kamen, sind eingeschritten, obwohl für die selbst ein Risiko bestand, da die Täter in der Überzahl waren. Trotzdem war der spontane Wille, der Grenzüberschreitung Einhalt zu gebieten und dem wehrlosen Opfer zu helfen, größer als die Bedenken gegenüber der Gefahr für die eigene Person.
Zivilcourage kann aber nicht nur in solchen unvorhergesehenen Situationen stattfinden, in denen ein spontanes Eingreifen zugunsten Dritter erfolgt. Auch wenn Menschen sich für die Rechte anderer oder die Rechte der Allgemeinheit einsetzen, kann man von Zivilcourage sprechen.
Beispiele dafür sind unter anderem Demonstrationen für Menschenrechte in diktatorischen Regimen, die für die Demonstranten nicht selten mit erheblichen Gefahren verbunden sind. Bei der Zivilcourage geht es immer darum, dass Menschen zu ihren eigenen Überzeugungen stehen und dafür auch eventuelle Nachteile in Kauf nehmen, indem sie anderen Personen gegen Verletzungen durch Dritte beistehen.
Abgrenzungen zur Hilfe
Häufig setzt man Zivilcourage mit Hilfe gleich. Zwar ist letztere mit Zivilcourage verbunden; nicht unbedingt ist dies jedoch im umgekehrten Fall so. Es gibt vier Merkmale, an denen man die Unterschiede zu Hilfe, Solidarität oder auch zur Tapferkeit erkennen kann.
- Es besteht ein Konflikt zwischen zwei Seiten: denen, die die Normwerte verletzen und denen, die sich dafür einsetzen, diese zu erhalten.
- Es besteht oft ein unbestimmbares Risiko - ob die Handlung der Zivilcourage erfolgreich ist, ist häufig unsicher, wird aber in Kauf genommen.
- Die zivilcouragierte Handlung findet in der Öffentlichkeit statt.
- Es besteht ein Machtungleichgewicht zugunsten derjenigen Person, die mutig handeln möchte; dieses wird real oder subjektiv wahrgenommen.
Arten der zivilcouragierten Handlung
Des Weiteren kann man die Arten des Handelns mit Zivilcourage unterscheiden.
- Es gibt das Eingreifen, welches zugunsten anderer dient; in der Regel sind es unvorhergesehene Situationen, bei denen es auf eine rasche Entscheidung ankommt.
- Des Weiteren unterscheidet man einen Einsatz für allgemeine Werte; hier besteht in der Regel kein Handlungsdruck.
- Und schließlich gehört auch das Sich-Wehren dazu, beispielsweise gegen Mobbing, körperliche Angriffe oder Ungerechtigkeit.
Wie viel Zivilcourage ist gut?
Es kann jedem passieren, dass er Zeuge von Vorfällen und Handlungen wird, die nicht mit seinen eigenen Werten und Überzeugungen übereinstimmen. Das können plötzliche Gewaltsituationen sein, aber beispielsweise auch Mobbinghandlungen, die man am Arbeitsplatz beobachtet oder rassistische Angriffe auf ausländische Mitbürger.
Wahrscheinlich kennt jeder den Konflikt zwischen Handeln und Nichthandeln. In jedem Fall ist Vorsicht nicht nur legitim, sondern in vielen Fällen auch unbedingt geboten. Bei akuten Gewaltsituationen sollte man sich nicht auch noch selbst in Gefahr bringen, sondern versuchen, Mithelfer zu finden.
Bei länger andauernden Vorkommnissen spielt die eigene Persönlichkeitsstruktur eine entscheidende Rolle. Wissenschaftler haben festgestellt, dass Menschen mit einem ausgeprägten Selbstvertrauen eher bereit sind, Zivilcourage zu zeigen und für ihre Überzeugungen auch Nachteile in Kauf zu nehmen.