Wie Kinder Tod und Trauer erleben
Der Tod ist ein unbegreifliches Phänomen, welchem wir uns zumeist nur dann widmen, wenn ein Angehöriger oder Bekannter verstorben ist. Während unseres Aufwachsens entwickeln wir unsere Auffassung vom Tod immer weiter, was sich auch direkt auf unsere Trauerarbeit auswirkt. Kinder erleben den Tod eines ihnen nahestehenden Menschen und Trauer auf eine anderwe Weise als Erwachsene. Lesen Sie über die Trauerbewältigung bei Kindern.
Trauer bei Kindern: Generelle Merkmale
Wie Kinder trauern, zeigt sich unter den Sprösslingen noch mal auf ganz verschiedene Art und Weise. Fakt ist jedoch auch, dass es entscheidende Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen gibt.
So wird die Trauer unter Kindern eher in Wellen als in Phasen beschrieben. Manchmal kommt es zu Reaktionen und Verhaltensweisen, die bei den Erwachsenen zu Verwirrung und Verunsicherung führen können, da diese etwa der Meinung sind, das Kind würde nicht trauern.
Wie sich ein solches Verhalten äußern kann, lässt sich nicht pauschal sagen. Möglich sind, auch abhängig vom Alter, beispielsweise:
- Schlafstörungen
- Rückkehr von schon abgelegten Verhaltensweisen, wie z.B. Bettnässen
- Albträume
- schlechtere Leistungen in der Schule
- Launenhaftigkeit und Reizbarkeit
- starke Trennungsängste
- Angst um das Leben der noch lebenden Angehörigen
- plötzlicher Wechsel von Traurigkeit zu Fröhlichkeit
- das Übernehmen der Aufgaben des Verstorbenen
- Schuldgefühle
- Vorwürfe gegen andere und sich selbst
Dabei können gerade jüngere Kinder den Tod des Menschen auch als besonders lange Reise verstehen, von der dieser irgendwann wieder zurückkommt. Nicht selten kommt es dabei dazu, dass das Kind den Verstorbenen anfängt zu suchen. Hier liegt es an den Eltern, ihrem Nachwuchs genau zu erklären, was es bedeutet, zu sterben.
Bei älteren Kindern liegt diesbezüglich ein besseres Verständnis vor; allerdings sind sie häufig der Ansicht, zumindest eine Mitschuld an der Situation zu tragen. So werden beispielsweise plötzlich gemeine Sätze zum Thema, die der Nachwuchs dem Verstorbenen vor seinem Tod "an den Kopf geworfen" hat. Generell gilt: bekommen Kinder zu wenig Informationen, was den Tod angeht, entwickeln sie häufig teilweise extreme Phantasien, mit denen sie dann nicht zurechtkommen.
Trauerphasen nach Jean Piaget
Wer verstehen will, wie Kinder Tod und Trauer erleben, muss zunächst einmal wissen, was Kinder überhaupt unter Leben verstehen. So beschrieb Jean Piaget, der weltweit wohl bedeutendste Vertreter der Entwicklungspsychologie, verschiedene Stadien des Kindes im Hinblick auf die Auffassung von Leben.
Die erste Phase
Beim ersten Stadium, welches etwa vom zweiten bis zum fünften Lebensjahr andauert, wird prinzipiell alles als lebendig betrachtet, was dem Kind in seinem Leben nützlich ist oder in irgendeiner Form aktiv wird. Der Tod eines Menschen wird dann weniger als endgültiger Abschied, sondern vielmehr als ein temporäres Ausbleiben des angenehmen Reizes empfunden. Trauerphasen können sich in diesem Alter deshalb auch schnell mit normalen Gemütszuständen abwechseln, da sich das Kind dann häufig auf andere Reize konzentriert.
Die zweite Phase
In der zweiten Phase, welche etwa bis zum siebten Lebensjahr andauert, gelten alle Dinge als lebendig, welche sich auch bewegen. Dabei ist es egal, ob sich ein Gegenstand von selbst bewegt oder bewegt wird.
Aus diesem Grund kann es auch nicht nachvollzogen werden, dass eine Person für immer weg sein soll. Viel plausibler erscheint für Kinder dann die Erklärung, dass die Person eben gerade nicht da sei und wieder lebendig werden würde, sobald sie sich bewegt.
Die dritte Phase
Die dritte Phase Piagets äußert sich durch eine genauere Definition von Leben und hält etwa bis zum elften Lebensjahr an. Nun sind nur Dinge lebendig, welche sich von selbst aus bewegen.
Ist ein Gegenstand hingegen nicht in der Lage, sich selbst in Bewegung zu versetzen, gilt er als leblos. Eben diese Einsicht macht die dritte Phase auch zum Zeitpunkt, wo Kinder die Endgültigkeit vom Tod verstehen. Die Reaktionen hierauf reichen von einer Verleugnung der Tatsache und innerem Rückzug bis hin zu aggressivem und destruktivem Verhalten.
Die vierte Phase
In der vierten Phase, welche frühestens ab dem 10. Lebensjahr zu erwarten ist, werden letztlich nur noch Menschen, Tiere und Pflanzen als Lebewesen angesehen. Nun sind Kinder vollständig in der Lage, die Tragweite des Todes zu erkennen und zeigen bei der Trauerarbeit ähnliche Verhaltensmuster wie ein Erwachsener. Nichtsdestotrotz herrschen im Falle eines Verlustes noch eine große Unsicherheit und starke Ängste vor, welche durch offene Gespräche und Hilfe bei der Trauerarbeit gemindert werden sollten.
Kindern beim Trauern helfen
Wie auch immer die Trauerbewältigung bei Kindern aussieht - Fakt ist, dass sie dabei Unterstützung benötigen, sei es von den Eltern oder von anderen nahestehenden Angehörigen.
Teil dieser Hilfe sollten zunächst einmal Informationen sein. So ist es wichtig, dass der Nachwuchs begreift, was passiert ist. Je nach Alter muss man natürlich anders an dieses Gespräch herangehen.
Auch über die nächsten Schritte gilt es, zu informieren. Bei gewissen Punkten, etwa der Gestaltung der Trauerfeier, können sie auch mit einbezogen werden, falls sie möchten.
Wenn sie den Wunsch äußern, den Verstorbenen noch mal zu sehen, sollte man diesem nachgehen, sofern möglich. Natürlich müssen sie die Aussegnungshalle jderzeit verlassen können.
Ob der Wunsch tatsächlich besteht, ist nicht immer sofort klar. Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, um mit dem Kind in Ruhe zu sprechen. Entscheidende Punkte, die helfen können:
- Zuverlässigkeit und Ruhe ausstrahlen
- Alltagsrituale fördern und bewahren
- Dem Nachwuchs die Möglichkeit geben, seine Trauer auszudrücken, sei es es durch Sprechen, Spielen oder Malen
- Eine Menge Geduld, Liebe und Verständnis aufbringen
- Unnötige Veränderungen im Tagesablauf vermeiden
- Seine eigene Trauer nicht vor dem Kind verstecken