Naturidentische Aromastoffe

Naturidentische Aromastoffe muss man sich als eine Art Zwitterwesen zwischen natürlichen Aromastoffen und künstlichen Aromastoffen vorstellen. Sie sind nicht natürlichen Ursprungs - werden aber im Labor so "nachgebaut", dass ihre chemische Struktur der des natürlichen Vorbildes eins zu eins entspricht.

Maria Perez
Von Maria Perez

Rechtliche Definition

Da naturidentische Aromastoffe im Labor entstehen, spricht man hier auch von einer Aromakomposition. Rechtlich definiert ist der Begriff "naturidentischer Aromastoff" hierzulande durch die Aromenverodnung, genauer, die EG-Verordnung Nr. 1334/2008 "über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften".

Dort werden naturidentische Aromastoffe als "chemisch definierte Stoffe mit Aromaeigenschaften" geführt, die "durch chemische Synthese oder durch Isolierung mit chemischen Verfahren gewonnen werden" und darüber hinaus "mit einem Stoff chemisch gleich sind, der in einem Ausgangsstoff pflanzlicher oder tierischer Herkunft vorkommt". Das heißt, es braucht ein real existierendes Vorbild in der Natur, das synthetisch nachgebildet werden kann.

Auch wenn ein Chemiker ein Verfahren während oder nach der Extraktion von natürlichen Aromastoffen verwenden würde, das zu einer Veränderung der Struktur der Moleküle des bearbeiteten Ausgangsstoffes führte, stellt er rein rechtlich betrachtet einen naturidentischen Aromastoff her - selbst dann, wenn die Veränderung der Molekülstruktur nur vorübergehend gewesen ist.

Somit produziert jeder Eingriff, der auf die Molekülstruktur eines bereits bestehenden natürlichen Aromastoffs erfolgt, automatisch einen naturidentischen Aromastoff.

Schwierige Nachweisbarkeit - natürlich oder synthetisch?

Der weitaus größere Teil der naturidentischen Aromastoffe wird aber nicht durch Veränderung von natürlichen Aromastoffen gewonnen, sondern gleich von Beginn an synthetisch produziert. Da sie mit dem "nachgebauten" natürlichen Aroma, wie der Name schon sagt, von der chemischen Struktur her identisch sind, gestaltet sich ihr Nachweis auch aufwändig.

Es gibt nur sehr wenige Methoden chemisch-analytischer Art, mit denen sich feststellen lässt, ob ein Hersteller

  • wirklich das (zumeist hochwertigere) natürliche Aroma verwendet hat
  • oder stattdessen einen synthetisch hergestellten (zumeist deutlich kostengünstigeren) naturidentischen Aromastoff.

Zwar besteht es in Deutschland, gerade, was den lebensmittelbereich betrifft, eine Kennzeichnungspflicht für naturidentische Aromastoffe, doch kann ihre schwierige Nachweisbarkeit - ebenso wie die immensen Preisunterschiede - den einen oder anderen Hersteller zur missbräuchlichen Kennzeichnung verleiten. Dies geschieht nicht zuletzt deshalb, weil der Verbraucher der Verwendung von naturidentischen Aromastoffen zumeist kritisch gegenüber steht und natürliche Aromastoffe bevorzugt.

Naturidentische Aromastoffe im Lebensmittelbereich

Naturidentische Aromastoffe finden vor allem im Lebensmittelbereich ein Einsatzgebiet.

Geschmack hinzufügen

Dies liegt darin begründet, dass heutzutage zunehmend mehr Lebensmittel aromatisiert werden, um sie für den Verbraucher interessanter zu machen. Nicht aromatisierte Lebensmittel nehmen unsere von früh auf an künstliche Aromen gewöhnten Geschmacksnerven als fad war.

Dasselbe Phänomen nehmen wir auch bei unseren Haus-, ja sogar Nutztieren wahr. Legt man einem Hund, der bislang die Fütterung mit industriell erzeugter Nahrung gewöhnt war, ein Stück unbearbeitetes Fleisch hin, wird er es erst einmal ablehnen. Es riecht und schmeckt für ihn nach fast gar nichts, da er die weitaus stärkeren, synthetisch erzeugten Aromastoffe gewohnt ist, die nahezu jedem industriell hergestellten Hundefutter beigegeben werden.

Aromaverlust kompensieren

Neben dem "Interessantermachen" werden der Nahrung Aromastoffe auch aus dem Grund zugesetzt, um den Aromenverlust, der sich während der technologischen Verarbeitung einstellt, zu kompensieren.

Hierzu werden in der Regel naturidentische Aromastoffe verwendet, da sie, ganz im Gegensatz zu künstlichen Aromastoffen, nicht ausdrücklich zur Aromatisierung von Lebensmitteln zugelassen sein müssen - schließlich sind sie ja chemisch mit den Naturstoffen identisch.

Tatsächlich sind die naturidentischen Aromastoffe den natürlichen in einer Hinsicht überlegen: Natürliche Aromastoffe, die aus einer aromaliefernden Pflanze gewonnen werden, kämpfen oft mit dem Problem von toxischen Verbindungen.

  • Die nachgebauten naturidentischen Aromen weisen aufgrund ihres Herstellungsverfahrens diese toxischen Verbindungen nicht auf.

Günstiger Preis

Dieser Grund spielt für die Verwendung naturidentischer Aromastoffe jedoch nur eine untergeordnete Rolle. In erster Linie werden sie wegen ihres günstigen Preises verwendet - und nicht zuletzt aus Gründen der Verfügbarkeit.

Vanillin

Manche natürlichen Aromen, wie beispielsweise reines Vanillin, das aus der Bourbon-Vanille extrahiert wird, sind nicht nur teuer, sondern auch selten. Um aber den großen bedarf an Vanille-Aromen zu decken, muss hier auf synthetisches Vanillin ausgewichen werden, das sich relativ preiswert und schnell in großen Mengen im Labor herstellen lässt.

Erdbeeraroma

Ein anderes Beispiel ist das beliebte Erdbeerarmoma, welches in

weite Verbreitung findet. Der Bedarf ist so groß, dass er von natürlichem Erdbeeraroma nicht befriedigt werden kann. Auch viele Kosmetika, beispielsweise Duschgels, erfreuen sich in der Erdbeervariante großer Beliebtheit. Die hier verwendeten Aromastoffe werden als Duftstoffe bezeichnet.

Ein Erdbeerduft lässt sich chemisch durch das so genannte "Erdbeeraldehyd" Ethyl-methylphenylglycidat bzw. 2,3-Epoxy-3-methyl-3-phenylpropansäure-ethylester imitieren. Dieses riecht stark nach frischen Erdbeeren, obwohl es in natürlichen Erdbeeren nicht vorkommt.