Biotherapie & Biochirurgie - Heilung durch Würmer, Blutegel und Maden
In der Biotherapie und Biochirurgie setzt man auf die Hilfe von lebenden Organismen, um unterschiedliche Erkrankungen und Wunden zu heilen. Dazu gehört beispielsweise eine alternative Behandlungsmethode für die Bekämpfung von antibiotikaresistenten Krankheitserregern. Diese erfolgt durch den Einsatz von lebenden Organismen, unter anderem werden dazu Maden und Blutegel eingesetzt. Lesen Sie alles Wissenswerte über die Biotherapie und Biochirurgie.
Biotherapie und Biochirurgie - Merkmale und Funktion
Ziel und Zweck der Biotherapie und Biochirurgie ist vor allem die Bekämpfung von Krankheitserregern wie Bakterien, die sich gegen eine Behandlung mit Antibiotika als resistent erweisen. Dazu werden lebende Organismen wie zum Beispiel Maden oder Blutegel, aber auch Viren eingesetzt.
Aufgrund der zunehmenden Resistenz von Bakterien gegenüber Antibiotika findet die Biotherapie zunehmend Verwendung
Zahlreiche Menschen leiden unter Wundheilungsstörungen, denen auch mit Antibiotika nicht beizukommen ist. Fußgeschwüre bei Diabetikern oder Venenleiden wie offene Beine lassen sich nur schwer behandeln, oft ist eine Amputation der letzte Weg.
Behandlungsmethoden, die es schon vor Jahrhunderten gab, gewinnen immer mehr Anerkennung und verzeichnen hohe Erfolgsraten.
- Fliegenmaden reinigen Wunden,
- Wurmeier werden zur Behandlung von Darmerkrankungen eingesetzt,
- Blutegel lindern rheumatische Erkrankungen.
Maden, Egel und Würmer werden in der Biochirurgie als fleißige Assistenten eingesetzt, die als effektives Reinigungskommando vielfältige Aufgaben übernehmen. Die Therapien mit dem kriechenden Getier sind praktisch nebenwirkungsfrei, allenfalls der Ekel steht Patienten im Weg.
Transport, Lagerung und Anwendungsdauer von Maden und Co.
Die Züchtung der Maden in Labors erfolgt keimfrei. Sie werden anschließend in sterile Röhrchen gefüllt und in diesen geliefert.
Eine gründliche Planung ist sehr wichtig. Nach einer Woche sind die Maden nicht mehr einsatzbereit, da sie sich verpuppen. Dabei muss ein Tag für den Sterilitätstest im Labor und einer zwecks Versand gestrichen werden. Eine solche Organisation bringt es mit sich, dass viele Krankenhäuser mittlerweile feste Tage haben, an denen sie mit Maden arbeiten.
Bei kleinen Wunden werden die Maden ohne Verpackung auf diese gelegt, während man bei offenen, großflächigen Stellen auf Bio-Bags setzt. Der Speichel sowie die ausscheidungen glangen durch das Säckchengewebe in die Wunde.
Anwendungsgebiete: Wann helfen Biotherapie und Biochirurgie?
In der Bundesrepublik Deutschland leiden jedes Jahr etwa zwei Millionen Menschen an offenen Wunden. Ebenso besteht ein hoher Behandlungsbedarf durch Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Schuppenflechte.
Da sich bei vielen chronischen Wunden und Hauterkrankungen die Routinebehandlungen zunehmend als unwirksam erweisen, wird von Kliniken vermehrt auf die Anwendung der Biotherapie gesetzt. Bestandteile einer Biotherapie sind:
- die Madentherapie
- die Phagentherapie
- der Einsatz von Blutegeln
Kosten der Biotherapie
Allerdings wird eine Biotherapie nicht immer von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Eine Übernahme der Kosten erfolgt meist erst dann, wenn die Routinebehandlungen keine Wirkung erzielen.
Behandlungsmöglichkeiten: Formen der Biotherapie
Für die Anwendung einer Biotherapie mit lebenden Organismen kommen mehrere Möglichkeiten in Frage.
Madentherapie
Im Rahmen einer Madentherapie kommen keimfreie Maden zur Reinigung von chronischen Wunden zum Einsatz. Diese Therapie wurde bereits vor Jahrhunderten angewandt.
Geschichte der Madentherapie
Im 19. Jahrhundert wurden Maden zur Behandlung von verwundeten Soldaten eingesetzt. 1929 fand die Madentherapie auch die Aufnahme in die zivile Chirurgie und erwies sich als sehr erfolgreich.
Durch die Erfindung der Antibiotika geriet die Madentherapie allerdings außer Mode. Doch aufgrund der zunehmenden Resistenz von Bakterien gegenüber Antibiotika kommt die Madentherapie wieder häufiger zur Anwendung.
Ablauf der Madentherapie
Bei einer Madentherapie werden keimfreie Goldfliegenmaden, die speziell in einem Labor gezüchtet wurden, in Gazepäckchen, die Ähnlichkeit mit einem Teebeutel haben, auf die schlecht heilenden Wunden gelegt. Die Maden fressen dann ausschließlich das kranke und abgestorbene Gewebe auf. Auf diese Weise sorgen sie für eine Neubildung des Gewebes, wodurch sich die Wunde dann endlich schließen kann.
Durch die Bildung von abgestorbenem Gewebe verzögert sich die Heilung von Wunden, deshalb muss es regelmäßig entfernt werden. Im Zusammenhang mit der Wundheilung meint die Biochirurgie das Aufsetzen von sterilen Fliegenmaden auf hartnäckige Wunden mit nekrotischem Gewebe. Dabei sondern die Maden der heimischen Kaisergoldfliege (Lucilia sericata) Verdauungssekrete in die Wunde und an die Wundumgebung ab.
Bei diesem Prozess wird abgestorbenes Gewebe flüssig. Die Maden sind außerdem in der Lage antibiotische Substanzen freizusetzen, die eine antiseptische Wirkung haben.
Die Larven ernähren sich von dem produzierten Verdauungsbrei. Bei Forschungen wurde festgestellt, dass sich Wachstumsfaktoren im Verdauungssekret der Maden befindet, das die natürliche Wundheilung anreget.
Die Larven der Kaisergoldfliege ernähren sich ausschließlich von infizierten Gewebezellen; gesundes Gewebe tasten die Maden nicht an. Ein großer Vorteil gegenüber der Wundbehandlung mit dem Skalpell, bei der mit den Wundrändern auch gesundes Gewebe entfernt wird.
Nebenwirkungen der Madentherapie
Für die meisten Patienten verläuft diese ungewöhnliche Behandlung schmerzlos. Knapp ein Viertel der Patienten benötigt jedoch ein Schmerzmittel während der Behandlung. In manchen Fällen kann es durch die Maden auch zu Kribbeln und Juckreiz kommen.
Informieren Sie sich hier genauer über die Madentherapie.
Blutegelbehandlung
Eine Behandlung mit Blutegeln erfolgt vor allem bei:
Auch in der plastischen Chirurgie kommen sie zur Wundheilung zur Anwendung.
Wirkungsprinzip der Blutegelbehandlung
Behandlungen mit Blutegeln werden schon seit Jahrtausenden durchgeführt, doch bisher fehlen klinische Studienergebnisse, die den therapeutischen Nutzen eindeutig belegen. Beim Saugen mit ihrem Speichel geben die Blutegel verschiedene entzündungshemmende und blutgerinnungshemmende Substanzen ab. Diese ca. zwanzig Substanzen bilden eine Art pharmazeutischen Cocktail, der sich als wirksam gegen bestimmte entzündliche Erkrankungen erweist und darüber hinaus schmerzlindernd wirkt.
Die tierischen Therapeuten werden besonders häufig bei Erkrankungen mit Durchblutungsstörungen eingesetzt, zum Beispiel bei der Behandlung von
- Venenleiden wie Krampfadern, aber auch bei
- Bluthochdruck,
- Muskel- oder Gelenkerkrankungen wie Arthrose und Rheuma.
Die Blutegel werden für den medizinischen Gebrauch speziell gezüchtet und auf einer erkrankten Stelle des Körpers angebracht. Dort verbleiben sie etwa eine halbe Stunde, bis sie sich satt gefressen haben.
Danach werden sie von dem behandelnden Arzt wieder entfernt. Zu spüren ist lediglich ein leichtes Brennen.
Nach einem Biss in die menschliche Haut können Blutegel bis zu 6 ml Blut aufsaugen, durch die Nachblutungen werden zusätzliche Blutmengen bis zu 30 ml freigesetzt. Der Biss fühlt sich an wie ein Mückenstich und verursacht keine erwähnenswerten Schmerzen. Hat sich der Egel nach etwa 10 bis 30 Minuten vollgesaugt, fällt er ab.
Nebenwirkungen der Blutegelbehandlung
Als Nebenwirkungen können leichtes Nachbluten und kleine Irritationen der Haut auftreten. Manchmal kann es auch zu leichter Kreislaufschwäche kommen.
Informieren Sie sich hier genauer über die Blutegelbehandlung.
Phagentherapie
Eine weitere Variante der Biotherapie ist die Behandlung mit Bakteriophagen. Dies sind Viren, die darauf spezialisiert sind, Bakterien anzugreifen. Dadurch regulieren sie den Bestand der Bakterien.
Eine Phage befällt ein Bakterium und bringt es zum Platzen. Dies geschieht solange, bis keine Bakterie mehr übrig ist. Danach sterben auch die Bakteriophagen ab.
Die Therapie wird, aufgrund zunehmender Antibiotikaresistenz von Bakterien, wieder häufiger verwendet. So dienen mit Bakteriophagen versehende Wundauflagen zum Beispiel zur Behandlung von Neurodermitis.
Wurmeier gegen entzündliche Darmerkrankungen
Allein in Deutschland leiden rund 300.000 Menschen an Autoimmunkrankheiten wie Morbus Crohn. Entzündliche Darmerkrankungen lassen sich häufig auch mit starken Medikamenten nicht wirksam behandeln. Die Wurmeier des Schweine-Peitschenwurms sollen Patienten Linderung verschaffen.
Zweimal pro Monat wird eine wässrige Flüssigkeit mit enthaltenen Wurmeiern verabreicht, die im Darm als Parasiten schlüpfen. Für den Menschen sind die Würmer harmlos, denn sie sterben bereits nach wenigen Tagen ab und werden auf natürlichem Wege ausgeschieden.
Mit diesem Verfahren soll das Immunsystem trainiert und zur Selbstheilung angeregt werden. Auch Erkrankungen wie Asthma oder bestimmte Allergien wurden mit Wurmeier-Cocktails erfolgreich behandelt.
Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Beschwerden bei zahlreichen Patienten deutlich besserten. Für eine wissenschaftliche Untermauerung der Methode müssen jedoch weitere Studien erfolgen.
Saugbarben gegen Schuppenflechte
Des Weiteren kommen auch Fische zum Einsatz. Saugbarben können bei Schuppenflechte eine große Hilfe darstellen. Auch wenn die Erkrankung nicht geheilt werden kann, so lässt sich ein großes Plus an neuer Lebensqualität zurückgewinnen.
Wie die Schuppenflechte verläuft, hängt dabei aber auch von der psychischen Verfassung des Patienten ab. Ist dieser entspannt, kann sich das positiv auswirken - die Verbesserung durch die Biotherapie kann immens dazu beitragen.
- Cancer chemotherapy and biotherapy, Lippincott Williams & Wilkins, 2006, ISBN 0781756286
- Biotherapy - history, principles and practice, Springer, 2013, ISBN 9789400765849
- Innovative Biotherapie, Hippokrates-Verlag, 1987, ISBN 3777308528
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