Schulterdystokie - Ursachen, Symptome, Risiken und Behandlung

Die Kindslage, also die Lage des Kindes im Mutterleib, ist wichtig für den reibungslosen Ablauf einer natürlichen Geburt. Es gibt Kindslagen, in denen das Kind nicht auf natürliche Weise von der Mutter entbunden werden kann. Und es gibt Kindslagen, bei denen während der Geburt mit großen Komplikationen zu rechnen ist. Bei der Schulterdystokie handelt es sich um eine unerwartete, seltene Komplikation während der Geburt. So zeigt sich beim Geburtsvorgang eine inkorrekte Einstellung der Schultern des Babys im Becken der Mutter, was zu einer Verzögerung des weiteren Vorgangs führt.

Von Jens Hirseland

Häufige Kindslagen im Mutterleib

Schädellage

Die häufigste Kindslage im Mutterleib ist die Schädellage. Bei der Schädellage liegt das Kind mit dem Kopf nach unten im Mutterleib.

Es wird unterschieden, ob das Kind mit dem Rücken nach rechts oder nach links liegt. Liegt das Kind in Schädellage im Mutterleib, so ist in der Regel nicht mit Komplikationen während der Geburt zu rechnen.

Sternengucker

Anders ist das bei den so genannten "Sternenguckern". Bei dieser Lage befindet sich das Kind zwar ebenfalls in Schädellage, allerdings liegt das Kind hier mit dem Rücken zur Wirbelsäule der Mutter.

Das bedeutet, dass das Kind mit dem Gesicht nach oben auf die Welt kommt. Bei dieser Lage ist eine Verzögerung der Geburt oder ein Geburtsstillstand möglich.

Beckenendlage und Querlage

Es gibt darüber hinaus noch weitere Kindslagen, bei denen eine natürliche Geburt nicht ratsam oder nicht möglich ist. Zu diesen Kindslagen zählen die Beckenendlage und die Querlage des Kindes.

Bei der Beckenendlage liegt das Kind mit dem Steiß im mütterlichen Becken. Bei einer Querlage liegt das Kind quer im Mutterleib. Bei einer Querlage ist ein Kaiserschnitt zwangsläufig.

Abgesehen von den häufigsten Kindslagen, die über den Verlauf einer Geburt entscheiden, gibt es auch Komplikationen, bei denen sich die Lage des Kindes während der Geburt verändert und so der Verlauf der Geburt verzögert wird. Zu diesen Geburtskomplikationen zählt auch die Schulterdystokie.

Die Schulterdystokie

Bei einer Schulterdystokie handelt es sich um eine Kindslage, die sich erst während der Geburt entwickelt. Das bedeutet, dass die Ärzte und Hebammen erst direkt während der Geburt mit dieser Komplikation konfrontiert werden.

Bei Kindern, die sich beispielsweise in Beckenendlage im Mutterleib befinden, können die Ärzte schon vor der Geburt die entsprechenden Maßnahmen einleiten, um mögliche Komplikationen zu vermeiden. Bei einer Schulterdystokie ist das nicht möglich.

Formen

Zu einer Schulterdystokie kommt es in einem Stadium der Geburt, bei dem der Kopf des Kindes bereits aus dem Mutterleib herausschaut. Liegen die Schultern des Kindes dann entweder längs oder quer im Becken der Mutter, so kommt die Geburt zum Stillstand.

Wenn die Schultern des Kindes quer oder längs im Becken liegen kommt es zum Geburtsstillstand
Wenn die Schultern des Kindes quer oder längs im Becken liegen kommt es zum Geburtsstillstand

Bei einer Schulterdystokie gilt es, zwischen zwei Formen zu unterscheiden. Dies sind:

  1. der hohe Schultergeradstand
  2. der tiefe Schulterquerstand

Von einem hohen Schultergeradstand spricht man, wenn eine Längseinstellung der Schultern im Eingang des Beckens vorliegt. Dadurch bleibt die vordere Schulter an der Schambeinfuge (Symphysis pubica) hängen.

Im Falle eines tiefen Schulterquerstands stehen die Schultern am Beckenboden quer, weil ihre Rotation in der Beckenmitte ausbleibt. Die möglichen Komplikationen entstehen bei einem hohen Schultergeradestand des Kindes.

Bei einem tiefen Schulterquerstand findet die sonst übliche Rotation des Kindes im Geburtskanal nicht statt. Das führt dazu, dass die Schultern nun in der Beckenmitte quer zum Beckenboden der Mutter stehen.

Symptomatik und mögliche Spätfolgen

Bemerkbar macht sich eine Schulterdystokie durch einen Geburtsstillstand nach der Geburt des Kopfes. Liegt ein hoher Schultergeradstand vor, wird der kindliche Kopf von der Vulva der Mutter wie eine Halskrause umschlossen.

Da das Kind außerdem unter Sauerstoffmangel leidet, gilt die Schulterdystokie als geburtshilflicher Notfall, wodurch rasches Handeln erforderlich ist. So besteht bei längerem Anhalten der Dystokie und des Sauerstoffmangels die Gefahr von Hirnschädigungen und Armplexuslähmungen. Auch ein Bruch von Schlüsselbein oder Oberarm ist möglich.

Im schlimmsten Fall kann diese Komplikation während der Geburt auch zum Tode des Kindes führen. Die Sterblichkeitsrate der Kinder liegt bei einer Schulterdystokie zwischen zwei und 16 Prozent.

Ursachen

Verursacht wird eine Schulterdystokie von einer Übergröße des Babys. So wiegt das Kind oft über 4.000 Gramm. Die Dystokie zeigt sich vor allem bei diabetischen Müttern, bei denen eine Makrosomie besteht.

Dabei ist die Breite der Schultern größer als der Umfang des Kopfes. Als weitere Ursache kommt ein verfrühtes Geburtsmanagement infrage, sodass dem Rumpf nicht genügend Zeit bleibt, eine regelgerechte Einstellung vorzunehmen.

Für Ärzte ist es kaum möglich, eine solche Komplikation während der Geburt vorherzusehen. Allerdings gibt es Risikofaktoren, die eine Schulterdystokie wahrscheinlicher machen.

Ist die Mutter stark übergewichtig, so können übermäßige Fetteinlagerungen im Becken dazu führen, dass sich die kindlichen Schultern nicht korrekt ins mütterliche Becken einfügen können. Bei zu großen Kindern (makrosomen Kindern) können Fettdepots am Rumpf dafür sorgen, dass eine Drehung in die korrekte Lage nicht möglich ist.

Behandlung

Tritt während einer Geburt eine Schulterdystokie auf, so sind die Ärzte gezwungen, das Kind mit speziellen Griffen und Manövern in eine Lage zu bringen, die eine natürliche Geburt ermöglicht. Ein schnelles Handeln ist hier enorm wichtig, damit es beim Kind zum Beispiel nicht zu einer durch Sauerstoffmangel verursachten Schädigung des Gehirns kommen kann.

Die Behandlung der Schulterdystokie richtet sich nach der jeweiligen Form. Handelt es sich um einen hohen Schultergeradstand, verabreicht man zunächst ein Tokolytikum, um die Wehentätigkeit zu hemmen. Darüber hinaus erfolgt ein Scheidendammschnitt (Episiotomie), der dazu dient, mehr Platz zu schaffen.

McRoberts-Manöver

Anschließend führt der Arzt das sogenannte McRoberts-Manöver durch. Zu diesem Zweck streckt er die Beine der Mutter, um die Conjugata vera etwas zu vergrößern.

Durch die manuelle Ausübung von Druck unmittelbar über der Symphyse lässt sich zudem die Rotation des Kindes in der Längsachse verstärken. Dabei ist es möglich, dass die Schultern den schrägen Durchmesser erreichen.

Ist die Rotation gelungen, wird eine maximale Beugung im Hüftgelenk vorgenommen, wodurch die vordere Schulter mehr Platz erhält. Liegt ein tiefer Schulterquerstand vor, dreht man das Kind nach der Episiotomie am Kopf in seiner Längsachse.

Weitere Möglichkeiten:

  • das Gaskin-Manöver, bei dem die Mutter sich in den Vierfüßlerstand begibt, um den Abstand zwischen Symphse und Steißbein zu erweitern
  • die Lageveränderung der Mutter, um die an der Symphse festhängende Schulter zu lösen
  • die Lösung des hinteren Armes nach Jacquemeier, bei dem der hintere Oberarm des Kindes über den Thorax luxiert wird
  • das Manöver nach Rubin, bei dem die vordere Schulter des Babys in den schrägen Durchmesser unter der Symphse gedrückt wird
  • das Manöver nach Woods, bei dem die vordere Schulter des Babys in den queren Durchmesser gedrückt wird

Vorbeugung

Damit es gar nicht erst zu einer Schulterdystokie kommt, ist es wichtig, die Risikofaktoren im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen rechtzeitig festzustellen. Seit einigen Jahren steht ein Tool zur Verfügung, mit dem sich die Wahrscheinlichkeit für eine Schulterdystokie relativ genau vorhersagen lässt.