Geschichte der Bisexualität und mögliche Probleme, denen sich bisexuelle Menschen stellen müssen

Ob man sich als Bisexueller outet oder lieber nicht, will gut überlegt sein. So haben Bisexuelle mit zahlreichen Vorurteilen und Schwierigkeiten zu kämpfen.

Von Jens Hirseland

Die Geschichte der Bisexualität

Bisexuelle führen Beziehungen sowohl mit Männern als auch mit Frauen, da sie sich zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlen. Seit wann es Bisexualität gibt, ist nicht genau bekannt. Sie wurde aber bereits in der Antike praktiziert.

Erste Dokumentationen von Bisexualität

Die ersten Zeugnisse von Bisexualität sind von den alten Griechen und Römern bekannt. Dabei sah man eine erotische Anziehung zu beiden Geschlechtern in der Gesellschaft sogar als universelle Form an.

Zwar gab es auch schon damals die ausschließliche Fixierung auf ein Geschlecht, sie wurde jedoch nur selten thematisiert. War dies dennoch der Fall, wie zum Beispiel in dem Werk "Die Arten zu lieben" aus dem 4. Jahrhundert n. Chr., geschah dies zumeist mit einem ironischen Unterton.

Im Mittelalter vertraten zahlreiche islamische Geistliche die Ansicht, dass eine erotische Anziehung zu beiden Geschlechtern eine grundlegende Gegebenheit des menschlichen Daseins wäre. Gleichgeschlechtlichen Verkehr stuften sie jedoch als schwere Sünde ein.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Verlässliche historische Aussagen zur Bisexualität beschränken sich meist nur auf die Sexualität von Männern, was auf die seinerzeit patriarchalisch geprägten Gesellschaftsstrukturen zurückzuführen ist.

18. Jahrhundert

Zu einer literarischen Bewegung, die auch die weiblichen Bedürfnisse berücksichtigte, kam es erst im 18. Jahrhundert in Europa. Dabei gehörte die Liebe zwischen Freundinnen zu den beliebtesten Themen. Auf die Schilderung von sexuellen Aktivitäten verzichtete man jedoch, da dies als gesellschaftlich anstößig galt.

So beschrieb man die Beziehungen zwischen Frauen eher im romantischen Sinne als Seelenverwandtschaft oder Freundschaft, die auch bei einer Beziehung mit einem Mann fortdauerte. In der arabischen Welt benannte man dagegen sexuelle Beziehungen zwischen Frauen durchaus beim Namen, was aber eher selten der Fall war.

20. Jahrhundert

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts benutzte man den Begriff "Bisexualität" noch als Bezeichnung für Menschen, die sowohl über weibliche als auch über männliche Geschlechtsmerkmale verfügten.

Der berühmte Psychoanalytiker Sigmund Freud (1856-1939) brachte die gewagte These ins Spiel, dass alle Menschen grundsätzlich bisexuell seien. Der homosexuelle Anteil würde jedoch durch Zwänge und Tabus in der Gesellschaft unterdrückt oder verdrängt.

Gründung von Selbsthilfegruppen

In den 70er und 80er Jahren bildeten bisexuelle Menschen zahlreiche lokale Selbsthilfegruppen, um sich gegen Diskriminierungen in der Gesellschaft einzusetzen. 1992 wurde in Deutschland das Bisexuelle Netzwerk e.V. (BiNe) ins Leben gerufen, das die bislang einzige vereinte Bi-Bewegung im deutschsprachigen Raum ist.

Probleme, denen sich Bisexuelle stellen müssen

Sich als bisexuell zu outen, ist nicht immer leicht. Oftmals begründen bisexuelle Menschen ihre Neigung zu beiden Geschlechtern damit, dass sie auf diese Weise etwas erhalten, was ihnen nur ein Geschlecht nicht geben kann. Bisexualität wird auch als Ambisexualität bezeichnet.

Doch bisexuell zu sein, bringt auch viele Probleme mit sich. Viele betroffenen Frauen und Männer leiden häufig unter einer inneren Zerrissenheit, weil sie sich aufgrund der vorherrschenden Gesellschaftsverhältnisse entweder für einen Mann oder für eine Frau entscheiden müssen.

Familiengründung

Mag anfänglich das sexuelle Vergnügen im Vordergrund stehen, rückt bei vielen Bisexuellen früher oder später der Wunsch nach einer Familie mit Kindern in den Mittelpunkt.

Dann stehen sie vor der Wahl, ein normales Familienleben zu führen und die aufkommenden Sehnsüchte zu unterdrücken oder sich für ein Zusammenleben mit dem eigenen Geschlecht zu entscheiden, was wiederum oft den Verzicht auf eine eigene Familie bedeutet.

Gesellschaftlicher Druck

Das große Problem für Bisexuelle ist, dass sie eine Entscheidung treffen müssen, ohne diese eigentlich zu wollen, da sie beide Geschlechter lieben und brauchen. Darüber hinaus wird an Bisexuellen häufig kritisiert, dass sie sich nicht offen zu ihrer Homosexualität bekennen würden.

Man gesteht ihnen nicht die Fähigkeit zu, Liebe für beide Geschlechter empfinden zu können. Mitunter outen sich Bisexuelle lieber nur als Homosexuelle, um auf diese Weise langwierigen und überflüssigen Debatten aus dem Weg zu gehen.

Zur Auslebung der Neigung kommt es nur selten

Von der Gesellschaft wird Bisexualität jedoch kaum wahrgenommen. So ist nicht einmal bekannt, wie viele Bisexuelle es überhaupt gibt. Der oft zitierte Kinsey-Report von 1948 ging davon aus, dass bis zu einem gewissen Punkt sogar 90 bis 95 Prozent der Bevölkerung bisexuelle Neigungen hätten.

Ausgelebt werden bisexuelle Orientierungen jedoch nur sehr selten, was Sexualwissenschaftler auf die gängige monosexuelle Kultur zurückführen. Manche Studien besagen, dass in den westlichen Industriestaaten mehr Frauen bisexuell sind als Männer. So fürchten viele Männer, als schwul eingestuft zu werden, wenn sie eine bisexuelle Beziehung eingehen.

Zudem wird Bisexualität meist mehr von Menschen mittleren Alters ausgelebt. Obwohl in den letzten Jahren sich immer mehr Männer und Frauen als schwul oder lesbisch outen, ist dies bei Bisexualität kaum der Fall. Als möglicher Grund dafür wird das Schubladendenken angesehen, das vieles vereinfacht. Eine solche Denkweise ist bei Bisexualität jedoch nicht möglich.

Den eigenen Partner schützen

Ein weiterer Grund, warum viele Bisexuelle lieber auf ein Outing verzichten, ist Rücksicht auf den jeweiligen Partner.

Viele heterosexuelle als auch homosexuelle Partner sehen in einem weiteren Partner, der zum anderen Geschlecht gehört, eine Konkurrenz, mit der sie es nicht aufnehmen können, und wollen daher erst gar keine Beziehung zu einem bisexuellen Menschen eingehen.

Auch in Zukunft weiterhin problematisch

Während Homosexualität in Europa langsam toleriert wird, ist dies bei Bisexualität noch nicht der Fall. Das ist darauf zurückzuführen, dass Beziehungen zwischen drei Menschen nicht in das gängige Weltbild passen. So werden sich Bisexuelle auch in Zukunft die Frage stellen müssen, ob sie sich outen sollen oder nicht.

Problem einer genauen Definition von Bisexualität

Allerdings gibt es auch noch keine präzise Definition, ab wann ein Mensch wirklich bisexuell ist. Darüber hinaus ist Bisexualität keineswegs ein endgültiger Zustand, sondern kann sich im Laufe des Lebens in die eine oder andere Richtung ändern.

Manche Sexualwissenschaftler sehen die Bisexualität auch als Orientierungsphase, in der die Betroffenen nach ihrer sexuellen Identität suchen.

Andere Forscher behaupten wiederum, dass es Bisexualität gar nicht gebe, und die Bisexuellen in Wirklichkeit homosexuell seien - nur aufgrund des gesellschaftlichen Drucks würden die Betroffenen auch das andere Geschlecht als attraktiv ansehen.

Warum Bisexualität oft kritisch betrachtet wird

Ein großes Problem für Bisexuelle stellt die in der Gesellschaft vorherrschende Monogamie dar. So gehört Treue sowohl bei Hetero- als auch bei Homosexuellen zu den wichtigsten Grundlagen einer Beziehung.

Für Bisexuelle, die zugleich Frauen und Männer lieben, ist es daher oft schwierig, eine monogame Beziehung zu führen, sodass Beziehungsprobleme meist vorprogrammiert sind. Bisexuelle Beziehungen erfordern daher ein besonders großes Maß an Toleranz.