Kamasutra, das Buch der Liebe: eine kleine Einführung

Kaum ein Buch hat je so viel Aufmerksamkeit erlangt wie das altindische Buch der Liebe. Vor rund 700 Jahren wurde es von einem Mann namens Vatsyayana geschrieben, von dem man bis heute nur weiß, dass er seiner Zeit weit voraus und äußerst diplomatisch mit den Religionsvertreter war.

Von Viola Reinhardt

Kamasutra - das Buch der Liebe

Um das Kamasutra drehen sich viele Ansichten, von denen viele in keiner Weise mit dem Inhalt des Buches übereinstimmen. Als pornografische Schrift ist es ebenso verschrien als auch als ein Buch, das nur den Männern zum Wohlgefallen geschrieben wurde. Doch das Gegenteil ist der Fall und wer sich näher mit sich selbst und seinem Partner beschäftigen möchte, kann in dem Werk vieles entdecken, dass nicht nur Spaß macht.

Mit Pornografie hat das Kamasutra nichts zu tun, denn allein schon die fast wissenschaftliche und sehr trockene Beschreibung der zahlreichen Sexstellungen lässt erkennen, dass hier ein Lehrbuch der Liebe zu finden ist und kein schmuddeliges pornografisches Buch.

Viel mehr als nur Sexstellungen: Aufbau und Inhalte

Für Frauen als auch Männer gibt es eine Vielzahl an Informationen rund um

die auch heute nach vielen Jahrhunderten aktueller sind als je zuvor.

Zwei der wichtigen Fragen, die in dem Buch zur Aufklärung gelangen, sind beispielsweie:

  1. Wie wird man eine gute Geliebte?
  2. Welche Freuden kann ein Mann seiner Geliebten bringen?

Das Kamasutra war als Anleitung für die erotisch-sexuelle Liebeskunst, aber auch für die ethische Liebe gedacht. Auch homosexuelle Sexualpraktiken sind enthalten, die sich den heterosexuellen Praktiken jedoch klar unterordnen.

Im Jahr 1884 wurde das Werk aus dem Sanskrit ins Englische übersetzt, wobei man die homosexuellen Praktiken einfach wegließ.

Neben den Anleitungen zum Geschlechtsverkehr enthält das Kamasutra aber auch Beschreibungen und Reglementierungen über:

  • die Wahl des Partners
  • Ehebruch
  • Machterhalt in der Ehe
  • Prostitution
  • Drogengebrauch

Insgesamt sind in dem Kamasutra 1.250 so genannte Sutren enthalten. Gegliedert werden die Sutren in sieben Hauptteile, die man als Adhikaran bezeichnet und 36 Kapitel, die man Adhyaya nennt.

Spricht man mit jemanden über das Kamasutra, dann wird als erstes zumeist ein breites Grinsen auf dem Gesicht sichtbar, denn trotz aller Aufklärung über das Buch der Liebe, wird es immer noch bei den meisten Menschen auf die enthaltenen Sexstellungen reduziert.

Körperliche Fitness wird vorausgesetzt

Sportlich muss man hierfür sein, denn so manch eine Liebesposition erinnert an Übungen aus dem Yoga. Viele der abgebildeten und erklärten Sexualstellungen sind nicht für Jedermann geeignet, denn wer gesundheitlich etwas angeschlagen ist, wird kaum über Kopf und in einer hängenden Position die Freuden der Liebe empfangen können.

Die drei Güter Dharma, Artha und Kama

Grundlage des Kamasutra ist der altindische Glauben, bei dem der Erwerb von drei Gütern wichtig ist. Dies sind:

  1. Dharma, das spirituelle Wohl
  2. Artha, die materiellen Güter
  3. Kama, der sinnliche Genuss

Um das Kamasutra besser verkaufen zu können, fügten die Verleger im Laufe der Zeit immer mehr erotisches Bildmaterial hinzu. Schließlich stellten die Bilder über die verschiedenen Sexstellungen den überwiegenden Teil des Werkes dar, weil man zugleich den Textanteil mehr und mehr auf die Bildunterschriften reduzierte.

Eine solche materialistische Einstellung war von dem Autor jedoch nicht beabsichtigt, der mit seinem Werk stattdessen die Scheinheiligkeit der religiösen Gelehrten und die Doppelmoral der Höflinge bloßstellen wollte.

Ein lehrreiches Buch aus dem 13. Jahrhundert

Einmal von diesen Liebespositionen abgesehen, erlaubt das Kamasutra vor allem die (sexuelle) Entdeckung seiner selbst.

  • Wie der Körper der Frau und des Mannes beschaffen ist,
  • welche Freuden man sich selbst und dem anderen bringen kann oder auch
  • was alles zu einer liebevollen und funktionierenden Partnerschaft dazu gehört,

werden in unterschiedlichen und sehr ausführlich geschriebenen Kapiteln leicht und verständlich erklärt. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass dieses Buch im 13. Jahrhundert geschrieben wurde und hierbei auch noch aus früheren Zeiten Informationen und Kenntnisse anderer Gelehrte mit eingeflossen sind.

Auswirkungen der indischen Kultur

Obwohl das Vatsyayana Kamasutra, wie es vollständig heißt, oft nur als simples Erotiklehrbuch betrachtet wird, geht es jedoch weit darüber hinaus. So herrschten im indischen Kulturraum strikte soziale Zuordnungen. Soziales Verhalten wurde daran gemessen, was innerhalb einer bestimmten Kaste getan werden durfte. Bei Abweichungen von der Norm drohten Sanktionen.

Sämtliche Kasten und Schichten wurden von einer patriarchalischen und heterosexistischen Ordnung beherrscht. In den Zentren, in denen das Kamasutra verfasst wurde, geriet diese Ordnung jedoch ins Wanken.

Fazit

Insgesamt betrachtet, sollte man das Kamasutra als eine Anleitung betrachten, die viele neue Erkenntnisse über das Weibliche und das Männliche übermittelt, die schlussendlich mit der einen oder anderen Liebesposition zur Erfüllung in der (sexuellen) Liebe führen kann. Dass man hierbei nicht nur geistig beweglicher wird, sondern vor allem auch körperlich, kann im Endeffekt nur nützlich sein.