Wissenswertes zur Kastration

Bei einer Kastration handelt es sich um das chirurgische Entfernen der Keimdrüsen. Das heißt, dass beim Mann die Hoden und bei der Frau die Eierstöcke herausoperiert werden.

Von Jens Hirseland

Die Kastration ist ein operativer Eingriff, der zur Entfernung der Gonaden (Keimdrüsen) dient. Auf diese Weise wird die Fähigkeit des Körpers, sich zu vermehren, beendet. Neben Anwendungen in der Humanmedizin zur Therapie von bestimmten Krebserkrankungen finden Kastrationen auch in der Tiermedizin statt.

Während bei Männern im Rahmen einer Kastration die Hoden herausoperiert werden, was man als Orchiektomie bezeichnet, entfernt man der Frau die Eierstöcke (Ovarektomie).

Unterschiedliche Formen der Kastration

Eine Kastration lässt sich auf zwei Arten durchführen:

  1. auf chirurgische Weise
  2. auf chemische Weise

Bei einer Operation entfernt der Chirurg entweder die Keimdrüsen oder sorgt dafür, dass die Verbindung mit den Blutgefäßen, die die Drüsen versorgen, unterbrochen wird.

Von einer chemischen Kastration ist die Rede, wenn man mithilfe von Medikamenten die Produktion der Hormone stoppt. Eine weitere Variante stellt die Strahlenkastration bzw. Röntgenkastration dar. Dabei erfolgt das Zerstören der Keimdrüsen per ionisierender Strahlung.

Eine Kastration zieht schwerwiegende Folgen für einen Menschen nach sich. So bedeutet sie die Unfruchtbarkeit der betroffenen Person.

Kastration vor der Pubertät

Erfolgt die Kastration bereits vor der Pubertät, kommt es dadurch zu einem geringeren Kehlkopfwachstum. Außerdem bleibt der Stimmbruch aus, sodass die Stimme des Betroffenen einer hohen Tenorstimme gleicht.

Des Weiteren kommt es zu Störungen der Verknöcherung, was wiederum zu längeren Gliedmaßen und Hochwuchs führt. Mediziner sprechen dann von einem eunuchoiden Körperbau. Die Haut bleibt zart und blass wie bei einem Kind.

Weitere Merkmale sind:

Das Sexualverlangen kastrierter Menschen ist deutlich geringer ausgeprägt als bei normalen Personen. Ebenso sind psychische Probleme wie Depressionen keine Seltenheit. Darüber hinaus werden kastrierte Menschen innerhalb der Gesellschaft häufig diskriminiert und verachtet.

Kastration im Erwachsenenalter

Wird eine Kastration dagegen bei einem erwachsenen Menschen durchgeführt, kommt es nicht zu diesen Wirkungen. Allerdings nimmt der Geschlechtstrieb deutlich ab. Auch Erektionsstörungen sind im Bereich des Möglichen.

Die Persönlichkeit der Betroffenen leidet häufig unter diesem Eingriff, was sich durch Labilität und Depressionen bemerkbar macht. Weiterhin drohen:

Kastration bei Frauen

Beim weiblichen Geschlecht hat das Entfernen der Eierstöcke den Beginn der Menopause zur Folge.

Medizinische Anwendungsgebiete

Durchgeführt wird eine Kastration beim Mann in erster Linie zur Behandlung von Prostatakrebs. So ist vor allem das Geschlechtshormon Testosteron für das Bestehen und Ausbreiten des Tumors verantwortlich. Können die Hoden jedoch ausgeschaltet werden, kommt es zum Absinken der Testosteronkonzentration im Körper und damit oftmals zum Rückgang des Tumors.

Theoretisch ist auch eine weibliche Kastration möglich. Da die anatomische Lage jedoch weitaus komplizierter als beim Mann ist, erfolgt sie jedoch nur äußerst selten.

Geschichtliche Hintergründe der Kastration

Kastration als Demütigung

Kastrationen bei Männern fanden bereits im Altertum statt. So wurden in zahlreichen Kulturen Männer kastriert, um sie zu demütigen. Ein Sklave der besonderen Art war der Eunuch, der seiner Männlichkeit und oft sogar seines Penis beraubt wurde, um einen Harem mit Frauen bewachen zu können.

Bei Kriegsgefangenen wurden Kastrationen auch durchgeführt, um sie auf diese Weise fügsamer zu machen. So kam es durch einen niedrigeren Testosteronspiegel bei den Betroffenen zu weniger Aggressionen.

Kastration aus religiösen Gründen

Mitunter erfolgten Kastrationen aber auch aus religiösen Gründen. Zum Beispiel handelte es sich bei den Priestern der großen Göttermutter Kybele, die im Römischen Reich agierten, ausschließlich um Eunuchen.

So wurden im Rahmen des Frühlingsfestes regelmäßig Selbstverstümmelungen von Kybeles Anhängern vorgenommen, bei denen sie sich ihre Hoden abtrennten und in die Menge warfen. Anschließend stattete man die neuen Eunuchen mit Frauengewändern aus.

Das amateurhafte Entfernen der Hoden hatte jedoch nicht selten negative gesundheitliche Folgen wie chronische Blasenschwäche und Harnröhreninfektionen zur Folge.

Kastration in China

In China hielt sich das Durchführen von Kastrationen bis ins Jahr 1912. Dabei verkauften die eigenen Eltern ihre Kinder als Eunuchen an den kaiserlichen Palast. Mit der Gründung der Chinesischen Republik und der Absetzung des letzten Kaisers endete dieser Brauch jedoch.

Kastrationen für die Kunst

In Italien war es vom Mittelalter bis in die Neuzeit üblich, Knaben zu kastrieren, um deren hohe Stimme für die Sangeskunst zu erhalten. Diese Sitte ging von den Konservatorien in Neapel aus, die zunächst als Verwahranstalten für Waisenkinder dienten. Von Neapel aus verbreiteten sich solche Einrichtungen über ganz Italien.

Für eine kleine Summe kauften die Konservatorien über Eunuchenhändler armen Menschen deren Kinder ab. Diese wurde nach ihrer illegalen und heimlichen Kastration stimmlich ausgebildet.

Nicht selten kam es jedoch nach einer Kastration zu Todesfällen aufgrund von schwerwiegenden Komplikationen. So waren weder Antibiotika noch sterile Operationsbedingungen zu jener Zeit vorhanden. Zu den populärsten Kastratensängern zählte Carlo Broschi (1705-1782), der auch als Farinelli bekannt war.

Kastration im Christentum

In der römisch-katholischen Kirche durften Eunuchen nach einem Beschluss des 1. Konzils von Nicäa nur dann das Amt des Priesters antreten, wenn die Kastration nicht aus eigenem Antrieb erfolgte.

Im Jahr 1587 wurde von Papst Sixtus V. das sogenannte Impotenzdekret verfügt. Dieses besagte, dass ein Mann nur dann heiraten durfte, wenn er über Samen aus seinen Hoden verfügte. So wurde die Zeugungsfähigkeit Grundvoraussetzung für eine Heirat.

Dennoch beschäftigte auch der Papst Kastraten für seinen Sixtinischen Chor. Die Kastration von Jungen dauerte in Italien noch bis ins 19. Jahrhundert an. Ein formelles Verbot für Kastraten für den Sixtinischen Chor erfolgte dann 1903 durch Papst Pius X.

Kastration an Sexualstraftätern

Kastrationen sind in manchen Ländern auch bei Sexualstraftätern möglich, bei denen ein hohes Rückfallrisiko besteht. So lässt sich zum Beispiel in Polen seit 2009 eine chemische Zwangskastration durchführen. Auf diese Weise soll die Gefahr durch den Triebtäter verringert werden.

In der Tschechischen Republik muss dazu allerdings mittlerweile die Einwilligung des Straftäters in eine Kastration erfolgen.

Eine weitere Option ist die hormonelle Kastration mithilfe von Antiandrogenen, die reversibel ist und in den USA auf freiwilliger Basis durchgeführt wird. Allerdings gilt diese Behandlungsform als weniger effizient. So gab es schon zahlreiche Fälle, in denen von hormonell kastrierten Personen sexuelle Straftaten begangen wurden.

Kastration bei Tieren

Im Gegensatz zum Menschen ist das Kastrieren von Tieren weit verbreitet. So gehört das Kastrieren zu den veterinärmedizinischen Eingriffen, die am häufigsten vorgenommen werden.

Zum Beispiel dient bei Haustieren wie Katzen, Hunden und Frettchen eine Kastration dazu, unerwünschten Nachwuchs zu vermeiden. Außerdem lassen sich auf diese Weise potentielle Erkrankungen vermeiden und die Haltung der Tiere leichter gestalten.

Ebenfalls weit verbreitet ist die Kastration in der Landwirtschaft. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, unangenehmen Geruchsveränderungen entgegenzuwirken, was besonders für Schweine und Ziegen gilt.

Außerdem verbessert sich dadurch der Fleischgeschmack. So erfolgt vor allem bei männlichen Schweinen vor deren Schlachtung eine Kastration.

Nicht selten werden Kastrationen zudem bei Pferden vorgenommen, damit diese sich nicht zu stark vermehren. Darüber hinaus lässt sich das Sozialverhalten der Reittiere positiv verändern. So kommt es zu weniger Aggressionen und Kämpfen untereinander.

In der Zoologie erhalten Tiere, die kastriert wurden, besondere Bezeichnungen, um sie von Artgenossen, bei denen keine Kastration erfolgt, unterscheiden zu können. So bezeichnet man ein kastriertes männliches Pferd als Wallach, ein Schwein als Borg oder Gelze, einen Stier als Ochsen und einen Schafbock als Hammel.

Durchführung

Bei einer Kastration von Tieren werden deren Gonaden entfernt. Weiterhin ist ein funktionelles Ausschalten der Hoden möglich. Bei Wiederkäuern greift man zu diesem Zweck auf Instrumente wie einen Elastrator oder eine Burdizzo-Zange zurück. Diese quetschen den Samenstrang sowie die Hodenblutgefäße durch den unversehrten Hodensack.

Alternativ lässt sich auch eine hormonelle Kastration vornehmen. Dabei verabreicht man dem betroffenen Tier Gestagene oder nimmt eine Immunisierung gegen das Hormon Gonadoliberin vor.

Rechtliche Aspekte

In Deutschland wird eine Kastration ohne Einwilligung der betroffenen Person als schwere Körperverletzung eingestuft. Verstößt die Einwilligung bei Körperverletzung jedoch gegen die guten Sitten, ist die Rechtswidrigkeit des Vorgehens mitunter ohne Bedeutung.

Grundsätzlich verboten ist in der Bundesrepublik Deutschland das Kastrieren von Minderjährigen. Bei intersexuellen Kindern und Jugendlichen lässt sich allerdings eine Kastration für eine medizinische Behandlung als notwendig einstufen.

In den meisten Ländern und Kulturen steht man einer Kastration negativ gegenüber. Auch das Kastrieren von Kindern und Jugendlichen, um deren Stimme zu erhalten, ist mittlerweile verpönt.