Gletscherwandern - Merkmale, Sicherungstechniken, Gefahren
Seine freien Tage auf einem gemütlichen Wanderweg zu verbringen, ist nicht jedermanns Sache. Immer mehr Sportler sehnen sich nach dem Extremen, möchten echten Nervenkitzel spüren, anstatt sich zu entspannen. Gletscherwandern gehört daher mittlerweile tatsächlich zu den Trendsportarten. Wer sich zwischen Eis und Schnee auf schmalen Graten entlang tastet, ist "in". Dabei vergessen viele Einsteiger, wie gefährlich diese Sportart doch sein kann. Lesen Sie alles Wissenswerte rund um das Gletscherwandern.
Gletscherwandern - Generelle Merkmale
Bei einer Gletscherwanderung handelt es sich um eine Wanderung, die den Hochtouren zugeschrieben wird. Die Touren finden also in hochalpinem Gelände statt. Das Besondere dabei ist, dass aber auch Anfänger eine solche Unternehmung erleben können, da immer mehr Bergschulen solche geführten Wanderungen anbieten.
Gletscherlandschaften findet man ab einer Höhe von etwa 2.500 Meter. Eine besondere Sicherung ist unumgänglich, um sich vor den größten Gefahren, den Gletscherspalten, möglichst gut zu schützen.
Mit dem traditionellen Wandern hat das Spazieren auf dem Gletscher somit kaum noch etwas zu tun. Gemütliches Entlangschlendern kann in den Eisfeldern im schlimmsten Fall tödlich ausgehen, daher ist stets höchste Konzentration gefragt.
Auch landschaftlich bietet der Gletscher nicht viel mehr als endloses Weiß. Wer sich Gletscherwandern als die aufregendere Version des normalen Wanderns vorstellt, der sollte sich wirklich schleunigst nach einem anderen Hobby umsehen.
Eine Gletscherwanderung wird stets von mehreren Personen unternommen. Diese sind mithilfe eines Gletscherseils miteinander verbunden.
In der Regel werden - zumindest für geführte Anfängertouren - zwei Tage angesetzt. In der ersten Etappe kommt man aus dem Tal zur Hütte, die meist als Übernachtungsmöglichkeit genutzt wird. Am nächsten Morgen bricht man Richtung Gipfel und Gletscher auf.
Eis das ganze Jahr über
In den hochalpinen Geländen findet man ganzjährig Flächen, die mit Eis bedeckt sind. Eine Gletscherwanderung startet im normalen Wandergelände. Man erreicht schließlich die Moräne, einer Schuttfläche, die als Vorbote des Gletschers angesehen wird.
Die Saison für Gletscherwanderungen beginnt im Juli und endet im September. Je wärmer es wird, desto instabiler werden die Schneebrücken, sodass auch die Gefahr der Spaltenstürze steigt. Diese entstehen durch die Bewegungen des Gletschers; wenn er etwa auf einen Fels trifft, entstehen dort die gefürchteten tiefen Bruchstellen.
Die sichere Ausrüstung für Gletscherwanderer
Beim Wandern im ewigen Eis ist man im besonderen Maße auf seine Ausrüstung angewiesen. Während man in tieferen Gefilden einen Steilhang mit bloßen Händen überklettern kann, so scheitert man im Gletscher schon an einer leichten Schräge. Gletscherwanderer benötigen daher in erster Linie Utensilien, die das Bewegen im Eis vereinfachen, beziehungsweise erst möglich machen.
Schuhe
Um in den Gletscher aufbrechen zu können, braucht man zuerst einmal eine ganz normale Wanderausrüstung. Dazu gehören vor allem gute Schuhe.
Sportler, die sich hauptsächlich auf das Gletscherwandern spezialisiert haben, besitzen meist ein paar spezielle Gletscherschuhe. Sie halten nicht nur extra warm, sondern haben auch eine besondere Sohle, die auch auf dem Eis besten Halt gewährleistet.
Wer nur interessehalber an einer Gletscherwanderung teilnehmen möchte, braucht sich jedoch nicht sofort mit solch teuren Schuhen einzudecken. Gute Wanderschuhe tun es für die ersten paar Wanderungen auch. Allerdings sollten sie groß genug sein, damit auch ein Paar dicke Thermosocken noch Platz haben.
Rucksack
Außerdem benötigt jeder Wanderer einen geräumigen Rucksack, in dem er
- Proviant
- Verbandsmaterial und
- zusätzliche Kleidung
verstauen kann.
Seil
Zum Gletscherwandern benötigt man zusätzlich zu den bereits genannten Ausrüstungsgegenständen auch ein Seil, um die anderen Teilnehmer der Gruppe sichern zu können. Welches Seil man in dem jeweiligen Gebiet benötigt, erfrägt man am besten vorher beim zuständigen Gletscherführer.
Steigeisen, Eispickel und Co.
Beim Gehen im ewigen Eis wird einem schnell klar, dass es ohne Zusatzmaterial einfach nicht geht. Ständig rutscht man mit den Füßen ab, scheint einfach nicht vorwärts zu kommen.
Daher werden beim Gletscherwandern sehr gerne spezielle Steigeisen verwendet, die sich bei jedem Schritt regelrecht ins Eis bohren. So hat man auch im Gletscher stets einen festen Tritt.
Zusätzlich empfiehlt sich die Anschaffung eines Eispickels. So hat man auch mit den Händen einen sicheren Halt, wenn es einmal bergauf geht. Zur Sicherung sind außerdem Karabiner und Schneeanker nötig.
Auf Qualität achten
Die Ausrüstungsliste scheint auf den ersten Blick nicht besonders lang, dabei kann die Anschaffung der einzelnen Gegenstände ganz schön ins Geld gehen. Wer sich tatsächlich in einen Gletscher wagen möchte, muss sich zu jeder Zeit ganz auf seine Ausrüstung verlassen können.
Sonderangeboten und Discountware ist daher dringendst abzuschwören. Nur wirklich hochwertige, gut verarbeitete Ware hält den Strapazen einer Gletscherwanderung unbeschadet stand.
Gefahrenquellen
Gletscherwandern ist deshalb so gefährlich, weil man besonders als Laie das Gelände nur sehr schlecht einschätzen kann. Ähnlich wie bei einem zugefrorenen See erkennt man durch die dicken Schneemassen kaum, ob der Weg sicher ist oder nicht. Größte Gefahr stellen hierbei die Gletscherspalten dar.
Sie können bis zu einhundert Meter tief werden und sind damit wahre Todesfallen. Ist man einmal in solch eine tiefe Spalte gestürzt, so trägt man in jedem Fall schwerste Verletzungen davon. Auch die Bergung aus derart tiefen Abgrund ist mit größten Komplikationen verbunden, selbst dann, wenn sofort eine professionelle Rettungsmannschaft zur Stelle ist.
Gletscherspalten aus dem Weg zu gehen, ist jedoch alles andere als einfach. Durch den starken Schneeeinfall ist es möglich, dass sich auf der Spalte eine Art Brücke aus Schnee bildet. Diese Brücke ist zwar stark genug, sich selbst zu tragen, kommt jedoch zusätzliches Gewicht, wie das eines Menschen beispielsweise, dazu, so stürzt sie plötzlich ein.
Hinweise zur Spaltenbergung
Eine umfangreiche Belehrung zum Thema Spaltenbergung erhält man im entsprechenden Kurs. Hier kann lediglich ein kleiner Überblick gegeben werden.
Zu den wichtigsten Punkten zählt die Seilschaft. Wie bereits erwähnt, sollte eine Wanderung niemals allein, mindestens mit zwei Personen absolviert werden.
Bei zwei Wanderern beträgt der Abstand zueinander 15 bis 18 Meter, bei drei 10 bis 12 und ab vier Personen zwischen acht und 10 Meter. Man knüpft einen Achterknoten in sein Seil und hängt einen Karabiner durch die Schlinge; die Befestigung erfolgt am Klettergurt.
Passiert es, dass ein oder mehrere Teilnehmer in eine Gletscherspalte rutschen, ist es wichtig, dass die verbliebenen Personen den Rest der Seilschaft abfangen. Stehen alle stabil, kann man mit der Bergung beginnen.
Es können unterschiedliche Maßnahmen zur Bergung eingeleitet werden, je nach Größe der Seilschaft. Der Mannschaftszug kommt ab vier Personen zum Tragen; dabei ziehen alle Teilnehmer am Seil, um den Betroffenen aus der Gletscherspalte zu befördern. In der Regel wird ein Eispickel unterlegt, um so das weitere Einschneiden des Seils zu verhindern.
Handelt es sich um weniger als vier Personen, führt man die lose Rolle durch. Dabei wird am Spaltenrand eine fixe Verankerung gesetzt. Es geht darum, dass man eine Lastübertragung ermöglicht - eine Reepschnur wird mit Prusikknoten am Seil angebracht; anschließend hängt man sie am Fixpunkt (T-Anker oder Eisschraube) - ein. Eine Person wandert mit Sicherung an dem Seil entlang, um den Betroffenen mithilfe eines Karabiners ins Bergungsseil einzuhängen.
Bei der Selbstrettung kommt der Prusikknoten zur Anwendung. Mithilfe dieses Knotens ist es einer Person möglich, sich am Seil entlang nach oben zu bewegen. In die untere Richtung hin erfolgt die Funktion als Sperre, da der Knoten zur Selbstblockade führt.
Weitere Gefahren
Doch die Gletscherspalten stellen nicht die einige Gefahr dar. Ebenfalls riskant kann die Wetterlage sein bzw. werden.
Am Berg kann es sehr schnell zu Wetterumschwüngen kommen, sodass man beispielsweise plötzlich von einem Sturm, starkem Schneefall oder Gewitter überrascht wird. Auch Nebel und tief hängende Wolken gehören dazu. Macht einem die Kälte zu schaffen, kann dies auch sehr schnell kräftezehrend werden, und auch die Psyche leidet darunter.
Ebenfalls gefährlich ist der Steinschlag, der auch von anderen Teilnehmern ausgelöst werden kann. Im Laufe des Tages kann es jedoch auch durch das Ausschmelzen der Steine dazu kommen. Beste Vorbeugemaßnahmen sind das Tragen eines Helms sowie das frühe Starten der Tour.
Zu den weiteren Gefahren zählen
- eine unzureichende Fitness
- Selbstüberschätzung der Teilnehmer
- Lawinen
- Stolpern
- Herz-Kreislauf-Probleme
- Probleme mit der Höhe
- Mangel an Erfahrung
- ein Alleingang
Praktische Tipps
Ein Gruppensport: Nicht nur als Anfänger sollte man eine Gletscherwanderung niemals alleine machen - die möglichen Gefahren sind groß und zum Teil unvorhersehbar.
Wer körperlich fit ist und die Gefahren wirklich ernst nimmt, der kann bei einer Schnupperwanderung am Gletscher ausprobieren, ob ihm dieser Sport wirklich zusagt. Wichtig ist, dass man sich keinesfalls allein in die eisigen Gefilde begibt.
Anfänger im Gletscherwandern sollten nur zusammen mit einem erfahrenem Führer im Gletscher unterwegs sein und ihre Fähigkeiten zu keiner Zeit überschätzen. Meist werden solche Schnuppertouren in der Gruppe durchgeführt, so hat man die Möglichkeiten, sich mit anderen Interessierten auszutauschen.
Doch besonders wichtig ist die richtige Vorbereitung...
Die richtige Vorbereitung auf die Gletscherwanderung
Der menschliche Körper ist nicht dazu geeignet, aus dem Stegreif Spitzenleistungen zu erbringen. Nicht nur Kraft und Ausdauer brauchen Zeit sich zu entwickeln, auch die jeweiligen Bewegungsabläufe müssen erst verinnerlicht werden, bevor sie automatisch und sicher ausgeführt werden können.
Möchte man daher mit einer neuen Sportart beginnen, so sollte man seinen Körper schonend darauf vorbereiten. Ansonsten sind Rückschläge beinahe vorprogrammiert.
In seiner natürlichen Umgebung klettert der durchschnittliche Mitteleuropäer wohl eher selten über kilometerlange Eisplatten. Auch hohe Schneewehen muss er nur solange meistern, bis der Räumdienst endlich vorgefahren ist.
Gletscherwandern ist daher keine Angelegenheit, die man schon beim ersten Mal perfekt beherrscht. Damit der Ausflug ein voller Erfolg wird, sollte man schon möglichst frühzeitig damit beginnen, sich darauf vorzubereiten.
Gehen mit Widerstand
Gletscherwandern ist eine sehr anstrengende Sportart. Zwar bewegt man sich nicht schneller als beim normalen Laufen auch, man stößt jedoch aufgrund des Bodens auf viel mehr Widerstand. Von einem federnden Waldboden kann man sich beispielsweise ausgezeichnet abstoßen, das Gehen funktioniert locker und mühelos.
Beim Wandern im ewigen Eis rutscht man jedoch fast ständig, so dass man besonders fest auftreten muss, um sich abstoßen zu können. Beim Gehen mit Steigeisen fällt dieser Kraftaufwand zwar weg, dafür ist es umso anstrengender, die Eisen ins Eis zu rammen.
Beinmuskeltraining
Um sich optimal auf das Gletscherwandern vorzubereiten, sollte man daher im Vorfeld so viel Beinmuskulatur wie nur möglich aufbauen. Das geht am besten in einem Fitnessstudio. Hier kann man sich von professionellen Coaches einen Trainingsplan zusammenstellen lassen, der schnell und effektiv zu Ziel führt.
Kondition
Daneben ist auch die Kondition eine wichtige Voraussetzung für das Wandern im Gletscher. Um die Ausdauer zu stärken, eignen sich solche Sportarten wie
- Joggen
- Schwimmen oder auch
- Inlineskaten.
Gewöhnung an das Wandern
Allerdings sollte man beim eifrigen Trainieren nicht vergessen, dass sich das Gletscherwandern in der freien Natur abspielt. Zur Vorbereitung empfiehlt es sich daher, ab und an auch eine längere Wanderungen durch ländliche Gefilde einzuplanen.
So gewöhnt man sich daran, weite Strecken zu Fuß zurückzulegen und das nötige Gepäck zu tragen. Die Wanderausrüstung wird von vielen Neulingen anfangs als sehr störend empfunden, weshalb es mehr als empfehlenswert ist, sich schon vor der Gletschertour mit ihr anzufreunden.
Tipps für die Planung einer Gletschertour
Ist man entsprechend vorbereitet und möchte selbst eine Gletschertour starten, so sollte man einige wichtige Punkte beachten. Zu diesen zählt:
- die Erkundigung nach den aktuellen Verhältnissen wie Brückenstabilität und Höhe der Schneeauflage
- die Einplanung von genügend Zeit: ein frühes Aufbrechen (zwischen 4 und sechs Uhr morgens) ist unumgänglich, da die Schneebrücke im Laufe des Tages instabiler werden und somit die Gefahr für Lawinen und Steinschläge erhöht wird
- das Anziehen und Einpacken von ausreichend warmer Kleidung - selbst im Sommer; Handschuhe sollten allein schon zur Vorbeugung von Verletzungen getragen werden
- das Studieren von Hochtourenkarten für die Region; hier lassen sich zumindest Zonen mit erhöhtem Spaltenrisiko einsehen, ebenso findet man eingezeichnete Wege
- das Einpacken von ausreichend Proviant und Wasser - Energieriegel sind besonders gut geeignet, um den leeren Speicher immer wieder aufzufüllen
- die Beachtung des Gipfelaufbaus - typisch sind stellenweise Klettereinlagen; bei vereistem Gelände sind Steigeisen ein absolutes Muss
- die Beachtung der allgemeinen Gefahren am Berg, wie Selbstüberschätzung, Wetterumschwünge oder Gewitter
- die Gewöhnung an die Höhe - je nach Region ist eine vorherige Akklimatisierung wichtig; Informationen zum Höhentraining geben wir hier
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Eine kleine Geschichte der Gletscher: Die Alpengletscher im Klimawandel, Haupt, 2008, ISBN 3258073880
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Schitourenparadies Steiermark. 100 Tourenvorschläge vom Gletscher bis ins Weinland, Styria, 2000, ISBN 3222126089
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Am Gletscher, Steidl, 2006, ISBN 3865211712
-
Mythos Gletscher, Edition Löwenzahn, 2004, ISBN 3706623439
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Gletscher, Primus Verlag, 2008, ISBN 3896783815
-
Die Anwendung des Seiles in Fels und Eis, Bergverlag Rother, 1998, ISBN 3763360824
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Richtig Hochtouren, Blv Buchverlag, 2003, ISBN 3405164443