Paranoia und Verfolgungswahn - Ursachen, Symptome und Behandlung

Beim Verfolgungswahn handelt es sich um eine schwere Störung der Persönlichkeit. Er zählt zu den paranoiden Denkstörungen.

Paradisi-Redaktion
Von Paradisi-Redaktion
Klassifikation nach ICD-10: F20.0
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Der Verfolgungswahn gehört den Erscheinungsformen der Paranoia an. Dabei treten bei den betroffenen Personen dauerhaft wahnhafte Störungen auf.

Unter dem Begriff "Paranoia" werden psychische Störungen zusammengefasst, bei denen die Patienten unter einem systematischen Wahn leiden. So nehmen die Betroffenen ihre Umwelt verzerrt wahr und zeigen sich sehr misstrauisch, weil sie ihre Mitmenschen für feindselig halten.

Eine Form der Paranoia stellt der Verfolgungswahn dar. Dieser macht sich dadurch bemerkbar, dass die Betroffenen fälschlicherweise glauben, überwacht, verfolgt oder gemobbt zu werden. Diese Annahme führt im weiteren Verlauf zu einem zunehmend ängstlichen oder aggressiven Verhalten.

Paranoia

Der Verfolgungswahn wird zur Paranoia gerechnet. Der Begriff entstammt dem Griechischen und bedeutet übersetzt soviel wie "Neben dem Verstand". Menschen, bei denen eine Paranoia vorkommt, gelten als Paranoiker.

Im Rahmen der schweren psychischen Störung entwickeln die betroffenen Personen Wahnbilder oder Wahnvorstellungen. So glauben sie, ständig beobachtet zu werden, nehmen Stimmen in ihrem Kopf wahr oder sehen Gestalten, die überhaupt nicht existieren. Dabei kann es sich zum Beispiel um andere Menschen, Außerirdische oder den Teufel handeln.

Als typisches Kennzeichen der Paranoia gelten Halluzinationen. Trotz eines Verfolgungswahns können die Betroffenen in der Regel bei unbeeinträchtigtem Verstand denken.

Die Paranoia lässt sich in fünf unterschiedliche Formen einteilen. Dies sind

  • der Verfolgungswahn und
  • die Hypochondrie, die auch als somatischer Wahn bezeichnet wird,
  • der Größenwahn,
  • Liebeswahn sowie
  • der Eifersuchtswahn.

Spezielle Formen bilden die Kombination aus mehreren Paranoia-Typen sowie der unspezifische Typ, der sich nicht eindeutig zuordnen lässt. Die schwerste Form der Paranoia stellt die paranoide Schizophrenie dar. Sie ist gekennzeichnet durch Wahnvorstellungen und akustische Halluzinationen.

Der Paranoiker misstraut seiner Umwelt zutiefst und neigt zu Verschwörungstheorien. Darüber hinaus fühlt er sich unentwegt beobachtet und verfolgt. Außerdem glaubt er, dass seine Mitmenschen ihm Schaden zufügen, ihn belügen oder sogar töten wollen.

Dabei erbringt er auch vermeintliche Beweise, die jedoch von gesunden Menschen nicht erkannt werden und oftmals sogar gar nichts belegen. Der Paranoiker ist aufgrund seines Wahns keinerlei Gegenargumenten zugänglich. Rationale Erklärungen bestärken den Patienten zumeist noch in seinen extremen Ansichten und wirken sich kontraproduktiv auf ihn aus.

Ursachen des Verfolgungswahns

Die genauen Ursachen von Verfolgungswahn ließen sich bislang nicht eindeutig klären. Häufig gelten Neurosen oder Psychosen als Auslöser der psychischen Störung. So kann die Paranoia die Folge eines speziellen Traumas sein. Dazu gehören

  • Missbrauch,
  • eine Vergewaltigung,
  • körperliche Misshandlungen,
  • Mobbing,
  • Folter,
  • Krieg,
  • Flucht oder
  • Terroranschläge.

Ebenso ist es möglich, dass die psychischen Störungen durch degenerative Entwicklungen in bestimmten Gehirnabschnitten verursacht werden. Dabei kann es sich um den Missbrauch von Alkohol und Drogen, die Alzheimer-Krankheit oder einen Gehirntumor handeln.

Als weitere mögliche Auslöser kommen psychische Erkrankungen wie

in Betracht.

Zu den Theoriemodellen für die Gründe des Verfolgungswahns gehört das Vulnerabilitäts-Modell. Dieses besagt, dass es durch unerträglich hohen Stress zu psychischen Erkrankungen wie Wahn oder paranoider Schizophrenie kommen kann.

Diese Erklärung ist jedoch wissenschaftlich ebenso wenig gesichert wie das Vorhandensein von genetischen Dispositionen. Des Weiteren sind auch physische Ursachen der Krankheit denkbar, wie ein Gehirntrauma oder Abbauvorgänge innerhalb des Gehirns.

Symptome

Bemerkbar macht sich Verfolgungswahn durch eine immer mehr zunehmende Ich-Bezogenheit des Erkrankten. Dabei stellen sich die Betroffenen vollkommen in den Mittelpunkt des Geschehens und glauben an Verschwörungen, in die auch Verwandte, Freunde und Bekannte verwickelt sein können.

Auf welche Weise die Wahnvorstellungen sich äußern, richtet sich nach dem sozialen Umfeld und den alltäglichen Lebensbedingungen des Paranoikers. In der Regel üben die Patienten Tätigkeiten aus, die sie im gesunden Zustand nicht tun würden.

Dabei steht vor allem ihr Selbstschutz vor den vermeintlichen Bedrohungen im Vordergrund. Häufig zeigen sich die Erkrankten überängstlich oder sehr aggressiv. Kognitives Denken und Intelligenz werden durch den Verfolgungswahn jedoch zumeist nicht beeinträchtigt.

Paranoide Schübe

Nicht selten kommt es beim Verfolgungswahn zu plötzlichen paranoiden Schüben. Diese haben auf die Mitmenschen des Paranoikers oft irritierende Auswirkungen. Sie können das Leben der Betroffenen erheblich verschlechtern, weil sie negative Folgen für den Beruf, die Ehe, Freundschaften und die Familie haben. Dadurch gerät der Paranoiker zunehmend in einen Teufelskreis, aus dem ihn nur eine fachkundige Psychotherapie befreien kann.

Ausprägungen

Die Ausprägungen eines Verfolgungswahns sind von Mensch zu Mensch verschieden.

  • So halten manche Erkrankte ihre bisherige Umgebung für fremd und glauben, dass Veränderungen erfolgt sind.
  • Einige Patienten wiederum fühlen sich durch andere Menschen bedroht oder nehmen eine Beeinflussung durch Hypnose oder Strahlung an.
  • Nicht selten verhalten sich die Patienten sehr unruhig oder leiden unter starken Ängsten.
  • Manche hören sogar Stimmen, die auf sie einreden.
  • In anderen Fällen verhält sich der Paranoiker apathisch, unkonzentriert und gleichgültig.
  • Ebenso ist das Auftreten von Depressionen möglich.

Den Paranoiker zu überzeugen, dass seine Befürchtungen völlig unangebracht sind, ist sinnlos. Er hält seine Gedanken für die unumstößliche Realität.

Diagnose

Weil sich die Betroffenen nicht krank fühlen, suchen sie nur selten einen Arzt auf, was die Diagnostik erschwert. Nur durch Druck von Lebenspartner oder Verwandten wenden sie sich schließlich an einen Therapeuten.

Erste Hinweise auf einen Verfolgungswahn geben bizarre Verschwörungstheorien. Nicht selten waren die Patienten bereits im Vorfeld auffällig.

Der Arzt führt mit dem Patienten längere Gespräche, um festzustellen, ob tatsächlich eine Paranoia oder ein Verfolgungswahn vorliegt. Darüber hinaus gilt es, nach möglichen körperlichen Auslösern für die psychische Erkrankung, wie beispielsweise einen Gehirntumor, zu suchen.

Therapie

Eine Therapie des Verfolgungswahns ist nicht einfach, aber überaus wichtig. Ohne eine Behandlung droht das Leiden chronisch zu werden.

Erfolgt eine frühzeitige Therapie mit Medikamenten wie Neuroleptika, lässt sich in den meisten Fällen eine nachhaltige Besserung erzielen. Die Neuroleptika haben auf das Gehirn die Wirkung eines Puffers und bewirken das Eindämmen der Paranoia. Als sinnvoll gilt zudem die Durchführung einer Gesprächstherapie, damit der Patient die Geschehnisse aufarbeitet und wieder in die Realität zurückfindet.

Manche Patienten erhalten zusätzlich beruhigende Arzneimittel wie Benzodiazepine. Auf diese Weise können sie wieder ausreichend schlafen und sich allmählich beruhigen. Da bei diesen Mitteln jedoch ein verstärktes Suchtpotential besteht, werden sie nach einigen Monaten wieder abgesetzt.

Bei manchen Patienten, bei denen der Verfolgungswahn schwer ausgeprägt ist, muss die Behandlung stationär in einer Klinik stattfinden. Dies kann zum Beispiel notwendig sein, weil der Patient eine Gefahr für andere Menschen oder sich selbst darstellt. Die stationäre Therapie erfolgt solange, bis sich der Patient wieder ausreichend stabilisiert hat.

Damit es nach der Besserung des Verfolgungswahns nicht erneut zu dessen Aufflammen kommt, muss der Betroffene regelmäßig vorbeugende Medikamente einnehmen. Allerdings tritt bei etwa einem Drittel aller Patienten zu einem späteren Zeitpunkt ein Rückfall auf. Bei einem weiteren Drittel bleibt die Behandlung erfolglos, sodass sie auch weiterhin unter Paranoia leiden.

Vorbeugung

Da die Ursachen des Verfolgungswahns nicht genau geklärt sind, ist eine gezielte Vorbeugung nicht möglich. Durch die Einnahme von Medikamenten lässt sich immerhin einem Rückfall vorbeugen.

Wichtig ist außerdem, dass der Patient sozial integriert wird und über einen geregelten Tagesablauf verfügt. So kann eine ausfüllende Beschäftigung, die dem Betroffenen Freude macht, sinnvoll sein. Vom Konsum von Drogen oder alkoholischen Getränken wird abgeraten.

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