Verbreitete Lernstörungen - Ursachen, Symptome und mögliche Gegenmaßnahmen
Unter Lernstörungen versteht man Entwicklungsstörungen bei Kindern, die das Lernvermögen beeinträchtigen. Dazu gehören zum Beispiel Legasthenie, Dyskalkulie oder Dysgraphie. Sowohl genetisch als auch äußere Faktoren können eine Rolle spielen. Nicht in jedem Fall ist eine Behandlung möglich. Informieren Sie sich über verbreitete Lernstörungen und Lesen Sie, ob und in welcher Form sie behandelt werden können.
Spricht man von einer Lernstörung oder Lernschwäche, sind damit Entwicklungsstörungen bei Kindern gemeint, die das Lernen betreffen. Obwohl diese Kinder über eine ausreichende Intelligenz zum Lernen verfügen, leiden sie dennoch unter Defiziten beim
Ursachen von Lernstörungen
Die Ursachen von Lernstörungen sind mannigfaltig. Manchmal strengt sich das betroffene Kind einfach nicht genug an oder verfügt nicht über hinreichende Begabungen, was jedoch eher selten der Fall ist. So wird Lernschwäche in erster Linie durch Faktoren wie
- mangelnde Unterstützung der Eltern
- das schulische Umfeld oder
- den Unterricht
hervorgerufen. Doch auch genetische Faktoren oder bestimmte Erkrankungen können eine Rolle spielen.
Auswirkungen
Für die betroffenen Kinder können Lernstörungen erhebliche negative Auswirkungen auf ihr weiteres Leben haben. So sehen sie sich in der Schule schlechten Noten, den Vorwürfen von Lehrern und Eltern sowie dem Hohn ihrer Mitschüler ausgesetzt.
Wird die Lernstörung nicht rechtzeitig erkannt, kann dies leicht zu einem Teufelskreis führen, der sich schließlich auch negativ auf das Selbstbewusstsein des betroffenen Kindes auswirkt. So leiden viele Kinder still vor sich hin und stufen sich selbst als dumm ein, was jedoch nicht zutrifft.
Irgendwann kommt es schließlich zur Resignation. Umso wichtiger ist es, eine Lernstörung rasch zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
Unterschiedliche Arten von Lernstörungen
Vor allem in der Grundschule kommt es häufig zu Problemen beim Rechnen, Lesen und Schreiben. Experten unterscheiden zwischen verschiedenen Arten von Lernstörungen, auf die wir im Folgenden eingehen.
Dyslexie
Bei einer Dyslexie haben die Betroffenen Schwierigkeiten, Texte und Wörter beim Lesen zu verstehen. Der Begriff "Dyslexie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie "Die Sprache schwer oder schlecht verstehen".
In Deutschland wird der Begriff meist nur gebraucht, wenn schriftsprachliche Probleme aufgrund einer Hirnschädigung auftreten. Diese kann durch eine Tumorerkrankung oder einen Unfall entstehen. Im englischen Sprachraum dient der Begriff "Dyslexie" (Developmental Dyslexia) dazu, Lese-Rechtschreibstörungen zu beschreiben.
Merkmale einer Dyslexie
Von Dyslexie betroffen sind ungefähr 5-17 Prozent der Bevölkerung. Dabei muss jedoch zwischen unterschiedlichen Formen und Schweregraden differenziert werden. In den meisten Fällen zeigt sich die Lernstörung schon in den ersten Schuljahren im Rahmen einer Legasthenie (Lese-Rechtschreibschwäche). Obwohl die betroffenen Kinder durchaus normal intelligent sind, bleiben sie beim Lesen und Schreiben hinter anderen Kindern ihres Alters zurück.
Ursachen und Behandlung
Die genauen Ursachen für eine Dyslexie ließen sich bislang nicht klären. Da die Lernschwäche jedoch familiär gehäuft auftritt, wird vermutet, dass es sich um eine erbliche Störung handelt.
Darüber hinaus ergaben Studien einen Zusammenhang zwischen einer Prädisposition für Dyslexie und einer Region des Chromosoms 6. Der betroffene Abschnitt des Chromosoms verfügt über das Gen DCDC2.
Forscher sind der Ansicht, dass dieses Gen wichtig für die Entwicklung verschiedener Nervenzellen innerhalb des Gehirns ist und eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung einer Dyslexie spielt. Durch genetische Variationen werden die Betroffenen empfänglich für die Lernstörung.
Weiterhin wird angenommen, dass auch Umweltfaktoren Einfluss auf das Entstehen einer Dyslexie haben. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen, bei denen eine unzureichende synaptische Verschaltung der Sprachzentren besteht, tritt diese Lernschwäche häufig auf.
Zurückzuführen ist dieser Umstand auf unzureichendes Lese- und Schreibtraining. Mitunter wird eine Dyslexie durch Hirnschädigungen verursacht wie beispielsweise ein Schädel-Hirn-Trauma oder einen Schlaganfall.
Die Behandlung einer Dyslexie erfolgt durch
- Logopäden
- klinische Linguisten und
- Sprachheilpädagogen.
Legasthenie
Bei Legasthenie handelt es sich um eine Lese-Rechtschreib-Störung. Sie wird auch als Lese-Rechtschreib-Schwäche oder LRS bezeichnet. Gemeint ist damit eine ausgeprägte, anhaltende Störung beim Lernen von geschriebener Sprache.
Merkmale der Legasthenie
Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) teilt die Legasthenie in verschiedene Formen ein. So gilt es, zwischen
- einer Lese- und Rechtschreibstörung
- einer isolierten Rechtschreibstörung
- einer Rechenstörung sowie
- einer kombinierten Störung von schulischen Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben
zu unterscheiden. Bemerkbar macht sich Legasthenie zunächst dadurch, dass die betroffenen Kinder Schwierigkeiten haben, das ABC aufzusagen oder Buchstaben zu benennen. Im weiteren Verlauf kommt es zu Problemen beim Lesen. Dabei werden zum Beispiel Wörter ausgelassen, hinzugefügt oder verdreht sowie Buchstaben und Silben ersetzt.
Darüber hinaus lesen die betroffenen Kinder nur sehr langsam. Nicht selten haben sie auch Probleme, Texte zu verstehen und sind nicht in der Lage, Gelesenes zu wiederholen oder logische Schlüsse daraus zu ziehen.
Ursachen
Zu einer Legasthenie kann es aus unterschiedlichen Gründen kommen. Nicht selten führt auch ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren zur Ausprägung der Lese- und Rechtschreibschwäche.
Als Risikofaktoren gelten vor allem
- eine verzögerte Sprachentwicklung des Kindes
- auditive und visuelle Wahrnehmungsstörungen wie Hör- oder Sehschwäche
- neurologische Probleme
- Schwächen bei der phonologischen Informationsverarbeitung sowie
- soziale Faktoren.
So neigen oftmals Kinder, die aus schwächeren sozialen Schichten stammen, zu einer Legasthenie. Doch auch genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen, da die Lese- und Rechtschreibschwäche häufig mehrmals innerhalb einer Familie auftritt.
Behandlung
Wird eine Legasthenie frühzeitig festgestellt, lässt sie sich in der Regel gut behandeln. Setzt die Therapie schon vor dem ersten Schuljahr und dem eigentlichen Erwerb der Schriftsprache ein, gelten die Erfolgsaussichten als besonders hoch.
Grundlage von Vorbeugemaßnahmen bildet die Förderung der phonologischen Bewusstheit. Bleiben die Probleme nach der Einschulung bestehen, ist es wichtig, dass schon in den ersten Grundschuljahren Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, da es sonst zu einem dauerhaften Problem kommt.
Nicht selten wird eine Legasthenie auch von Begleitstörungen wie Schulangst begleitet, sodass noch weitere psychologische Maßnahmen erforderlich sind. Dazu gehört zum Beispiel, die Ängste des Schülers abzubauen und seine Lernmotivation zu fördern.
Ebenfalls hilfreich sind
- Entspannungsübungen
- Konzentrationsübungen sowie
- das Einüben von Bewältigungsstrategien.
Weitere Maßnahmen, die zur Bewältigung einer Lese-Rechtschreibschwäche als sinnvoll gelten, sind
- psychomotorisches Training
- Funktionstraining
- die taktil-kinästhetische Methode und
- die kybernetische Methode.
Dyskalkulie
Dyskalkulie wird auch als Rechenschwäche, Arithmasthenie oder Zahlenblindheit bezeichnet. Gemeint ist damit eine Beeinträchtigung des arithmetischen Denkens, die bei rund 7 Prozent der Bevölkerung auftritt.
Das heißt, dass die Betroffenen Verständnisprobleme mit arithmetischen Grundlagen wie
- den Grundrechenarten
- dem Dezimalsystem oder
- Zahlenbegriffen
haben. Die Dyskalkulie gilt auch als mathematisches Gegenstück zur Legasthenie. Durch eine gezielte Therapie lässt sich die Rechenschwäche aber kompensieren.
Dyskalkulie ist keine Krankheit
Eine Krankheit im eigentlichen Sinn ist Dyskalkulie nicht. Dennoch wurde die Rechenschwäche von der WHO in deren Krankheitsklassifikationen aufgenommen, sodass die Krankenkassen staatlich zur Übernahme von Behandlungskosten verpflichtet werden können.
In Deutschland verzichtet der Staat jedoch darauf. Nur unter bestimmten Voraussetzungen trägt das Jugendamt die Kosten für eine Therapie.
Merkmale
Von einer Dyskalkulie ist die Rede, wenn ein Kind einen IQ über 70 hat und seine mathematischen Leistungen weder seiner Intelligenz noch seinem Altersdurchschnitt entsprechen. Außerdem wird die Rechenschwäche nicht durch neurologische Störungen, eine Krankheit oder schlechten Unterricht verursacht.
Eine Dyskalkulie lässt sich nicht immer leicht feststellen. So werden bei Intelligenztests häufig auch mathematische Fähigkeiten getestet, was wiederum bei rechenschwachen Kindern zwangsläufig zu schlechteren Testergebnissen führt.
Dadurch kann die Abweichung zwischen IQ-Test und Mathematik-Test zur genauen Diagnose einer Dyskalkulie zu gering ausfallen. Andererseits ist es auch möglich, dass bei Kindern mit starker Angst vor mathematischen Aufgaben irrtümlicherweise eine Rechenschwäche festgestellt wird.
Behandlung
Da Kinder, die unter Dyskalkulie leiden, individuelle Hilfe benötigen, sind normaler Schul- und Nachhilfeunterricht nicht dazu geeignet, die Probleme zu verbessern. Stattdessen ist eine integrative Lerntherapie erforderlich, die die Lernausgangssituation des Kindes berücksichtigt.
Das heißt, dass ein individuelles Bedarfsprogramm für den Schüler erstellt wird. Wichtig ist, dass der Schüler die Argumentationsschritte bis ins kleinste Detail nachvollziehen kann.
Durchgeführt wird eine Lerntherapie von einem Therapeuten, der sowohl über eine pädagogisch-psychologische als auch eine mathematische Ausbildung für Dyskalkulie verfügt. Dieser muss die Fähigkeit besitzen, die mathematischen Grundlagen individuell differenziert zu vermitteln.
Um die Lernfortschritte abzusichern, integriert man eine Verlaufsdiagnostik in die Therapie. Durch angepasste Lernschritte lassen sich Defizite im Lernstoff systematisch aufarbeiten.
Erstattung der Therapiekosten
Damit die Kosten für eine Lerntherapie vom Jugendamt übernommen werden, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden.
- So ist es erforderlich, die Dyskalkulie von einer unabhängigen therapeutischen Einrichtung bestätigen zu lassen.
- Außerdem wird eine Erklärung der zuständigen Schule benötigt, dass sie den Schüler nicht genügend fördern kann.
- Darüber hinaus muss die Dyskalkulie so stark ausgeprägt sein, dass für das Kind die Gefahr einer faktischen oder seelischen Behinderung besteht.
Dysgraphie
Bei Dysgraphie oder Agrafie handelt es sich um das Unvermögen, Texte oder einzelne Wörter aufzuschreiben. Dabei verfügt der Betroffene durchaus über die dazu notwendigen Fähigkeiten.
Ursachen
Zu einer Dysgraphie kommt es zumeist durch Schädigungen des Gehirns. Nicht selten geht sie mit einer Aphasie (Sprachlosigkeit) einher. Kommt es durch einen Schlaganfall zu einer Halbseitenlähmung, hat dies zur Folge, dass die Betroffenen Probleme mit dem Schreiben haben.
Aber auch diverse neurologische Krankheiten wie das PANS-Syndrom können eine Dysgraphie hervorrufen. Mitunter wird eine Agrafie auch durch lange Isolationshaft ausgelöst.
Verschiedene Formen
Es wird zwischen mehreren Formen der Agrafie unterschieden.
- So gibt es u.a. die lexikalische Agrafie, bei der die Betroffenen Wörter nicht aussprechen können, die schwer zu unterscheiden sind.
- Bei der semantischen Agrafie lässt sich bedeutungshaltiges Material weder aufschreiben noch aussprechen.
- Von einer phonologischen Agrafie spricht man, wenn der Betroffene Wörter zwar korrekt aufschreibt, sie aber nicht mündlich wiedergeben kann.
- Die apraktische Agrafie beschreibt den Umstand der beeinträchtigten Feinmotorik, welche zur Schreibunfähigkeit führt; sie ist meist gekoppelt mit einer Aphasie.
Die Behandlung erfolgt in der Regel in einer logopädischen Praxis. Je nachdem, welche Form und Schwere der Schädigung vorliegt, kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz.
Dyspraxie
Dyspraxie zählt zu den Koordinations- und Entwicklungsstörungen. Sie besteht ein Leben lang und betrifft vorwiegend das männliche Geschlecht. Schätzungen zufolge sind ca. 8-10 Prozent aller Kinder von Dyspraxie betroffen.
Merkmale
Dyspraxie wird auch Syndrom des ungeschickten Kindes genannt. So haben die Betroffenen fein- und grobmotorische Probleme.
Das heißt, dass sich die Gliedmaßen des Körpers nicht so bewegen lassen, wie sie sich bewegen sollen. Auch die gleichzeitige Bewegung von Armen und Beinen ist problematisch.
Formen
Man unterscheidet zwischen der motorischen und der ideatorischen Dyspraxie.
- Von einer motorischen Dyspraxie spricht man, wenn der Betroffene sich die Handlung, die er ausführen will, genau vorstellen kann, aber nur unter Schwierigkeiten oder auch gar nicht in der Lage ist, sie in die Tat umzusetzen.
- Bei der ideatorischen Dyspraxie schafft es der Betroffene dagegen nicht, sich die Handlung genau vorzustellen.
Symptome
Ein typisches Symptom der Dyspraxie sind simple motorische Ungeschicklichkeiten. Die Störung kann aber auch Lernschwierigkeiten oder Sprachschwierigkeiten hervorrufen. Betroffen von der Dyspraxie sind das Erlernen von Handlungen sowie die Speicherfunktion für Handlungen innerhalb des Gehirns.
Ursachen
Wodurch die Dyspraxie verursacht wird, ist bislang unklar. Einige Wissenschaftler vermuten, dass die Störung durch eine unreife Neuronenentwicklung entsteht. Nicht selten geht sie mit anderen Störungen wie
- Autismus
- dem Asperger-Syndrom
- ADHS
- Dyskalkulie oder
- Dyslexie
einher.
Auswirkungen
Die Dyspraxie hat erhebliche Auswirkungen auf den Alltag. So werden ganz normale Tätigkeiten wie Waschen, Ankleiden, Trinken und Essen deutlich beeinträchtigt und finden nur sehr langsam statt.
Auch auf Schreiben und Rechnen wirkt sich die Störung gravierend aus. Erschwerend kommt hinzu, dass die betroffenen Kinder ständiger Kritik ausgesetzt sind, weil ihre Störung als Faulheit oder Provokation missverstanden wird.´Die Betroffenen selbst haben für ihre Schwierigkeiten keinerlei Erklärung, was wiederum zu Selbstzweifeln führt.
Therapie
Eine Behandlung der Ursachen der Dyspraxie ist nicht möglich. Daher konzentriert sich die Therapie auf die Verbesserung der fein- und grobmotorischen Koordination. Zur Anwendung kommen dabei Behandlungsmaßnahmen wie
- Krankengymnastik
- eine Ergotherapie oder
- Motopädie.
Schwierigkeiten beim Trinken und Essen wirkt man durch eine gezielte mundmotorische Therapie, die von einem Logopäden durchgeführt wird, entgegen. Wichtig ist, dass bei der Behandlung auf eine ganzheitliche Förderung geachtet wird. Im Rahmen der Behandlung übernimmt der Therapeut die Planung für die Handlungen des betroffenen Kindes und erstellt geeignete Lernmethoden.
Als bewährte Methode gilt das Handeln nach Plan. Dabei werden die einzelnen Schritte der alltäglichen Handlungen in Form von Bilderbüchern und Listen dargestellt, sodass das Kind eine Vorlage erhält. Auf diese Weise kann es deutlich schneller lernen und handeln.
Hyperlexie
Bei der Hyperlexie handelt es sich um ein Syndrom, das bei Kindern auftritt. Sie gilt als mögliches Anzeichen für Autismus.
Merkmale
Ein typisches Merkmal der Hyperlexie ist, dass die betroffenen Kinder schon deutlich früher als ihre Altersgenossen mit dem Lesen beginnen. Darüber hinaus werden sie von Buchstaben und Zahlen in den Bann gezogen.
Hyperlexie-Kinder verfügen über erstaunliche Fähigkeiten beim mechanischen Umgang mit der Sprache. So haben sie ein ausgeprägtes Sprachgedächtnis, können schnell Buchstaben oder Silben zählen und rückwärts lesen.
Dennoch mangelt es ihnen an einem inhaltlichen Sprachgefühl. Das heißt, dass sie die Bedeutung der Wörter und Sätze, die sie von sich geben, nicht erkennen können. Dies hat wiederum Probleme beim sozialen Umgang mit ihren Mitmenschen zur Folge. Nicht selten werden die betroffenen Kinder von ihren Eltern oder Lehrern kognitiv überfordert, da man irrtümlicherweise auch auf anderen Gebieten besondere Fähigkeiten von ihnen erwartet.
Nonverbale Lernstörung
Die nonverbale Lernstörung (NLS) wird auch als nichtsprachliche Lernstörung oder Nonverbal Learning Disorder (NLD) bezeichnet. Gemeint ist damit ein neuropsychologisches Syndrom mit speziellen Defiziten, aber auch Fähigkeiten.
Merkmale der nonverbalen Lernstörung
In Deutschland ist die nonverbale Lernstörung bislang eher unbekannt. Die Kinder, die von diesem Syndrom betroffen sind, lernen schon frühzeitig lesen und verfügen über eine hohe Sprachbegabung.
Zu Problemen kommt es jedoch bei nonverbalen Interaktionen. So sind die betroffenen Kinder motorisch überaus ungeschickt und weisen einen Mangel an Feinmotorik und Koordination auf.
Probleme bereitet ihnen auch ihr Gleichgewichtssinn, was sich negativ auf Bewegungen wie Laufen oder Radfahren auswirkt, da die Gefahr von Stürzen und Verletzungen besteht. Aber auch die visuell-räumliche Wahrnehmung ist getrübt.
Die betroffenen Kinder tun sich schwer bei dem Erkennen und Unterscheiden von Details. Außerdem mangelt es ihnen an der Fähigkeit, die Körpersprache ihrer Mitmenschen richtig zu deuten.
Ursachen
Die genauen Ursachen für eine nonverbale Lernstörung liegen bislang noch im Dunkeln. Eine Theorie ist, dass das Syndrom durch neurologische Schäden hervorgerufen wird. Dabei kommt es zu Beeinträchtigungen an der weißen Substanz des Gehirns, die sich in der rechten Hirnhälfte befindet.
Auswirkungen
Bemerkbar macht sich eine nonverbale Lernstörung bereits im Kindergarten und in der Grundschule. Da die betroffenen Kinder ihrer Umwelt in erster Linie verbal begegnen, stellen sie zahlreiche Fragen und werden nicht selten als neunmalklug abgestempelt. Außerdem tun sie sich schwer mit neuen Situationen, was vor allem Anpassungsfähigkeit und Schnelligkeit betrifft.
Das Erlernen von Fremdsprachen macht nonverbalen Kindern keine Schwierigkeiten. Probleme treten dagegen bei Mathematik und sportlichen Aktivitäten auf, was auf die eingeschränkte Motorik zurückzuführen ist. Diese Einschränkung führt dazu, dass die betroffenen Kinder viel Zeit für das Erledigen von Aufgaben benötigen.
Nicht selten führen die Probleme, die durch die nonverbale Lernstörung entstehen, zu sozialer und gesellschaftlicher Isolation der Betroffenen. Mitunter kommt es auch zu Angststörungen oder Depressionen.
Außerdem kann die selbstständige Lebensführung unter der Störung leiden. So kommt es häufig zu Problemen bei der Berufsausbildung oder beim Erwerben eines Führerscheins.
Diagnose
Am besten feststellen lässt sich eine nonverbale Lernstörung durch eine differenzierte Lern- und Leistungsdiagnostik. Als bewährte Diagnosemethode gilt der so genannte HAWIK-Test. Dieser unterscheidet zwischen verbaler und nonverbaler Intelligenz.
Therapie
Eine ursächliche Behandlung der nonverbalen Lernstörung ist bislang nicht möglich. Daher beschränken sich die Therapiemaßnahmen auf die Behandlung der Symptome. Als empfehlenswert gelten eine Physiotherapie sowie eine Ergotherapie, durch die den motorischen Beeinträchtigungen des Syndroms entgegengewirkt werden soll.
Diese Maßnahmen können bereits im Vorschulalter zur Anwendung kommen. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind ein Sozialkompetenz-Training, um das Sozialverhalten des Kindes zu verbessern, sowie eine Psycho- oder Gesprächstherapie, die zur psychologischen Unterstützung dient.