Bionik - Wenn der Mensch das Tier kopiert
Die meisten Tiere verfügen über Fähigkeiten, von denen der Mensch nur träumen kann. Kopfüber an der Decke laufen? Kein Problem für den Gecko. Sich auch bei der stärksten Strömung als festsitzend erweisen? Die Miesmuschel kann es. Und auch die gemeine Mücke, besser bekannt unter dem Namen Schnacke, sticht, ohne dass der Mensch es spürt. Und hier kommt nun die Bionik zum Einsatz. Lesen Sie alles Wissenswerte über die Bionik.
Bionik: Definition
Der Begriff "Bionik" vereint die beiden Bereiche Biologie und Technik. Man nennt diesen Forschungsbereich auch Biomimikry, Biomimetik oder Biomimese; er beschäftigt sich mit der Übertragung natürlicher Phänomene auf die Technik.
Biologen arbeiten zu diesem Zweck eng mit Architekten, Ingenieuren, Chemikern, Physikern und Materialforschern zusammen. Es gilt, technische Fragestellungen mithilfe von Anwendungen, für die man biologische Vorbilder wählt, zu lösen. Zu diesen Vorbildern zählen
- Strukturen
- biologische Prozesse
- Organismen
- Materialien
- Erfolgsprinzipien und
- der Prozess der Evolution.
Es geht nicht darum, natürliche Vorbilder nur zu kopieren, sondern vielmehr darum, Neuerfindungen, angeregt durch diese natürlichen Vorbilder, zu kreieren. Diese sind dazu in der Lage, sich jedem Lebensraum anzupassen; treten Schwierigkeiten auf, werden die Probleme durch bestimmte Konzepte der Anpassung gelöst. Somit erhalten die Forscher ein riesengroßes Angebot an spezifischen Lösungen.
Vorgehensweisen
Bei der Analog-Bionik kommt es zum so genannten top-down-Prozess; dieser besteht aus der Definition eines Problems, der Suche nach natürlichen Analogien, derer Analysen sowie der Suche nach Lösungen, basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen. Zu den Beispielen zählen
- Flugzeuge: die Tragflächen wurden nach Beobachtung des Flugs großer Vögel optimiert
- Winglets an den Tragflächenenden von Flugzeugen: Reduzierung des Treibstoffverbrauchs nach Untersuchung von Flügeln segelnder und gleitender Vögel
- Neue Profile von Autoreifen: größere Kontaktfläche nach Beobachtung von Katzenpfoten, die sich bei einem Richtungswechsel verbreitern
Bei der Abstraktions-Bionik wiederum erfolgt ein bottom-up-Prozess; dieser besteht aus biologischer Grundlagenforschung, Untersuchung der Biomechanik und Funktionsmorphologie biologischer Systeme, der Erkennung und Beschreibung eines darauf basierenden Prinzips, der Durchführung einer Abstraktion dieses Prinzips, der Suche nach möglichen Anwendungen im technischen Bereich sowie der Entwicklung dieser Anwendungen mit Designern, Technikern und Co. Zu den Beispielen zählen
- die Optimierung von Strukturen bestimmter Bauteile nach Beobachtung von Wuchsformen von Knochen oder Bäumen
- die Selbstreinigung und Unbenetzbarkeit bestimmter Oberflächen nach Beobachtung des Abperleffekts der Lotuspflanze (Lotuseffekt)
- Beklebung von Flugzeugen mit Riblet-Folien zur Reduzierung des Luftwiderstands nach Beobachtung der Hautoberfläche von Haien
- der Klettverschluss nach Vorbild der Klettfrucht
Einige weitere Beispiele haben wir im Folgenden für Sie aufgeführt...
Eigenschaften der Stechmücke
Wenn einen eine Mücke sticht, spürt man nicht das Geringste davon. Ungehindert kann das Insekt sich am menschlichen Blut schadlos halten und erst wenn es endlich satt ist und den Rüssel zieht, beginnt das Jucken.
Eine Fähigkeit, die nun Wissenschaftler zur Entwicklung einer schmerzfreien Spritze nutzen. Ultradünne Spritzen werden gerade in Osaka getestet, die das Einstechen für den Menschen zu einer angenehmen Sache werden lassen soll.
Eigenschaften des Geckos
Milliarden speziell geformter Härchen finden sich an den Füßen des Geckos, die das Tier überall laufen lassen können, weil es wie ein super starkes Klebeband funktioniert. In Cambridge, USA, wurde ein ähnliches Klebeband für den Menschen nachkonstruiert. Aus Kunststoff und einem Gummiband nachempfunden solle es in der Zukunft bei Operationen zum Beispiel Wunden von innen ebenso verschließen können als auch von außen; Faden und Nadel wären dann nicht mehr nötig.
Eigenschaften der Spinne
Sie sind zumeist weiß und kaum sichtbar, aber extrem reißfest und gleichzeitig hervorragend elastisch. Spinnennetze zählen zu den Wundern der Eigenschaften einer Spinne und brachten Forscherteams aus München und Bayreuth dazu ein ähnliches Material herzustellen.
Eine spezielle Eiweißmischung lässt die künstlichen Spinnenfäden als Operationsmaterial zum Einsatz kommen, um etwa in der Neuro- oder auch Augenchirurgie feinste Nähte entstehen zu lassen.
Eigenschaften der Miesmuschel
Auch die Miesmuschel ist ein kräftiges und wundersames Wesen. Bioniker fanden in deren Fähigkeit sich überall "anzukleben" und nicht abgerissen zu werden eine interessante Information, die dazu führte, einen Biohaftstoff zu entwickeln, der sich im Wasser aushärtet.
Bundesweite Gruppen von Forschern arbeiteten an diesem Projekt, um einen Superkleber zu erhalten, der zum Beispiel Blutgefäße verkleben oder auch Zahnimplantate einen festen Sitz geben kann.
Dies sind nur wenige Beispiele, mit denen sich die Bionik beschäftigt, die zudem auch Sonare den Fledermäusen nachempfindet oder für erdbebensichere Gebäude sorgen kann. Täglich werden neue Eigenschaften aus der Tierwelt entdeckt, die für den Menschen äußerst nützlich sein können. Doch das Kopieren benötigt Zeit, denn so einfach ist es eben nicht, etwas Naturgegebenes rasch nachzuahmen.